Jahrelang übersehene Verkehrszeichen

In Meerbusch ist ein Anwohner gegen eine Tempo 30-Zone vor der Schule vorge­gangen, sowie gegen Stopp-Schilder an einer Kreuzung. Zunächst hat er in erster Instanz in der Sache recht bekommen, ist aller­dings vor dem Berufungs­ge­richt aus formalen Gründen gescheitert.

Vor dem Verwal­tungs­ge­richt hat er im Eilver­fahren und inzwi­schen auch im Haupt­sa­che­ver­fahren vor dem VG Düsseldorf recht bekommen. Warum das Gericht vor der Schule eine quali­fi­zierte Gefah­renlage für nötig hält, das geht aus der bisher veröf­fent­lichten Presse­mit­teilung des Oberver­wal­tungs­ge­richts (OVG NRW) nicht hervor.

Dies wäre aber begrün­dungs­be­dürftig. Denn nach § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO reicht eine einfache Gefah­renlage vor Schulen aus. Aller­dings schränkt die Rechts­spre­chung diese Ausnahme insofern ein, als dies nur an Schulen mit direktem Zugang zur Straße gilt. Aufklärung darüber ist erst mit Veröf­fent­li­chung der Entschei­dungs­gründe zu erwarten; gegebe­nen­falls geben wir hier ein „update“.

Die Schilder sind in unmit­tel­barer Nähe der Behausung des Klägers bzw. Antrag­stellers, der aber angibt, in Meerbusch nur seinen Zweit­wohnsitz zu haben. Obwohl er nach eigener Einlassung dort zeitweise in den letzten Jahren gewoht habe, habe erst Jahre nach der Anordnung der Verkehrs­zeichen von diesen erfahren und hat dementspre­chend erst 2021 Wider­spruch erhoben. Das VG Düsseldorf als Erstin­stanz hatte dies noch geltend lassen. Dagegen hat das OVG diese Tatsache nun in seiner Entscheidung angezweifelt und geltend gemacht, dass der Antrag­steller nicht plausibel gemacht habe, warum er die Verkehrs­re­gelung so lange übersehen habe. Daher hat es entgegen der Erstin­stanz den Antrag abgewiesen, so dass die Verkehrs­schilder erst mal stehen bleiben dürfen.

Die Berufung in der Haupt­sache wurde noch nicht entschieden, aber es ist zu erwarten, dass das OVG auch dort die Klage aufgrund des verfris­teten Wider­spruchs abweisen wird. (Olaf Dilling)

2023-08-09T20:15:47+02:009. August 2023|Rechtsprechung, Verkehr|

Mehr Tempo 30 in Städten wagen!

Eigentlich schien die Sache bei der Bildung der Ampel­ko­alition klar zu sein: Im Koali­ti­ons­vertrag hatten sich die neuen Regie­rungs­par­teien auf eine grund­le­gende Reform des Straßen­ver­kehrs­rechts geeinigt. Es heißt dort ausdrücklich:

Wir werden Straßen­ver­kehrs­gesetz und Straßen­ver­kehrs­ordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umwelt­schutzes, der Gesundheit und der städte­bau­lichen Entwicklung berück­sichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entschei­dungs­spiel­räume zu eröffnen.“

Dies galt als gemein­samer Nenner der Koali­ti­ons­partner, da SPD und Grüne die zu eng auf verkehrs­be­zogene Belange festge­legten Gründe für Maßnahmen mit Bezug zu anderen ökolo­gi­schen und sozialen Belangen öffnen konnten. Die FDP schien dagegen einer größeren Entschei­dungs­freiheit auf der lokalen Ebene etwas abzuge­winnen. Nun, geschehen ist in der Zwischenzeit, fast anderthalb Jahre danach: exakt nichts.

Das ist vor allem für die Städte enttäu­schend. So hatte sich schon unter dem Bundes­ver­kehrs­mi­nister Scheuer eine partei­über­grei­fende Initiative von inzwi­schen 664 deutschen Städten und Gemeinden gebildet, die mehr Spiel­räume bei der Ausweisung von Tempo-30-Zonen fordern. Ähnliches vertritt auch der Städtetag. Dessen Haupt­ge­schäfts­führer Helmut Dedy fordert seit langem, dass es möglich sein sollte, in Städten, die dies wollen, ein generelles Tempo­limit von 30 Kilometer pro Stunde anzuordnen. Auf ausge­wählten Haupt­ver­kehrs­straßen könnte dann weiter Tempo 50 oder eine andere Geschwin­digkeit zugelassen werden.

