Strom ohne Vertrag: OLG Düsseldorf, I‑27U 19/19

Über mehrere Jahre hatte ein Landwirt aus NRW Strom in Nieder­spannung für seinen Schwei­ne­stall bezogen. Einen Strom­lie­fer­vertrag aber gab es nicht.

Wäre der Landwirt nun ein ganz normaler Haushalts­kunde gewesen, so wäre die Sache klar: Nach § 36 Abs. 1 EnWG wäre er Kunde des örtlichen Grund­ver­sorgers geworden und geblieben. Doch ein Landwirt ist nach § 3 Nr. 22 EnWG nur dann ein Haushalts­kunde, wenn er weniger als 10.000 kWh pro Jahr bezieht. Dies traf hier nicht zu.

Zwar gibt es auch für gewerb­liche bzw. landwirt­schaft­liche Abnehmer einen „geborenen“ Versorger, wenn es keinen anderen Vertrag gibt: Nach § 38 Abs. 1 EnWG ist in diesem Fall der Grund­ver­sorger zuständig und wird auch ohne ausdrück­lichen Vertrag Vertrags­partner. Doch § 38 Abs. 2 S. 1 EnWG bestimmt, dass dieses Vertrags­ver­hältnis nach drei Monaten endet. Da hier über Jahre bezogen wurde, stellte sich der Bauer auf den Stand­punkt, er müsse den bezogenen Strom nun gar nicht bezahlen, denn einen Energie­ver­sorger gäbe es ja nicht und der Netzbe­treiber sei wegen der Entflechtung von Netz und Vertrieb nach § 6 EnWG ff. per defini­tionem kein Stromlieferant.

Das LG Dortmund gab dem Landwirt hierbei recht. Das OLG Düsseldorf hob diese Entscheidung nun aber auf. Mit Grund­urteil vom 10. Februar 2021 (I‑27 U 19/19, bisher nur PM) sprach es den Anspruch auf Bezahlung des bezogenen Stroms dem Netzbe­treiber zu, der diese Energie schließlich auch beschafft, bezahlt und faktisch geliefert hat. Grundlage sei nicht das EnWG, sondern die Geschäfts­führung ohne Auftrag. Der Netzbe­treiber hätte im Interesse des Landwirts dessen Geschäft, nämlich die Strom­lie­ferung, vorge­nommen und könnte sich seine Aufwen­dungen nach § 683 BGB deswegen ersetzen lassen. Wegen des grund­sätz­lichen Charakters dieser Rechts­frage ließ das OLG aber die Revision zu

Was bedeutet das nun für die Praxis? Zunächst ist sicher abzuwarten, was der BGH sagt. Doch gerade örtliche Grund­ver­sorger sollten bei Unter­nehmen, die keinen ausdrück­lichen Vertrag haben genau hinschauen: Vielfach wird angenommen, dass diese vertrags­losen Unter­nehmen dann, wenn auch nach drei Monaten kein Vertrag vorliegt, analog § 36 EnWG Kunden des Grund­ver­sorgers werden. Hält sich die OLG-Entscheidung, stimmt das nicht, Versorger wäre dann der Netzbe­treiber. Dies hätte u. U. weitrei­chende Konse­quenzen (Miriam Vollmer)

 

2021-02-12T19:57:14+01:0012. Februar 2021|Gas, Strom, Vertrieb|

Werbung für Netzbe­trei­berin als Tochter­un­ter­nehmen verboten: OLG Jena verur­teilt die TEAG

Die TEAG Thüringer Energie AG hat eine 100% Tochter, die TEN Thüringer Energie­netze GmbH & Co.KG. Die Mutter vertreibt unter anderem Strom und Gas. Die Tochter betreibt Netze, trans­por­tiert also Strom und Gas an Kunden.

Die TEAG hatte auf ihrer Homepage eine Werbung für ihre Tochter. Ich habe diese Werbung nie selbst gesehen, auch stellt sich durchaus die Frage, was Werbung eigentlich ausrichten kann, die eine für den Kunden alter­na­tivlose Leistung preist. Schließlich können weder Strom­ver­sorger noch Letzt­ver­braucher zwischen verschie­denen Netzan­bietern wählen. Aber sei es wie es sei: Die Wettbe­werbs­zen­trale mahnte die TEAG ab und verlangte Unterlassung.

Auf den Laien wirkt dies überra­schend. Wieso soll die TEAG als Vertriebs­un­ter­nehmen nicht für ihre eigene Unter­neh­mens­tochter, den Netzbe­trieb, werben? Schließlich landet doch, untech­nisch gesprochen, am Ende sowieso alles im selben Topf. Doch das Energie­recht unter­liegt in Bezug auf Gas und Strom bekanntlich dem Unbundling, also der Trennung von Netz und Vertrieb zur Gewähr­leistung wirksamen Wettbe­werbs. Ausdruck dessen ist unter anderem § 7a Abs. 6 Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG), der lautet:

Vertei­ler­netz­be­treiber, die Teil eines vertikal integrierten Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmens sind, haben in ihrem Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­halten und ihrer Marken­po­litik zu gewähr­leisten, dass eine Verwechslung zwischen Vertei­ler­netz­be­treiber und den Vertriebs­ak­ti­vi­täten des vertikal integrierten Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmens ausge­schlossen ist.“

Vertikal integriert ist nur ein anderer Ausdruck für „alles unter einem Dach“ gem. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004. Das trifft auf TEAG und TEN zwar zu. Doch anders als in § 7a Abs. 6 EnWG aufge­führt, hat hier nicht die Vertei­ler­netz­be­trei­berin geworben. Das ist ja die TEN und nicht die TEAG. Eine Regelung, die der TEAG, also dem Vertriebs­un­ter­nehmen, entspre­chende Werbung verbietet, existiert nicht. Die TEAG sah deswegen ihre Werbung als unpro­ble­ma­tisch an.

Doch dies hielt daLandge­richt (LG) Erfurt und auch zuletzt am 21.02.2018 (2 U 188/17 Kart) das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Jena nicht von einer Verur­teilung zur Unter­lassung ab. Begründung für diese weitge­hende  Inter­pre­tation des Normtextes: Die Regelung sei dazu bestimmt, dem Verbraucher zu verdeut­lichen, dass Vertrieb und Netz unter­schied­liche Aktivi­täten darstellen. Auch sollen vertikal integrierte Unter­nehmen keine besseren Wettbe­werbs­chancen erhalten als solche, für die dies nicht gilt. Da beide Normzwecke aber nicht nur für Werbung von Vertei­ler­netz­be­treibern, sondern auch für Werbung von Vertriebs­un­ter­nehmen gelten, haben die Thüringer Gerichte auch beide Unter­neh­mens­ka­te­gorien als Normadres­saten betrachtet. 

Für die Praxis gilt damit: Auch Versor­gungs­un­ter­nehmen müssen sich der Werbung für ihren Netzbe­trieb enthalten. Es drohen sonst kosten­trächtige Abmahnungen.

2018-03-25T23:59:25+02:0025. März 2018|Gas, Strom, Wettbewerbsrecht|