Abschied von der einzigen „konflikt­freien“ Ampel­schaltung in Berlin

Ganz in der Nähe des Check­point Charlie gibt es in Berlin aktuell noch eine Ampel der beson­deren Art zu bewundern: Eine Licht­zei­chen­anlage (LZA) mit „Rundum-Grün“-Schaltung bzw. einer Diago­nal­querung für den Fußverkehr. In anderen Ländern, den Nieder­landen oder Japan gibt es das viel öfter und promi­nenter. Bei diesen Ampeln kommt in einer Phase der Kfz-Verkehr komplett zum Erliegen, indem alle Licht­zeichen für Kfz Rot und für Fußgänger Grün zeigen. Dadurch kommt es zu einer effek­tiven Trennung von abbie­genden Kfz-Verkehr und Fußverkehr. Das hat einen entschei­denden Vorteil für die Verkehrs­si­cherheit, denn weiterhin zählen Abbie­ge­un­fälle, nicht zuletzt zwischen Lkw und Kindern, zu den häufi­geren Ursachen für schwere Unfälle.

Straßenkreuzung in Tokyo mit vielen Fußgängern, die quer über die Kreuzung laufen

In Japan ganz normal: Diago­nal­queren auf der Shibuya-Kreuzung in Tokyo.

Dass in Deutschland diese Ampeln dennoch nur selten zum Einsatz kommen, liegt wohl schlicht an dem Zeitverlust, den es für den Kraft­verkehr bedeutet, auf Fußgänger zu warten. Die Trennung der Verkehre hat ihren Preis. Anderer­seits kann und sollte man sich darüber streiten, ob der Preis der jedes Jahr durch Verkehrstote gezahlt wird, nicht höher ist, als ein paar Sekunden Wartezeit an Verkehrsampeln.

Nach den aktuellen Richt­linien der Forschungs­ge­sell­schaft Straßen- und Verkehrs­wesen kommt eine konflikt­freie Ampel­schaltung vor allem an Kreuzungen in Frage, in denen ein hohes Aufkommen von Fußverkehr und vergleich­weise wenig Kraft­fahr­zeug­verkehr zusam­men­treffen. Da diese Kombi­nation eher selten ist, gibt es entspre­chend wenig Ampel­schal­tungen dieser Art in Deutschland.

Die Ampel am Check­point-Charlie war die einzige ihrer Art in Berlin. Sie wurde vor über 20 Jahren auf Initiative des FUSS e.V. im Rahmen eines Verkehrs­ver­suchs aufge­stellt. Die neue schwarz-rote Regierung hat nun beschlossen, dass sie sich nicht bewährt habe. Sie sei von den Fußgängern nicht angenommen worden, was an häufigen Rotlicht­ver­stößen festge­macht wird, die dort beobachtet worden seien. Aller­dings beruht dies nicht auf aktuellen syste­ma­ti­schen Verkehrs­be­ob­ach­tungen, sondern auf einer mittler­weile zwei Jahrzehnte alten Erhebung und ansonsten eher anekdo­ti­schen Beobach­tungen der Polizei.

An sich hatte die große Koalition in Berlin eine Abkehr von einer konflikt­träch­tigen Verkehrs­po­litik in Berlin verkündet und „mehr Mitein­ander im Verkehr“ versprochen. Wenn das bedeutet, dass Verkehre in Zukunft nicht mehr getrennt und schwä­chere Verkehrs­teil­nehmer dadurch gefährdet werden, dann hat das mit echtem Mitein­ander wenig zu tun. (Olaf Dilling)

2023-07-26T13:44:55+02:0026. Juli 2023|Kommentar, Verkehr|

Weiteres Eilver­fahren gegen Radfahr­streifen ohne Erfolg

Kürzlich hatte das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Berlin-Brandenburg in einem Eilver­fahren einen Antrag gegen die Einrichtung von Pop-up-Radwegen in Fried­richshain-Kreuzberg nach der Beschwerde der Antrags­geg­nerin abgewiesen. Nachdem das Verwal­tungs­ge­richt Berlin dem Antrag zunächst statt­ge­geben hatte.

In einem weiteren Verfahren hat das OVG per Presse­er­klärung heute die Entscheidung über eine Beschwerde bekannt­ge­geben. Diesmal ging es um die Invali­den­straße im Bezirk Mitte. Hier waren letzten Herbst bei einer Umgestaltung der Straße beidseitig geschützte Radfahr­streifen einge­richtet worden. Nicht zuletzt war dies unter dem Eindruck eines schweren Unfalls geschehen, bei dem der Fahrer eine Sports Utility Vehicles (SUV) bei einem epilep­ti­schen Anfall die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte und dabei vier Passanten von dem Fahrzeug getötet worden waren. 

Für die Umgestaltung fielen etliche Parkplätze und auch Ladezonen vor einer Weinhandlung weg. Daher stellte der Weinhändler nach Erhebung der Klage einen Eilantrag gegen die Einrichtung der Radfahr­streifen. Aller­dings hatte dies bereits in erster Instanz keinen Erfolg: Denn bei Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs können Straßen­ver­kehrs­be­hörden Anord­nungen treffen, die den Verkehr beschränken. Aufgrund der geringen Breite der Invali­den­straßen und der dort auch verlau­fenden Straßenbahn war es immer wieder zu Unfällen mit Betei­ligung von Fahrrad­fahrern gekommen. 

Diese Gefahren würden durch die Anordnung des geschützten Radfahr­streifens und den Wegfall der Parkplätze verringert. Durch beide Maßnahmen wurde insbe­sondere Übersicht­lichkeit und damit Verkehrs­si­cherheit für alle Verkehrs­teil­nehmer erreicht. Zudem fällt die Gefahr der sich öffnenden Autotüren weg, die inbesondere in Kombi­nation mit den Straßen­bahn­schienen eine erheb­liche Gefahr für die Radfahrer darstellten.

Das OVG hat den Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts ausweislich der Presse­ver­laut­barung im Wesent­lichen bestätigt. Zudem sei der Händler durch den Wegfall der Ladezone vor seinem Geschäft auch nicht unzumutbar beein­trächtigt. Die Belie­ferung bleibe weiterhin über die Seiten­straßen möglich. Aus dem Anlie­ger­recht folge für den Antrag­steller keinen Anspruch auf Einrichtung oder Beibe­haltung von Park- und Lademög­lich­keiten vor seinem Geschäft (Olaf Dilling).

2021-01-28T23:25:49+01:0028. Januar 2021|Verkehr|