In diesen Tagen entscheidet sich, wie sich das Europäische Parlament zu den #Fitfor55-Vorschlägen der Europäischen Kommission aus Juli 2021 verhalten will (hierzu u. a. hier). Am 17.05.2022 tagt der Umweltauschuss ENVI und stimmt ab. Abzustimmen gilt es dabei für eine Vielzahl von einzelnen Reformvorschlägen, davon viele, die (wie die Taxonomie, wie die Löschung überschüssiger Zertifikate etc. pp.) im politischen Raum ebenso relevant wie kontrovers sind. Dem gegenüber interessiert die Frage der Zuteilung von Emissionsberechtigungen an emissionshandelspflichtige Anlagen nur wenige Kenner der Materie über den Kreis der Betroffenen hinaus, denn die Frage, ob Unternehmen Zertifikate kaufen oder per Bescheid erhalten ist emissionsneutral. Für den Klimaschutz ist an sich nur wichtig, wie viele Zertifikate es insgesamt gibt.
Doch schon bei dieser Frage will wohl eine Mehrheit des Umweltaussschusses über die bisherigen Pläne hinausgehen. Bekanntlich plante schon die Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag die Menge an Berechtigungen deutlich zu kürzen. 2030 sollen 62% weniger emittiert werden als 2005, 2050 gar nichts mehr. Nun will ein relevanter Teil des Ausschusses sogar 67% mindern, und zwar durch Löschung überschüssiger Zertifikate und durch eine Erhöhung des linearen Minderungspfades, also der allmählichen Abschmelzung der Zertifikate statt um 4,2% (wie die KOM es vorsah) auf jährlich 0,1% mehr. Berechtigungen würden also knapper und damit wertvoller, also teurer. Da auch der Marktstabilitätsmechanismus ertüchtigt werden soll, würden die Kurse sicher deutlich steigen.
Wie dieses rare Gut verteilt werden soll, ist noch umstritten. Die KOM hatte eine Abschmelzung der Zertifikate bis 2036 vorgesehen. Zwischen 2026 und 2036 sollte über eine jährliche Kürzung um je 10% ausgeschlichen werden. Nun gibt es im ENVI – abseits des konservativen Berichterstatters – wohl eine Mehrheit, die sich einen früheren Ausstieg aus der CO2-Zuteilung wünscht. Danach soll schon 2031 nicht mehr kostenlos zugeteilt werden. Um eine Abwanderung betroffener Branchen zu vermeiden, soll dann stufenweise der CBAM, also eine Abgabe für Importe an der Grenze in Höhe der ETS-Belastung greifen. Geplant ist auch keine reine Verteuerung, die nur die Staatskassen füllt, sondern das eingenommene Geld soll in Gestalt von Klimainvestitionen in die Industrie zurückgeführt werden. Dabei geht es um hohe Summen im dreistelligen Milliardenbereich.
Doch auch in der Zwischenzeit bis zum Ende der freien Zuteilung soll sich viel ändern. Die Zuteilung soll stärker incentivieren, also nicht in erster Linie der Bedarfsdeckung und damit der Kostendämpfung dienen, sondern dekarbonisierte Industrieanlagen sollen über fünf Jahre Zuteilungen und damit eine Teilfinanzierung von Maßnahmen erhalten, die besten 10% der Anlagen erhalten sogar eine extra Prämie in Gestalt von 10% mehr Berechtigungen. Um neben diesem Zuckerbrot auch die Peitsche nicht zu verschweigen: Die schlechtesten 10% sollen ihre Zuteilung verlieren. Diese soll zudem auf anspruchsvolleren Benchmarks beruhen, aber erst ab 2026. Zudem soll durch einen reinen Produktbezug, der bereits dekarbonisierte Verfahren einbezieht, eine weitere Verschärfung der Benchmarks erreicht werden, auf denen die Zuteilung arithmetisch fußt.
Für viele Unternehmen heißt das: Höhere Kosten in wenigen Jahren. Doch ob es wirklich so kommt? Der Umweltausschuss ist noch nicht das Parlament. Und die Mitgliedstaaten im Rat haben auch noch ein Wörtchen mitzureden. Doch die Richtung dürfte klar sein (Miriam Vollmer).
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