Eilantrag auf Zurückhaltung von Umweltinspektionsberichten: Zu OVG Münster, 8 B 1564/19
Seit 2013 ordnet § 52a Abs. 5 BImSchG an, dass Genehmigungsbehörden nach ihren regelmäßigen Besichtigungen von großen, genehmigungsbedürftigen Anlagen, die der Industrieemissionsrichtlinie 2010/75/EU unterfallen, einen Umweltinspektionsbericht anfertigen und diesen innerhalb von zwei Monaten dem Betreiber und innerhalb von vier Monaten der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen müssen. Aus dem Bericht sollen sich die
„relevanten Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 und der Nebenbestimmungen nach § 12 sowie mit Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind“
ergeben. Zu deutsch: In dem Bericht steht, ob das Unternehmen, das die überwachte Industrieanlage betreibt, sich immissionsschutzrechtlich etwas hat zuschulden kommen lassen. Für die Gründe, die ein Unternehmen berechtigen, Informationen zurückhalten zu lassen, gilt der Maßstab des Umweltinformationsgesetzes (UIG), dies betrifft zB Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse.
Klar, dass diese Veröffentlichung Konfliktpotential besitzt. Schließlich kann ein fehlerhafter oder mindestens missverständlicher Bericht ein Unternehmen in ein schlechtes Licht rücken. Selbst wenn sich im weiteren Verlauf herausstellen sollte, dass die angeblichen immissionsschutzrechtlichen Mängel nicht oder zumindest nicht so bestehen, wäre der Schaden bereits eingetreten, denn möglicherweise nehmen Leser der im Internet publizierten Berichte spätere Korrekturen gar nicht mehr wahr.
Um diesen Konflikt ging es auch in einem Eilverfahren, das das OVG Münster am 28. August 2020 entschied (8 B 1564/19). Hier hatte ein Unternehmen zunächst beim VG Düsseldorf einen Eilantrag gestellt, um die Publikation des Inspektionsberichts bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren unterbinden zu lassen, weil bei einer vorläufigen Veröffentlichung mit anschließender Löschung bereits ein möglicherweise irreparabler Schaden eingetreten sein könnte.
Schon das VG Düsseldorf war mit Beschluss vom 5. November 2019 (3 L 3144/18) dem Antrag des Unternehmens nachgekommen. Ein Teil der angeblichen Verstöße war auch im Inspektionsbericht als für die Umwelt irrelevant gekennzeichnet, solche Verstöße würden nicht in den Bericht gehören. Dem hatte sich die Behörde im Verfahren sogar angeschlossen. Das und die ungeklärte Sachlage in weiteren Einzelpunkten reichte dem VG, um die Veröffentlichung erst einmal bis zur gerichtlichen Aufarbeitung im Hauptsacheverfahren zu stoppen.
Das von der Behörde hiergegen angerufenen OVG Münster bestätigte diesen Beschluss. Der Umweltinspektionsbericht bleibt also weiter unter Verschluss, bis das Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist. Die erforderliche Richtigkeitsgewähr und Unmissverständlichkeit des Berichts sei nicht gegeben. Das OVG benannte insgesamt fünf einzelne von der Behörde beanstandete Mängel, die missverständlich, ungenau beschrieben, nicht nachvollziehbar kategorisiert oder einfach bisher nicht nachgewiesenermaßen zutreffend sind. Bei Veröffentlichung würden unmittelbar negative wirtschaftliche Folgen drohen, möglicherweise könnten ja Kunden oder Geschäftspartner dem Unternehmen nicht mehr wie bisher vertrauen.
Interessant ist auch eine Passage am Ende, wo der entscheidende Senat begründet, wieso auch nicht teilweise geschwärzt publiziert werden könnte. Hier führen die Richter aus, dass ein teilweise geschwärzter Bericht erst recht Anlass zu Missverständnissen und Spekulationen bieten würde.
Was bedeutet das für die Praxis? Wer eine Industrieanlage nach der IED betreibt, sollte den Inspektionsbericht, der ihm spätestens zwei Wochen nach dem Besuch zugeht, sofort sorgfältig prüfen (lassen). Er hat ab nämlich nur vier Wochen ab dem Besuch (Nicht ab Erhalt des Berichts!), um auf die Umweltbehörde zuzugehen, wenn der Umweltinspektionsbericht problematisch ist und nicht online gestellt werden soll, und notfalls einen Eilantrag anhängig zu machen. Die gute Nachricht: Die Rechtsprechung erkennt die Problematik, dass spätere Korrekturen oft nichts mehr nützen, um einen einmal lädierten Ruf wiederherzustellen (Miriam Vollmer).