TEHG ohje

Ist ja nicht so, als hätte sich nichts geändert. Mit den Änderungs­richt­linien 2023/958 (Luftverkehr) und 2023/959 hat der Europäische Richt­li­ni­en­geber die Grundlage für die Entwicklung der Jahre bis 2030 gelegt. Neu sind nicht nur viele Detail­re­ge­lungen, sondern unter anderem auch umfang­reiche Regelungen über die Emissi­ons­han­dels­pflicht von Anlagen an sich.

Diese Regelungen bedürfen der Umsetzung durch den Mitglied­staat. Denn anders als bei den Durch­füh­rungs­ver­ord­nungen wie etwa zur Zuteilung oder zum Monitoring, richtet sich die Emissi­ons­han­dels­richt­linie an den Staat. Dieser muss das deutsche Recht – in diesem Fall das TEHG – so abändern, wie die Richt­linie es vorgibt. Und, da das Zutei­lungs­ver­fahren ja in diesem Frühjahr bis zum 21. Juni 2024 laufen wird, nun einiger­maßen schnell.

Denker, Ratlos, Überlegen, Spielen

Doch bisher tut sich nichts. Das aktuelle TEHG ist das letztemal 2021 geändert worden. Bisher ist von der anste­henden Novelle weit und breit nichts zu sehen. Derweil gehen die Wochen ins Land, und die Branche fragt sich: Wo liegt das Problem? Die Europäische Kommission hat inzwi­schen sogar schon ein Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren eröffnet, doch noch immer ist von einem TEHG-Entwurf nichts zu sehen (Miriam Vollmer).

2024-02-16T00:44:26+01:0016. Februar 2024|Emissionshandel|

Die BEHG-Doppel­bi­lan­zie­rungs­ver­ordnung ist da!

In Deutschland gibt es bekanntlich zwei Emissi­ons­han­dels­systeme, nämlich einmal den EU-Emissi­ons­handel nach dem TEHG, an dem große Kraft­werke und Indus­trie­an­lagen teilnehmen. Und den natio­nalen Emissi­ons­handel nach dem BEHG, der bei demje­nigen ansetzt, der Brenn­stoffe in Verkehr bringt, also meistens dem Lieferanten.

In den meisten Fällen überschneiden sich die beiden Systeme nicht. Aber wenn Brenn- und Treib­stoffe an eine TEHG-Anlage geliefert werden, würde der TEHG-Anlagen­be­treiber einmal CO2-Kosten als Teil der Brenn­stoff­kosten zahlen, und einmal Emissi­ons­be­rech­ti­gungen für die eigene Anlage kaufen müssen. Beide beziehen sich aber auf dieselbe Emission. Deswegen hat der Gesetz­geber des BEHG 2019 zwei Regelungen vorge­sehen, dies auszu­schließen: Entweder bestätigt der TEHG-Betreiber dem BEHG-Betreiber, dass der Brenn­stoff im TEHG abgedeckt ist und er entspre­chend auch nichts an den Liefe­ranten für CO2 zahlt. Dann kann dieser die auf die Liefer­mengen entfal­lenden Zerti­fikate in seinem Emissi­ons­be­richt abziehen (§ 7 Abs. 5 BEHG). Oder der TEHG-Betreiber bekommt das Geld vom Staat zurück. Das ist in § 11 Abs. 2 BEHG vorge­sehen, wo 2019 eine Rechts­ver­ordnung angekündigt wurde. Diese, die BEHG-Doppel­bi­lan­zie­rungs­ver­ordnung BEDV, ist aber nun erst erlassen worden. Hinter­grund für die Verzö­gerung ist wohl die Beihil­fen­auf­sicht der Kommission.

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Was steht nun im neuen Regelwerk? Obwohl die neue Verordnung erst jetzt kommt, gilt sie bereits für die Zeiträume ab 2021. Vorge­sehen ist ein Antrags­ver­fahren bei der für den Vollzug des BEHG weitge­henden zustän­digen DEHSt. Die Berechnung der Erstattung ist einfach: Die kompen­sa­ti­ons­fähige – weil in der TEHG-Anlage verbrannte – Brenn­stoff­menge wird anhand ihrer Standard­werte nach der Bericht­erstat­tungs­ver­ordnung zum BEHG in Brenn­stoff­emis­sionen umgerechnet. Das Ergebnis mit dem maßgeb­lichen Preis für Zerti­fikate nach dem BEHG für das jeweilige Jahr multi­pli­ziert, also 25 EUR für 2021, 30 EUR für 2022 und 2023. Und natürlich kann keine Kompen­sation gezahlt werden, wenn gar keine BEHG-Abgabe­pflicht besteht.

Für die Kompen­sa­ti­ons­an­träge gilt eine Frist bis zum 31.07. des jewei­ligen Folge­jahres. Für 2021 soll eine Frist bis zum 31.03.2023 gelten. Ab dem Berichtsjahr 2023 gibt es eine Verfi­zie­rungs­pflicht, außer, die Emissi­ons­menge unter­schreitet 1.000 t CO2.

Der Verord­nungs­geber selbst rechnet mit rund 900 Fällen. Die meisten werden verhält­nis­mäßig schlicht ausfallen. Hier geht es in aller Regel um Standard­brenn­stoffe – Erdgas, Heizöl z. B. – deren Emissionen nicht vom direkten Liefe­ranten des TEHG-Anlagen­be­treibers, sondern von einem Vorlie­fe­ranten berichtet und abgedeckt wurden. Schwie­rig­keiten bei Sonder­fällen sind aber auch hier durchaus vorstellbar, die Behörde selbst rechnet offenbar mit rund 120 solchen komple­xeren Anträgen.

