Den Stier bei den Hörnern

Man muss zugeben, dass die Stadt­werke Oberal­theim GmbH (SWO) in den letzten Monaten im benach­barten Unter­al­theim ganz gute Geschäfte gemacht haben. Aber das – so die Geschäfts­leitung der Stadt­werke Unter­al­theim GmbH (SWU) ist jetzt alles Vergan­genheit, denn die SWU hat eine Werbe­agentur mit einer Offensive beauf­tragt, und nun wird das Blatt sich wenden.

Die SWU müsste ein Stadtwerk zum Anfassen werden, hatte die Werbefrau dem Geschäfts­führer Dr. Kunze erzählt. In wochen­langen Sitzungen hatte sie mit ihm und den anderen Mitgliedern der Geschäfts­leitung eine Strategie entwi­ckelt, ausgehend von Identät und Werten der Energie­ver­sorgung in Unter­al­theim, und schließlich war ein Maskottchen dabei heraus­ge­kommen. Eine dicke Kuh. Nein, viel besser: Ein Stier. Es gibt nämlich ein Kuhhorn im Unter­halt­heimer Wappen.

Dr. Kunze rief einen Kinder­stier­mal­wett­bewerb aus. Seine Vertriebs­lei­terin entwi­ckelte mit der Agentur ein Produkt namens „Stier­strom“, der als „kraftvoll“ beworben wurde. Auf allen Prospekten und Plakaten prangten auf einmal Stiere, es gab lustige Wortspiele mit Stieren, und tatsächlich gingen die Abschlüsse erst einmal hoch. Dann aber kam der Samstag, Markttag in Unter­al­theim, und auf dem Markt stand Vertriebs­leiter Valk, Abgesandter des bösen Feindes SWO, an einem riesigen Grill.

An dem Drehspieß drehte sich ein knusprig brauner Ochse, hinter dem Grill prangte ein Plakat „Schlachttag! Hier drehen sich die besten Preise!“, und als Dr. Kunze den fettig grinsenden Valk Ochsen­fetzen verteilen sah, hätte nicht viel gefehlt, und er hätte höchst­selbst zum Bratspieß gegriffen. Statt dessen rief er den Anwalt des Hauses an.

Dieser verschickte noch am selben Tage eine Abmahnung. Hier liege ein Fall der wettbe­werbs­wid­rigen verglei­chenden Werbung nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 und 5 UWG vor, denn die SWO hätte den guten Ruf des Strom­pro­dukts der SWU beein­trächtigt und außerdem die SWU in Gestalt des Stieres verun­glimpft. Wieder einmal fordert die SWU auch diesmal, dass nun bitte endlich Schluss sein muss: Im Wieder­ho­lungsfall fordert die SWU eine Vertrags­strafe von 25.000 EUR.

Sechs Stunden später ist der Ochs am Spieß alle, der Stand abgeräumt und die Antwort da. Die Anwältin der SWO sieht keinen Rechts­verstoß. Hier liege lediglich eine ironische, humor­volle Anspielung vor, keineswegs eine ernst­hafte Herab­setzung. Schließlich hätte Valk nie behauptet, sein Strom sei besser als der der SWU, oder es bestünden quali­tative Unter­schiede zwischen beiden Unter­nehmen. So etwas sei erlaubt, schreibt die Anwältin, weist auf eine Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs (BGH) hin, der seinerzeit eine verglei­chende Werbung der taz als erlaubt angesehen hatte. Um des lieben Friedens willen würde die SWO sich gleichwohl verpflichten, nie wieder auf dem Markt­platz von Unter­al­theim Ochsen­fetzen zu verschenken. Zwar würden weder die Abmahn­kosten ersetzt, auch keine Vertrags­strafe vereinbart, aber immerhin: Die SWU war’s zufrieden.

Bis zum nächsten Samstag. Da stand nämlich Valk erneut auf dem Markt­platz. Hinter ihm ein Bild des Ochs am Spieß und die große Aufschrift:

Wir dürfen Sie hier nicht mehr einladen. Aber Strom liefern dürfen wir Ihnen immer noch.“

2018-07-23T22:58:20+02:0024. Juli 2018|Allgemein, Wettbewerbsrecht|

Duell der Giganten: Zuläs­sigkeit verglei­chender Werbung

Bayern und Franken, Kölner und Düssel­dorfer: Alles nichts gegen das Verhältnis von Oberal­theim und Unter­al­theim. Bei den Lokal­derbys der örtlichen Fußball­vereine waren schon mehr als nur ein paar Zähne verloren und Beulen geschlagen worden. Und beim Kampf um Strom­kon­zes­sionen im Umland der beiden Klein­städte war es beiden Stadt­werken tausendmal lieber, die Konzession ging an irgend­welche daher­ge­laufene Dritte als an den jewei­ligen Feind. Entspre­chend groß war die Empörung bei der Stadtwerk Unter­al­theim GmbH, der SWU, als ausge­rechnet auf dem großen Wochen­markt in Unter­al­theim die Stadt­werke Oberal­theim GmbH, die SWO, einen Stand aufbaute und um Strom­kunden warb.

