Der vergat­terte Verbindungsweg

Fahrrad­fahrer kennen diese Entschleu­ni­gungs­gatter, die sie zum Langsam­fahren zwingen sollen, zur Sicherheit des Fußver­kehrs oder vor der Querung großer Straßen. Oft werden sie aber auch gebaut, um Kfz von einem Weg auszu­sperren. Sie sind für Fahrrad­fahrer nervig und mitunter ist es nicht möglich, mit Anhänger oder einem Lastenrad durchzufahren.

Im schleswig-holstei­ni­schen Örtchen Reinbek bei Hamburg hat sich ein Radfahrer so über die Gatter­schranken auf dem Verbin­dungsweg zwischen Liebig­straße und dem Schnee­witt­chenweg geärgert, dass er deswegen vor Gericht gezogen ist. Zugegeben hört sich das nicht nach einem weltbe­we­genden Thema an. Aber die Gerichte wurden nun schon in Anspruch genommen. Daher wollen wir die Gelegenheit nutzen, die Entscheidung kurz anzuschauen. Sie haben sich übrigens nicht verlesen: Gerichte (pl.), denn auch das schleswig-holstei­nische Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) in Schleswig wurde in der Berufung mit der Frage befasst.

Das OVG hat zunächst klarge­stellt, dass mit einer Gatter­schranke, die primär bezwecken soll, dass keine Kfz auf einem per Zeichen 239 angeord­neten Gehweg fahren, keine Anordnung verbunden ist. Denn das Verbot für Kfz sei bereits durch die Anordnung des Sonderwegs getroffen worden.

Obwohl der Gehweg auch für den Radverkehr freige­geben ist, ist der Kläger als Radfahrer in seiner Benutzung des Gehwegs nicht beein­trächtigt. Da die Gatter­schranken in dem Fall 1,90 m Abstand vonein­ander haben, sei ausrei­chend Platz, um sie zu passieren, ohne vom Rad abzusteigen. Dass der Kläger seine Geschwin­digkeit reduzieren muss, insbe­sondere wenn viel Fußverkehr unterwegs ist, sei keine Einschränkung. Denn auf für den Radverkehr freige­ge­benen Gehwegen gibt es für den Radverkehr ohnehin eine Beschränkung auf Schritt­ge­schwin­digkeit. Im Übrigen muss auf Fußgänger besondere Rücksicht genommen werden. Sie dürfen weder gefährdet noch behindert werden. Im Notfall müssen Radfahrer sogar stehen bleiben und absteigen. (Olaf Dilling)

2024-11-07T16:32:05+01:007. November 2024|Rechtsprechung, Verkehr|

Die zeitlich befristet belie­ferte Fußgängerzone

Fußgänger und Fahrrad­fahrer sind erfah­rungs­gemäß keine schlechten Kunden. Das liegt unter anderem daran, dass sie länger in Geschäfts­straßen verweilen als Menschen in Autos, die es häufig eilig haben und ohnehin eher nach freien Parkplätzen als nach Schau­fenstern schauen. Außerdem kauft es sich viel entspannter ein, wenn man beim Queren der Straße nicht ständig auf Kfz achten oder warten muss.

Zudem trägt zur entspannten Atmosphäre bei, wenn die Straße nicht durch Lärm oder Abgase belastet ist. Daher haben autofreien Innen­städte weiterhin Konjunktur, auch wenn die aktuelle schwarz-rote Berliner Regierung das Verkehrs­expe­riment in der Fried­rich­straße wieder rückgängig gemacht hat.

Aber was für Geschäfte sicher­ge­stellt werden muss, ist die Lieferung neuer Ware. Da sind dann doch Liefer­fahr­zeuge nötig. Dass zeitlich befris­teter Liefer­verkehr möglich sein soll, wird mitunter schon direkt in der Widmung einer Fußgän­gerzone berücksichtigt.

So war es etwa bei einer Fußgän­gerzone in Magdeburg, wo bereits in der straßen­recht­lichen Teilein­ziehung klar gestellt wurde, dass für ein Teilstück einer Straße Kraft­fahr­zeug­verkehr ausge­schlossen wird. Ausge­nommen wurde ausdrücklich „der zeitlich befristete Liefer- und Radfahrverkehr“.

Die Inhaberin einer Apotheke klagte gegen diese Verfügung, u.a. mit der Begründung, dass sie zu unbestimmt sei. Schließlich wurde eine konkrete zeitliche Bestimmung nicht angeordnet. Die Beklagte verwies jedoch auf die Möglichkeit, dass die offene zeitliche Bestimmung durch die Straßen­ver­kehrs­be­hörde durch zeitlich bestimmte Ausnah­me­re­ge­lungen konkre­ti­siert würde, namentlich im Sinne der bereits bisher bestehenden Regelung, die den Liefer­verkehr von 22 – 10 h zulasse.

Das Verwal­tungs­ge­richt Magdeburg gab der Klägerin zunächst recht. Durch die Offenheit der zeitlichen Einschränkung sei die Straßen­ver­kehrs­be­hörde entgegen ihrer Kompetenz zu plane­ri­schen Aufgaben ermächtigt. Denn sie könne dann entscheiden, die Straße entweder bloß eine halbe Stunde oder 23 h am Tag für den Liefer- und Fahrrad­verkehr zu öffnen.

