Strafe muss sein? Begleichung von Sanktionen durch Dritte
Ist es eigentlich legal, wenn Dritte für Bußgelder oder sonstige Folgen unrechtmäßigen Verhaltens aufkommen? Diese Frage ist uns in der letzten Zeit gleich mehrfach über den Weg gelaufen. Einmal in der öffentlichen Diskussion über Klimapolitik: Denn vor ein paar Tagen hat ein großer Investment-Fonds angekündigt, Gebührenbescheide der Aktivisten der „Letzten Generation“ zu begleichen. Außerdem bekommen wir hin und wieder Fragen von Unternehmen, unter anderem in umweltrechtlichen Schulungen, die im Prinzip in dieselbe Richtung gehen: Inwieweit können sie sich in einem immer komplexeren „Dschungel“ regulativer Vorschriften gegen zum Teil erhebliche Bußgelddrohungen absichern?
Nun, im Volksmund heißt es „Strafe muss sein“. Aber wie ist es rechtlich? Die Frage der Gebühren für Polizeieinsätze bei Klimaprotesten ist leicht zu beantworten. In diesem Fall handelt es sich gar nicht um Strafen oder Bußen im formalen Sinn. Vielmehr geht es rechtlich einfach um eine Kostentragungsregel des öffentlichen Rechts. Die Zahlung einer öffentlich-rechtlichen Schuld ist eine vertretbare Handlung und anders als z.B. eine Duldungs- oder Unterlassungspflicht keine höchstpersönliche Pflicht. Daher kann ein Dritter sie unproblematisch erstatten.
Etwas schwieriger ist es, wenn es um Geldstrafen oder Bußgelder geht. Dürfte ein Dritter, etwa besagter Investmentfonds, auch die begleichen? Entgegen dem ersten Zugriff durch den Volksmund, spricht auch da rechtlich grundsätzlich nichts dagegen. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) ist 1990 in einem Urteil zu dem Schluss gekommen, dass die Begleichung oder Erstattung fremder Geldstrafen in der Regel nicht strafbar ist. Jedenfalls gilt die Zahlung nicht als Strafvereitelung (§ 258 StGB). Obwohl der Strafzweck durch die Zahlung durch Dritte konterkariert werden könne, argumentiert der BGH, dass Zahlungen an Straftäter ja nicht komplett verboten werden können. Es dürfe aber nicht auf die Art ankommen, wie geschickt der Zusammenhang der Zahlung mit der Sanktion kaschiert wird. Daher hat der BGH die Bezahlung fremder Strafen allgemein für zulässig erklärt.
Können sich Unternehmen sich also gegen die zum Teil sehr hohen Bußgeldforderungen oder gar Strafdrohungen dadurch absichern, dass sie sich die Sanktionen von ihrem Unternehmensverband oder von einer Versicherung zahlen lassen? Aus ökonomischer Sicht könnte sich dies in Bereichen, in denen die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist, durchaus rechnen. Allerdings kommt bei einem planvollen Vorgehen nicht nur Strafvereitelung, sondern seitens des Dritten auch Anstiftung oder eine Beteiligung im Sinne des Ordnungswidrigkeitsgesetz in Betracht. Bei Versicherungen, die offensiv mit diesem Geschäftsmodell werben, wäre auch an öffentliche Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 StGB zu denken.
Aber auch das Unternehmen selbst geht ein existenzielles Risiko ein, da in vielen Branchen, etwa der Abfallwirtschaft (§ 53 Abs. 2 KrWG) oder der Industrie (§ 55 Abs. 2 BImSchG), die Zuverlässigkeit bei der Erfüllung umweltrechtlicher Pflichten die Voraussetzung für die Zulassung des Gewerbebetriebs ist. Insofern ist es jedenfalls keine gute Idee, mit den Anstrengungen beim Bemühen um Gesetzeskonformität nachzulassen, nur weil für die Bezahlung von Bußgeldern gesorgt ist. (Olaf Dilling)