Die Energie­wende ist nicht nur in Deutschland ein Thema. In unserer Reihe „Energie­wende weltweit“ wollen wir diesmal nach Indien schauen. Auf dem Subkon­tinent lebt etwa ein Sechstel aller Menschen der Erde – das macht das Land zu einem entschei­denden Faktor für die Entwicklung des Klimas auf unserem Planten. Indien ist aktuell der dritt­größte CO2-Emmitent weltweit und eines der Länder mit dem höchsten Anstieg. Das Land zählt aber auch zu den am stärksten vom Klima­wandel bedrohten Staaten – vielleicht stößt der Klima­schutz auch deshalb sowohl in Politik als auch in der Wirtschaft inzwi­schen auf breite Akzeptanz.

34% der CO2-Emissionen stammen aus dem Indus­trie­sektor. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen je produ­zierter Einheit des Brutto­in­lands­pro­dukts gegenüber 2005 um 33–35% reduziert werden. So weit, so gut. Proble­ma­tisch ist jedoch, dass die Wirtschaft weiterhin signi­fikant wachsen wird und die Emissionen somit nicht tatsächlich verringert werden, sondern weiterhin ansteigen – aller­dings deutlich langsamer als heute. Die Senkung der CO2-Emissionen will die indische Regierung vorrangig über ein Anreiz­system erreichen. Bereits seit 2011 gibt es auf dem Subkon­tinent einen Zerti­fi­ka­te­handel für energie­in­tensive Branchen (PAT, sog. „Perfor­mance, Achieve, Trade“). Dabei erhalten Unter­nehmen, wenn ihr Energie­ver­brauch unterhalb eines bestimmten Referenz­wertes liegt, Einspar­zer­ti­fikate. Diese können sie dann über eine Handels­plattform an Firmen verkaufen, die einen höheren Energie­ver­brauch haben.

Der größte CO2-Verur­sacher des Landes ist momentan jedoch nicht der Indus­trie­sektor, sondern mit 41% die Strom­erzeugung, welche damit aus Sicht der Regierung auch das höchste Reduk­ti­ons­po­tential bietet. Derzeit liegt die Strom­erzeugung durch Kohle­kraft noch immer bei über 60 %. Das hat seinen Ursprung in der extremen Armut des Landes und dem vergleichs­weise billigen Ausbau der Kohle­kraft. Der Anteil der erneu­er­baren Energien liegt gegen­wärtig noch bei 25 %. Bis 2030 sollen aber bereits 40 % des Stroms aus erneu­er­baren Energien stammen.  Erreicht werden soll das Ziel durch den massiven Ausbau von Solar‑, Wind- und Wasserkraft.

Trotzdem plant Indien weiterhin den Netzan­schluss neuer Kohle­kraft­werke. Aber ist das wirklich notwendig? Der Energie­bedarf des Landes wird sich binnen der nächsten zwei Jahrzehnte mindestens verdoppeln, sagen Forscher. Indien ist eine schnell wachsende Volks­wirt­schaft, in der sich Millionen Menschen demnächst Wohlstands­güter wie Klima­an­lagen, Kühlschränke oder auch Autos leisten können werden. Die Kohle­kraft­werke sollen sicher­stellen, dass der zuneh­mende Energie­bedarf des Landes gedeckt ist. Auch argumen­tiert Indien, dass es als armes Land nicht die Haupt­ver­ant­wortung an der globalen Erwärmung trage, da andere Nationen über Jahrzehnte durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe reich geworden sind und diese Länder Indien jetzt nicht das Recht verwehren könnten, das Wirtschafts­wachstum ebenfalls auf diese Weise ankurbeln zu wollen. Außer dieje­nigen, die lange und reichlich davon profi­tiert haben, die Luft zu verpesten, bezahlen nun dafür, dass sich das Land klima­neu­tra­leren Energien zuwendet.

Indien will aber nicht nur im Industrie- und Strom­erzeu­gungs­sektor klimaneutral(er) werden. Gegen­wärtig ist der Anteil des Verkehrs­sektors am CO2-Ausstoß mit 13 % zwar recht gering, aller­dings verzeichnet dieser Sektor die weltweit höchsten Zuwächse. Die Regierung will diesen Anstieg deshalb mit der staat­lichen Förderung von Elektro­mo­bi­lität verlang­samen – die Neuzu­las­sungen von Elektro­fahr­zeugen sollen dadurch von aktuell 1 % bis 2030 auf 30 % ansteigen. Außerdem soll sich der Anteil von über Schienen trans­por­tierten Gütern auf 46 % verdoppeln. Ferner will Indien den Energie­ver­brauch von Gebäuden durch strengere energe­tische Bauvor­schriften senken. Zugleich plant die Regierung durch Aufforstung etwa 3 Milli­arden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre abzubauen.

Aktuell liegt Indien damit auf Platz 10 im Klima­schutz­ranking – und damit deutlich vor Deutschland mit Platz 19. Von einem Klima­sünder schlechthin kann also – trotz des Festhaltens an der Kohle­kraft – keines­falls die Rede sein. Denn was man nicht außer Acht lassen sollte ist die Tatsache, dass Indien noch immer ein Schwel­lenland ist und kein Industriestaat.

(Josefine Moritz)