Das OVG Sachsen-Anhalt hat die Entscheidung aufge­hoben und die Klage abgewiesen. Denn die Widmung, in der der Liefer­verkehr im Grundsatz zugelassen wird, sei an sich hinrei­chend bestimmt. Die Straßen­ver­kehrs­be­hörde dürfe den Widmungs­zweck, zugunsten des Anlie­ger­ge­brauchs Liefe­rungen zuzulassen, nicht dauerhaft einschränken. Daher komme eine sehr kurzzeitige zeitliche Ausnahme ohnehin nicht in Frage.

Aus Sicht des OVG wäre eine zeitliche Einschränkung aufgrund des Straßen­rechts (in Sachsen-Anhalt) nicht möglich. Das Straßen­recht kann aber, wie im zu entschei­denden Fall, die Grundlage für eine straßen­ver­kehrs­recht­liche Konkre­ti­sierung der Zeiten legen, in denen die Fußgän­gerzone vom Liefer- und Radverkehr befahren werden kann.

Die Entscheidung zeigt, dass straßen­recht­liche Teilein­zie­hungen Möglich­keiten für diffe­ren­zierte Ausnah­me­re­ge­lungen für Kfz offen lassen können. Dies ist aufschluss­reich, da die Abgrenzung zwischen straßen­recht­licher Widmung und straßen­ver­kehrs­recht­licher Regelung oft Schwie­rig­keiten bereitet. Durch die straßen­recht­liche Teilein­ziehung wird die Grundlage dafür geschaffen, dass die Straßen­ver­kehrs­be­hörde relativ flexibel und den örtlichen Gegen­heiten entspre­chend Ausnahme vom Kfz-Verbot zulassen kann. (Olaf Dilling)

2024-10-25T19:45:37+02:0025. Oktober 2024|Verkehr|

Verkehrs­recht: Der Poller als Rechtsproblem

Kürzlich haben wir von einem uns nicht näher bekannten, rechts­in­ter­es­sierten und durchaus sachkun­digen Bürger eine E‑Mail bekommen, die ausge­druckt etwa zwei DIN-A4 Seiten in Anspruch nehmen würde. Darin wurde detail­liert ausein­an­der­ge­setzt, welche Rechts­natur der gemeine Straßen­poller habe könnte. Da der Autor der E‑Mail sich selbst nicht ganz sicher war, kulmu­lierte das Schreiben in der Frage, was für eine Einschätzung wir dazu hätten.

Nun sind wir als Rechts­an­wälte nicht verpflichtet, umsonst Rechtsrat zu erteilen. Dennoch hat der Poller als Rechts­problem etwas reizvoll Anschau­liches. Außerdem hatten wir auch schon mal für einen Verband, der die Belange blinder und sehbe­hin­derter Menschen vertritt, ein Gutachten erstellt. Darin waren wir zu dem Schluss gekommen, dass Poller inzwi­schen nicht mehr als amtliche Verkehrs­ein­rich­tungen angesehen werden. Das war deshalb relevant, weil der Verband graue Poller zur besseren Sicht­barkeit rot-weiß markieren wollte. Im Verband kamen Bedenken auf, ob damit eine amtlichen Anordnung vorge­täuscht würde.

So richtig eindeutig ist die Frage der Amtlichkeit jedoch nicht. Denn die Verkehrs­ein­rich­tungen ergeben sich nach § 43 Abs. 3 Satz 1 StVO abschließend aus der Anlage 4. Dort wurden die Poller bei einer Reform des Straßen­ver­kehrs­rechts nicht mit aufge­nommen. Wider­sprüchlich ist jedoch, dass zugleich der „Sperr­pfosten“ nicht aus § 43 Abs. 1 Satz 1 StVO entfernt wurde. Offenbar handelt es sich um ein Redaktionsversehen.

Entspre­chend gespalten ist auch die Recht­spre­chung: So ging das Verwal­tungs­ge­richt Koblenz in einer Entscheidung von 2010 davon aus, dass Poller seit der Reform 2009 keine Verkehrs­ein­rich­tungen seien. Das Verwal­tungs­ge­richt Berlin ist dagegen erst kürzlich in einer Eilent­scheidung (Beschl. v. 15.12.2023, Az. VG 11 L 316/23) davon ausge­gangen, dass das, was landläufig als Poller bezeichnet wird und als Sperr­pfosten im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 StVO markiert ist, eine Verkehrs­ein­richtung ist und beim Vorliegen einer Gefahr gemäß § 45 StVO aufge­stellt werden darf. Vertieft wird die Frage der Rechts­natur des Pollers in der Entscheidung nicht.

Insofern wartet hier noch ein Disser­ta­ti­ons­thema auf junge Juristen, die sich eine sehr eingrenzbare und konkrete und doch politisch brisante Frage für ihre Doktor­arbeit wünschen. Vielleicht ließe sich die Arbeit ja auch noch auf die Rechts­natur der Brems­schwellen erweitern, die im englisch­spra­chigen Raum als „sleeping policemen“ bezeichnet werden, als nicht­amt­liche Bezeichnung, versteht sich. (Olaf Dilling)

2025-10-17T14:05:57+02:004. April 2024|Verkehr, Verwaltungsrecht|