Keine Auslastung von mehr als 100%: Zu EuGH v. 3.12.2020, C‑320/19

Die 3. Handel­s­pe­riode von 2013 bis 2020 ist vorbei, aber ganz kurz vor Schluss hat der EuGH noch eine Entscheidung zur Auslegung der Regelungen über Zutei­lungen für neue Markt­teil­nehmer der 3. Handel­s­pe­riode getroffen (C‑320/19):

Die Ingredion GmbH unterhält eine Anlage, die seit einigen Jahren eine neue Lufter­wär­mungs­anlage und einen neuen Dampf­erzeuger umfasst. Für diese neuen Kapazio­täten beantragte sie eine Mehrzu­teilung, u. a. für ein Zutei­lungs­element mit Brenn­stoff­emis­si­onswert. Für dieses Zutei­lungs­element gibt es keinen vorab festge­legten Auslas­tungs­faktor, er wurde anlagen­spe­zi­fisch festgelegt. Basis waren die Angaben des Anlagen­be­treibers über die zu erwar­tende durch­schnitt­liche Auslastung bis einschließlich 2020.

Die Ingredion GmbH gab einen Wert an, der vor Gericht sachlich nicht in Frage gestellt wurde. Aller­dings: Die instal­lierte Anfangs­ka­pa­zität des neuen Zutei­lungs­ele­ments war niedriger! Das klingt auf den ersten Blick überra­schend bis unglaublich, denn wie soll eine Anlage mehr produ­zieren als ihre Kapazität es erlaubt? Hinter­grund ist aber der vom üblichen Sprach­ge­brauch abwei­chende Begriff der instal­lierten Anfangs­ka­pa­zität in § 16 Abs. 4 ZuV 2020. Danach handelt es sich  bei dieser nicht um die maximale technische und recht­liche Produktion. Sondern um den Durch­schnitt der zwei höchsten Monats­pro­duk­ti­ons­mengen innerhalb des durch­gän­gigen 90-Tage-Zeitraums nach Aufnahme des Regel­be­triebs, der wiederum als der erste Tag eines durch­gän­gigen 90-Tage-Zeitraums definiert war, in dem die Anlage mit durch­schnittlich mindestens 40 Prozent der Produk­ti­ons­leistung arbeitete, § 2 Nr. 2 ZuV 2020. Damit kann es also gut sein, dass die instal­lierte Anfangs­ka­pa­zität nur einen Teil des techni­schen Maximums abdeckt und bis zum Ende des Jahres 2020 mehr produ­ziert werden sollte und wurde. Genau dies trug die Ingredion vor: Sie wollte einen maßgeb­lichen Auslas­tungs­faktor von 109%. Die DEHSt aber gestand der Ingredion nur 99,9% zu. Mehr als 100% könne es nicht geben. Die Ingredion ging vor Gericht.

Justitia, Sternzeichen, Tierkreiszeichen, Waage

Das VG Berlin hatte Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung durch die Behörde und legte die Frage, ob 100% hier wirklich die Obergrenze darstellt, dem EuGH vor. Diese rentschied nun kurz vor Schluss der 3. Handel­s­pe­riode, dass 100% tatsächlich die Obergrenze darstellten. Dabei verwies der Gerichtshof insbe­sondere auf die maßgeb­lichen Auslas­tungs­fak­toren für Zutei­lungs­ele­mente mit Produk­temis­si­ons­bench­marks, von denen keiner mehr als 100% betrug.

Letztlich ist dieses Urteil gerade angesichts der mindestens schrägen Definition der instal­lierten Anfangs­ka­pa­zität keine überzeu­gende Entscheidung. Indes: Für die 4. Handel­s­pe­riode kommt es nun nicht mehr auf diese sehr kompli­zierten Defini­tionen an. Künftig geht es um Auslas­tungs­zu­wächse. Damit hat die Entscheidung nur noch rechts­his­to­ri­schen Charakter (Miriam Vollmer).