Bisher ist es nicht möglich, Tempo 30 beispiels­weise auf Schul­wegen anzuordnen, ohne mit aufwen­digen Begrün­dungen nachzu­weisen, dass dort eine besonders große Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs besteht. Auch Anord­nungen aus Gründen des Klima­schutzes oder der Gesundheit sind derzeit für Kommunen entweder gar nicht möglich oder erfordern oft jahre­lange Planung und umfas­sende Gutachten. Das Resultat ist weiterhin ein Flicken­teppich von punktuell zuläs­sigen Geschwin­dig­keits­be­schrän­kungen und einer Regel­ge­schwin­digkeit von 50 km/h.

Verkehrszeichen T30, Achtung Kinder, Überholverbot

Verkehrs­mi­nister Wissing hat von ein paar Tagen noch einmal bekräftigt, dass er die Möglichkeit für Städte, „flächen­de­ckend“ Tempo 30 einzu­führen, ablehnt. Gemeint hat er damit wohl den genannten Wunsch des Städtetags, Tempo 30 optional als Regel­ge­schwin­digkeit einzu­führen. Was die verspro­chenen Spiel­räume angeht, sprach Wissing davon, dass darüber Gespräche geführt würden. Da die Legis­la­tur­pe­riode bereits weit fortge­schritten ist, ist das kein wirklich überzeu­gendes Ergebnis. Angesichts der Dauer, die eine grund­le­gende Reform der StVO in Anspruch nimmt, müssen Kommunen, die auf ihren Straßen etwas ändern wollen, vermutlich noch bis zur nächsten Legis­latur warten oder sich weiter mit Stückwerk auf der Basis der aktuellen StVO begnügen. (Olaf Dilling)

2023-04-26T11:35:01+02:0026. April 2023|Kommentar, Verkehr|

Tempo 30 aus Lärmschutzgründen?

Lärmge­plagte Anwohner beantragen manchmal eine Tempo-30-Zone aus Lärmschutz­gründen. Dann ist aus Sicht der Kommune die Frage, ob sie zur Einrichtung verpflichtet sein kann. Wenn die Kommune hinsichtlich der Einrichtung offen ist, dann ist außerdem zu klären, ob die Anordnung gerichtsfest begründet werden kann.

Typischer­weise besteht bei hohen Lärmwerten in der Straße nur ein Anspruch auf fehler­freies Ermessen über den Antrag bezüglich der Einrichtung einer Tempo-30-Zone. Zum einen ist dies deshalb der Fall, weil die Einrichtung nur eine von mehreren alter­na­tiven Maßnahmen sein kann, um der Belastung abzuhelfen. Darüber hinaus geht die Recht­spre­chung in der Regel davon aus, dass auf einzelnen Messungen, aus denen Grenz­wert­über­schrei­tungen hervor­gehen, kein Anspruch auf Reduzierung des Straßen­lärms begründet werden kann. Bestätigt wird diese Recht­spre­chung durch ein aktuelles Urteil aus Nordrhein-Westfalen (VG Düsseldorf, Urteil vom 25.01.2022 – 14 K 5164/21).

Schon länger gehen die Verwal­tungs­ge­richte davon aus, dass die Entscheidung über Lärmre­du­zierung eine umfas­sende Abwägung in Einzelfall voraus­setzt, die sich nicht an bestimmten Grenz­werten orien­tiert (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.04.2019 – 7 A 11622/18). Dabei muss die Kommune eine Geschwin­dig­keits­re­du­zierung gut begründen, insbe­sondere die Lärmbe­lastung begut­achten und dokumentieren.

In dem kürzlich vom VG Düsseldorf entschie­denen Fall geht hervor, dass dort, wo bereits Lärmak­ti­ons­planung durch­ge­führt wird, die Belange einzelner Anwohner primär in diese Planung einfließen sollen. Sie können daneben nur sehr einge­schränkt im Wege von Indivi­du­al­an­trägen verfolgt werden. Diese Grund­sätze stärken die Kommunen bei der Lärmak­ti­ons­planung. Das ist sinnvoll, weil ein übergrei­fendes Konzept wegen des Risikos der Verla­gerung von Verkehr durch punktuell geltend gemachte, subjektive Rechte konter­ka­riert werden kann (Olaf Dilling).

2022-04-07T23:36:56+02:007. April 2022|Allgemein, Umwelt, Verkehr|