Es gibt auf Erden nicht nur den Einen
Meistens ist die Sache ja klar: Grundversorger ist das Unternehmen, das in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung die meisten Haushaltskunden versorgt. Nach springt der Grundversorger immer dann ein, wenn ein Haushaltskunde keinen anderweitigen Energieliefervertrag abschließt. Für dieses besondere Versorgungsverhältnis gelten besondere Pflichten, die der Gesetz- und Verordnungsgeber in § 36 EnWG und der StromGVV und GasGVV ausformuliert hat (mehr zur Grundversorgung hier).
In aller Regel ist der Grundversorgungstarif teurer als die anderen Tarife, was u. a. mit der kurzfristigen Kündbarkeit zu tun hat, außerdem kann der Versorger sich den Kunden nicht aussuchen, auch die Möglichkeit einer aufwandsparenden Vertragsausgestaltung zB bei Zahlungsmöglichkeiten etc. ist sehr eingeschränkt. Neben diesem vertraglich sehr festgelegten Modell bieten praktisch alle Versorger innerhalb wie außerhalb ihres Grundversorgungsgebiets noch weitere Tarife an, die oft günstiger sind oder etwas Besonderes bieten, z. B. Ökostrom.
Doch wie sieht es aus, wenn ein Unternehmen mehrere Tarife anbietet, die keine Sonderbedingungen vorsehen, ohne einen davon als den Grundversorgungstarif zu kennzeichnen und nach dem Bestpreistarif abzurechnen? Zwar ordnet der neue § 41 Abs. 1 Nr. 6 EnWG an, dass überhaupt eine Zuordnung getroffen werden muss, ob einTarif zur Grundversorgung gehört oder ein Sonderkundenverhältnis angeboten wird. Doch wie sieht es mit mehreren Tarifen aus? Hinter dem Grundversorgungstarif steht ja die Vorstelllung, dass Kunde und Versorger unausgesprochen einen Vertrag schließen, weil der eine Strom anbietet und der andere ihn verbraucht. Funktioniert das auch, wenn der Inhalt dieses Vertrages zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht so klar ist, weil Grundlage des Grundversorgungsverhältnisses mehrere unterschiedliche Tarife sein könnten?
Der Bundesgerichtshof (BGH) jedenfalls hält dies für unproblematisch (BGH vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, Rn. 27; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 34; vom 28.10.2015 – VIII ZR 158/11 – Rn.19; vom 13.4.2021 – VIII ZR 277/19 – Rn. 7). Es kann also durchaus mehr als einen geben. Doch Versorger müssen bei der Ausgestaltung ihres Tarifsystems trotzdem aufpassen: Auch wenn es mehr als einen Grundversorgungstarif gibt, müssen alle den Vorgaben der Strom- und GasGVV entsprechen und es muss stets klar sein, in welcher Situation der Kunde welchen Energiepreis zu zahlen hat (Miriam Vollmer).