Garan­tiert günstiger!“ stand auf einem Banner. Auf den Flyern, die Vertriebs­leiter Valk und seine Mitar­beiter den Besuchern des Marktes in die Hand drückten, war ein Preis­ver­gleich abgedruckt, demzu­folge die SWO bei identi­schem Grund­preis die Strom­kunden 3 ct. günstiger beliefern würde als die SWU.

Sofern man bei der SWU auf den Lokal­pa­trio­tismus der Unter­al­t­heimer gesetzt hatte, hatte man sich verrechnet. Aus sicherer Entfernung mussten Geschäfts­führer Dr. Kunze und sein Vertriebs­leiter beobachten, wie Herr Valk einen Vertrag nach dem anderen abschloss. Direkt am nächsten Morgen saß der empörte Herr Dr. Kunze beim Anwalt des Hauses. Drei Stunden später ging die anwalt­liche Abmahnung bei der SWO ein.

Der Preis­ver­gleich der SWO, so behauptete der Anwalt der SWU, sei irreführend und deswegen unzulässig gem. § 5 Abs. 1 UWG.  Außerdem würden Äpfel und Birnen verglichen, was nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG wettbe­werbs­widrig sei. Denn die SWO hätte ihren besten Tarif mit einer zweijäh­rigen Mindest­laufzeit mit dem Grund­ver­sor­gungs­tarif der SWU verglichen, den die Kunden jederzeit kündigen können. Auf diese unter­schied­lichen Vertrags­lauf­zeiten hatte die SWO nur in einem wirklich kleinen Stern­chen­vermerk hinge­wiesen. Hätte die SWO dagegen einen vergleich­baren Tarif gewählt, hätte der Abstand auch nur 1 ct. betragen. Die SWO wurde deswegen aufge­fordert, solche Äußerungen zu unter­lassen und sich im Falle einer Zuwider­handlung einer Vertrags­strafe zu unter­werfen. Außerdem verlangte der Anwalt Abmahn­kosten von rund 1.300 EUR.

Dass die freche Konkurrenz sich nicht einfach unter­werfen würde, war Geschäfts­führer Dr. Kunze eigentlich klar. Dass die SWO sich unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt aus 2009 auf den Stand­punkt stellen würde, dass der verständige Verbraucher gar nicht erwarten würde, dass ein Preis­ver­gleich mit dem günstigsten Konkur­renz­tarif statt­finden würde, wunderte Dr. Kunze deswegen auch rein gar nicht. Das OLG Frankfurt hatte damals nämlich Vergleiche mit Grund­ver­sor­gungs­ta­rifen zumindest dann für nicht grund­sätzlich wettbe­werbs­widrig erklärt, wenn noch eine nennens­werte Anzahl an Kunden im Grund­ver­sor­gungs­tarif versorgt wurde (anders aber bei faktisch kaum mehr nachge­fragten Tarifen). Das war in Unter­al­theim nach wie vor der Fall.

Doch was in den Augen von Dr. Kunze an Frechheit quasi alles schlug: Zeitgleich mit dem Schreiben, mit dem die SWO mitteilte, dass sie sich der Abmahnung nicht unter­werfen würde, ging eine Gegen­ab­mahnung ein. Die SWO rügte einen Impres­sums­verstoß. Da es sich bei dem verletzten § 5 TMG um eine sogenannte Markt­ver­hal­tens­re­gelung handelt, die Konkur­renten deswegen abmahnen können, standen nun zwei Abmah­nungen im Raum.

Etwas derart Abgefeimtes hatte Dr. Kunze lange nicht erlebt. Er war deswegen auch kaum mehr überrascht, als wenig später Frau Göker, Geschäfts­füh­rerin der SWO, anrief. Man könne sich doch vergleichen, schlug sie leutselig vor, jeweils auf die Rechte aus den Abmah­nungen verzichten, und zukünftige Ausein­an­der­set­zungen rund um Preis­ver­gleiche und Impressum einfach bleiben lassen.

Dass man ihn mit dieser Vergleichs­abrede aufs Kreuz gelegt hatte, schwante Herrn Dr. Kunze spätestens, als er am nächsten Markttag erneut Herrn Valk hände­reibend seinen Stand mitsamt Preis­ver­gleichs­plakat aufbauen sah.

2018-05-24T08:55:23+02:0024. Mai 2018|Strom, Wettbewerbsrecht|