Zur Frage, was genau Verkehr ist, schweigen sich unsere Kommentare zum Straßen- und Straßenverkehrsrecht merkwürdig aus. Dabei lieben Juristen eigentlich Definitionen. Aber auch hier zeigt sich eine typische, das öffentliche Verkehrsrecht prägende Charakteristik: Es ist eine scheinbar aus praktischen Notwendigkeiten geborene Materie, ohne überflüssige Schnörkel und ideologischen und theoretischen Ballast. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall.
Nehmen wir zum Beispiel die zentrale Vorschrift des Straßenverkehrsrechts, § 45 StVO, in dem die Voraussetzungen von Verkehrsbeschränkungen insbesondere durch Verkehrszeichen geregelt sind. Diese Vorschrift ist von gradezu barocker Unübersichtlichkeit mit zahlreichen Ausnahmen und Gegenausnahmen geprägt. Die ursprüngliche und später noch verschärfte Intention, Beschränkungen eine hohe Begründungslast aufzuerlegen: Sie ist aus guten Gründen inzwischen durch zahlreiche Ausnahmen relativiert worden. Rechtstechnisch macht dies die Sache jedoch nicht besser.
Was die unklare und vor allem wenig explizite Definition des Verkehrs angeht: In der Praxis führt es in oft dazu, dass unter „Verkehr“ in vielen Zusammenhängen nur der motorisierte Individualverkehr verstanden wird. An sich dürften sich alle Juristen zwar einig sein, dass dies unzutreffend ist. Und es gibt auch Entscheidungen, in denen das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) z.B. auch den Fahrradverkehr als Verkehr betrachtet. Die Rechtsprechung lässt sogar kommunikative Funktionen des Verkehrs zu, also so etwas wie das Gespräch an der Dorflinde.
Trotzdem tappen auch Befürworter der Verkehrwende häufig in die Denkfalle, ausschließlich den Autoverkehr als „Verkehr“ zu akzeptieren: Sie treten dann entweder gegenüber der Verwaltung als Bittsteller auf, obwohl sie eigentlich gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer sein sollten. Oder sie fordern rechtspolitisch etwas, was ihnen rechtlich längst zusteht. Schlimmstenfalls führt das dann zu einer weiteren Ausnahme im Gesetz, die von der Rechtsprechung dann maximal restritiv ausgelegt wird und daher an der Behördenpraxis nichts ändert.
Gefährlich ist in diesem Zusammenhang auch die Tendenz, dass „zugunsten von Fuß- und Radverkehr“ die Sicherheit vor der Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigt werden soll. Denn am sichersten sind Fußgänger aufgehoben, wenn sie gar nicht dem Verkehr … ääh, dem fließenden motorisierten Individualverkehr in die Quere kommen. So dass sie mit Barrieren überall dort vom Queren der Fahrbahnen abgehalten werden, wo keine Ampel steht. Die Ampel versteht sich, ist so eingestellt, dass „der Verkehrsfluss“ optimiert wird (wobei die zuständigen Planer in der Regel wenig Worte darüber verlieren, wer zu beim Fluss des Verkehrs berücksichtigt wird und wer nicht) (Olaf Dilling).
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