Das „Moor muss nass“: Unterschätzte grüne CO2-Speicher
Fossile Brennstoffe haben bekanntlich alle mal „gelebt“: Erdöl und Erdgas entstand aus Plankton, insbesondere einzelligen Algen, das am Meeresgrund verfault und schließlich unter hohen Druck und Temperaturbedingungen umgewandelt wurde. Der Kohlenstoff für die Steinkohle stammt dagegen aus Sumpfwäldern. Auch Braunkohle ist durch geochemische Prozesse aus Torf und anderen Pflanzenresten entstanden.
Torf wiederum ist erdgeschichtlich der jüngste Brennstoff. Tatsächlich wachsen Torfmoore ja auch aktuell noch und entziehen dabei der Atmosphäre ständig CO2. Und im Gegensatz zum Holz normaler Wälder wird der im Torf oder in Sumpfwäldern gebundene Kohlenstoff der Atmosphäre dauerhaft entzogen. Zumindest solange die Bedingungen, die für seine Konservierung nötig sind, weiter bestehen: ausreichend Wasser und ein intaktes Moor-Ökosystem.
Insofern ist es nahe liegend, zu fragen, welche Rolle Moore und andere Ökosysteme im Kampf gegen die Klimakrise spielen können. Ein Fachgespräch gab es dazu im Deutschen Bundestag, organisiert von der Grünen Bundestagsfraktion. Darin kamen nach einer Begrüßung durch den Fraktionsvorsitzenden Hofreiter und der Einführung durch die Parlamentarische Geschäftsführerin Lemke die Biologieprofessorin Seddon aus Oxford und der Ökologe Joosten aus Greifswald zu Wort. Seddon betonte ganz allgemein, dass Ökosysteme mit hoher Biodiversität besonders anpassungsfähig an den Klimawandel seien. Insofern um so problematischer, dass derzeit Klimaveränderung und Biodiversitätsverlust meist Hand in Hand gehen.
Auf das Potential von Ökosystemen für Klimaschutz ging Prof. Joosten ein. Er betonte die enormen Mengen Kohlenstoff, die in Moorökosystemen gebunden sind und ständig weiter gebunden werden. Eine Schattenseite sind die starken CO2-Emissionen, die mit Torfabbau, aber auch mit Landwirtschaft auf entwässerten Moorböden, etwa im Nordwesten Niedersachsens verbunden seien. Als Gegenmodell stellte Joosten die sogenannte „Paludikultur“ vor, die landwirtschaftliche Nutzung von nassen oder wiedervernässten Moorböden. Beispiele sind die Kultivierung von Reet, von Rohrkolben als Schilfbiomasse oder von Torfmoosen als Torfersatz in Kultursubstraten im Gartenbau. Dadurch kann die Mineralisierung des Torfs und dadurch verursachte CO2-Emissionen gestoppt werden. Dass überschwemmte Moore mehr von dem starken Treibhausgas Methan ausstoßen würden, sei zwar zutreffend. Allerdings werde dieser Effekt mittel- und langfristig durch die CO2-Ersparnis mehr als ausgeglichen. Auch rechtlich gäbe es Anpassungsbedarf:
# Paludikultur müsse als Landwirtschaft akzeptiert werden, um Ausgleichszahlungen nach der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU zu ermöglichen,
# die Regeln des Naturschutzrechts bedürften der Anpassung, um nachhaltige Nutzung zu ermöglichen und
# die Regeln der guten fachlichen Praxis für die Landwirtschaft auf Moorböden sollten überarbeitet werden.
Insgesamt war es eine sehr informative Veranstaltung, die einmal auch die Synergien zwischen Klimaschutz und Biodiversität aufgezeigt hat – und nicht nur die Zielkonflikte, wie so oft, wenn es um erneuerbare Energien und Naturschutz geht (Olaf Dilling).