Trocken­ge­fallene Seeschwalbennester

Ein typischer Vogel der Halbinsel Eider­stedt war lange Zeit die Trauer­see­schwalbe. Die Seeschwalben brüteten dort vor allem in Gräben zwischen Grünland­flächen und in Tränk­kuhlen auf Viehweiden. Aller­dings gibt es auch an der Nordsee­küste mehr und mehr Betriebe, die statt der tradi­tio­nellen Grünland­haltung auf Ackerbau setzen. Für die wiederum sind niedrige Wasser­stände von Vorteil. Daher hat der Deich- und Haupt­siel­verband Eider­städt als Betreiber des Siel- und Schöpf­werks in den letzten Jahren für eine Absenkung der Wasser­stände gesorgt. Mit der Folge, dass die Gräben zwischen den Weiden weitgehend trocken fielen, so dass sie durch Weide­zäune ersetzt werden mussten. Außerdem gingen die Brutvor­kommen der Trauer­see­schwalben drastisch zurück.

Trauerseeschwalbe im Flug

Daher hat der Natur­schutzbund zunächst vor dem Verwal­tungs­ge­richt gegen den Kreis Nordfriesland geklagt. Ziel der Klage war die Verpflichtung zu Schadens­be­gren­zungs- und Sanie­rungs­maß­nahmen nach dem Umwelt­scha­dens­gesetz. Der Deich­verband hat als Beigela­dener vorge­bracht, dass keine erheb­liche Schädigung vorläge, weil sich seine Tätigkeit im Rahmen der zuläs­sigen normalen Bewirt­schaftung bewegen würde. Das VG Schleswig hat die Klage abgewiesen. Das OVG Schleswig hat der Klage überwiegend statt­ge­geben. Daraufhin wurde die Sache im Rahmen der Revision vom Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) dem Gerichtshof der Europäi­schen Union (EuGH) vorgelegt. Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 9. Juli 2020 (C‑297/19) unter anderem darüber zu befinden, woran eine normale Bewirt­schaf­tungs­weise zu messen ist. Demnach muss sich diese nach den Bewirt­schaf­tungs­do­ku­menten und den Manage­ment­plänen des Vogel­schutz­ge­biets richten, die wiederum nicht gegen die Ziele und Verpflich­tungen der Habitat- und Vogel­schutz­richt­linie verstoßen dürfen. 

Dies zu prüfen ist jedoch eine Tatsa­chen­frage, die weder vom EuGH, noch vom BVerwG, sondern vom OVG Schleswig als Tatsa­chen­in­stanz zu prüfen ist. Es läge nahe, auch angesichts immer ausge­präg­terer Trocken­pe­rioden im Frühjahr, dass die „normale Bewirt­schaftung“ nicht bedeuten kann, Wasser­stände in Marsch- und Moorböden immer weiter abzusenken (Olaf Dilling).

2022-05-10T22:10:19+02:0010. Mai 2022|Naturschutz|

Globale Haftungs­ri­siken: Umwelt­ver­ant­wortung für Auslandsstandorte

Betroffene der Flutkatastrophezum Teil mit traditioneller Bekleidung und Federschmuck bei einer Versammelung im Überschwemmungsgebiet.

Betroffene der Katastrophe von Brumadinho in Minas Gerais (Foto: Ibama from Brasil, CC BY-SA 2.0  via Wikimedia Commons).

Am Landge­richt München gibt es derzeit einen spannenden Prozess über eine Umwelt­ka­ta­strophe in Brasilien. Im Jahr 2019 war in der Stadt Brumadinho ein Staudamm für ein Rückhal­te­becken mit giftigen Bergwerks­ab­fällen gebrochen. Als Folge wurde ein größeres Gebiet verwüstet, mindestens 270 Menschen starben. Vale, der dort ansässige große Bergwerks­konzern, stand dafür im Brasilien schon vor Gericht. Dabei ist ein Vergleich geschlossen worden, bei dem der Konzern sich verpflichtet hat, umgerechnet 6 Milli­arden Euro zu zahlen. Wie kommt es dazu, dass nun auch in Deutschland wegen dieses Fall geklagt wird?

Die Verbindung zu Deutschland besteht, weil der Staudamm vorher hinsichtlich seiner Sicherheit überprüft wurde. Nach Brasi­lia­ni­schem Recht kann das durch private Sachver­stän­di­gen­büros erfolgen. In dem Fall von Brumadinho wurde das brasi­lia­nische Büro des TÜV Süd einge­schaltet, der die Sicherheit des Dammes bestätigt hatte. Der Prozess der Zerti­fi­zierung war dabei offenbar nicht ohne Konflikte abgelaufen, jeden­falls geht aus internen E‑Mails hervor, dass sich der TÜV Süd von seinem Auftrag­geber hat unter Druck setzen lassen. Mögli­cher­weise hat das Risiko, einen wichtigen Kunden zu verlieren, bei der  Zerti­fi­zierung schwerer gewogen als die Fundiertheit der Entscheidung. Der TÜV Süd wiederum macht geltend, dass Auflagen, von denen er seine Entscheidung abhängig gemacht hat, von Vale nicht einge­halten worden waren.

Was den Vergleich in Brasilien angeht, ging es dabei um Zahlungen an die betrof­fenen Kommunen. Bisher soll die Stadt Brumadinho selbst nur einen kleinen Bruchteil der Summe bekommen haben. Gedacht ist sie zum Ausgleich für die zerstörte Infra­struktur, beispiels­weise eine zerstörte Autobahn. Indivi­duell Betrof­fenen sind dagegen leer ausge­gangen. Eigentlich sollte am Dienstag über den Fall entschieden werden, da der Klage aber zahlreiche weitere Kläger beigetreten sind, wurde ein neuer Verhand­lungs­termin angesetzt.

Spannend ist der Fall nicht nur für den TÜV Süd, sondern auch für andere, im Ausland tätige Unter­nehmen. Denn nicht erst ab dem In-Kraft-Treten des Liefer­ket­ten­ge­setzes können sie für Rechts­ver­stöße im Ausland zur Verant­wortung gezogen werden. Daher ist es um so wichtiger, entspre­chende Risiken im Auge zu behalten und Präven­ti­ons­kon­zepte zu entwi­ckeln, um Schadens­fälle zu vermeiden (Olaf Dilling).

 

2022-03-18T19:00:05+01:004. Februar 2022|Industrie, Rechtsprechung, Umwelt|