Wie geht es nun weiter? Bis zum 31.03.2023 müssen die Anträge für 2021 gestellt werden. Und den 31.07. sollten sich Betroffene für die nächsten Jahre schon einmal dick im Kalender anstreichen (Miriam Vollmer).

 

2023-01-31T23:46:07+01:0031. Januar 2023|Emissionshandel|

Das 17. Türchen: Wie biogen ist Klärschlamm?

Man lernt nie aus: Dass eine Bundes­be­hörde ernsthaft einen Prozess über die Zusam­men­setzung von Klärschlamm führt, hat uns überrascht. Denn woraus soll kommu­naler Klärschlamm denn groß bestehen außer aus …. na, Sie wissen schon? Dass die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) sich trotzdem seit November 2021 mit der Städti­schen Werke Energie + Wärme GmbH (EWG) aus Kassel über diese Frage vorm Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin streitet (Az.: VG 10 K 363/21), ist aber leider nicht nur natur­wis­sen­schaftlich kurios, sondern zeigt auch, wie schwer Unter­nehmen der Übergang aus der fossilen Vergan­genheit in eine fossil­freie Zukunft adminis­trativ gemacht wird.

Das Heizkraftwerk, um das es geht, versorgt Kassel bereits seit 1987 mit Fernwärme und Strom. Es handelt sich um eine hochef­fi­ziente KWK-Anlage, die ursprünglich vorwiegend Braun­kohle einge­setzt hat. Braun­kohle ist der emissi­ons­in­ten­sivste fossile Brenn­stoff, es lohnt sich insofern klima­schutz­po­li­tisch bei dieser Art Anlagen besonders, die Brenn­stoff­si­tuation zu verändern. Die Städti­schen Werke wollen bis Mitte des Jahrzehnts ganz aus der fossilen Verbrennung aussteigen.

Klärschlamm­band­trock­nungs­anlage Kassel

Der Klärschlamm frisch aus der Kanali­sation ist jedoch kein geeig­neter Einsatz­stoff für ein Kraftwerk. Die EWG hat deswegen rund zehn Millionen Euro in eine Klärschlamm­band­trocknung und eine Annahme für extern getrock­neten Klärschlamm inves­tiert. Der Wirtschaft­lich­keits­be­rechnung für das Projekt lag dabei stets die Annahme zugrunde, dass ein Teil der Maßnahme sich finan­ziert, weil für biogenes CO2 – anders als für fossiles – keine Emissi­ons­be­rech­ti­gungen erworben und an die DEHSt abgeführt werden müssen, denn so steht es in der für die Bericht­erstattung und Abgabe von Zerti­fi­katen maßgeb­lichen Monitoring-Verordnung der EU.

Was das rein praktisch bedeutet, ist aller­dings nicht so konsensual, wie es die EWG angenommen hatte. Die Behörde will laut Leitfaden nämlich nur 80 Prozent des vom Klärschlamm verur­sachten Kohlen­di­oxids per se als biogen anerkennen und weicht für die Jahre ab 2022 sogar von dieser Linie negativ ab. Um den gesamten Klärschlamm als biogen veran­schlagen zu können, verlangt sie aufwändige Testver­fahren, die nicht nur erheb­liche Kosten, sondern auch einen hohen organi­sa­to­ri­schen Aufwand verur­sachen würden. Die Behörde verlangt zudem  ein beson­deres Analy­se­ver­fahren, die C‑14-Analyse, die in Deutschland nur ein einziges akkre­di­tiertes Labor durch­führt und wissen­schaftlich nicht einmal unumstritten ist. Dort müsste der Klärschlamm dann erst einmal hinge­bracht werden, was schon rein faktisch heraus­for­dernd ist, bedenkt man, dass man Klärschlamm nicht einfach in einem Beutel DHL übergeben darf.

Doch ist die Behörde da überhaupt einer natur­wis­sen­schaftlich relevanten Sache auf der Spur? Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Gutachten, die sich mit kommu­nalem Klärschlamm beschäf­tigen. Keine Überra­schung: Ja, es gibt Spuren von fossilem Kohlen­stoff auch in dem, was im Abwas­serohr landet. Menschen tragen nämlich Kleidung aus Kunst­fasern und waschen sich mit Kosmetik aus Erdöl­pro­dukten (v. a. Haarspülung), außerdem gelangen immer wieder kleine Mengen Erdöl in Lebens­mitteln („Mikro­plastik“). Macht das 20 Prozent aus? Die überwäl­ti­gende Mehrheit der veröf­fent­lichten Gutachten verneint das. In indus­tri­ellen Klärschlämmen sieht das, je nachdem, was das Indus­trie­un­ter­nehmen macht, durchaus ganz anders aus. Aber bei rein kommu­nalen Klärschlämmen erhöhen solche bürokra­ti­schen Anfor­de­rungen lediglich den betrieb­lichen Aufwand und die Kosten, senken damit die Motivation, schnell zu dekar­bo­ni­sieren. Sie treiben letztlich „nur“die kommu­nalen Abwas­ser­ge­bühren in die Höhe. Die EWG hofft, dass diese Argumente auch das VG Berlin überzeugen. Und vielleicht unter­nimmt ja der Gesetz­geber selbst etwas gegen Mikro­plastik in Lebens­mitteln und Kosmetik.

Das Mandat führt Dr. Miriam Vollmer.
2022-12-23T22:18:38+01:0023. Dezember 2022|Allgemein, Emissionshandel|