Von Leipzig nach Hamburg und vielleicht noch weiter

Nun liegen sie also endlich auf dem Tisch, die Begrün­dungen der durch die Deutsche Umwelt­hilfe (DUH) erstrit­tenen Urteile des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG) zu Fahrver­boten für ältere Diesel­fahr­zeuge in den stark belas­teten Großstädten Düsseldorf und Stuttgart. Wie von vielen Autofahrern befürchtet (hier mehr zu recht­lichen Hinter­gründen), sieht das höchste deutsche Verwal­tungs­ge­richt Fahrverbote als zulässig an, wenn die Grenz­werte für Stick­oxide und Feinstaub in den betrof­fenen urbanen Ballungs­räumen ohne eine solche drastische Maßnahme einfach nicht einzu­halten sind. Anders als die beklagten Bundes­länder halten die Richter eine blaue Plakette oder eigens für Diesel­fahr­verbote vorge­sehene Straßen­schilder nicht für notwendig. Aus Verhält­nis­mä­ßig­keits­gründen halten die Leipziger Richter aller­dings großflä­chige Fahrverbote in ganzen Zonen für nicht ohne Weiteres zulässig: Aktuell kommen Fahrverbote für ganze Innen­stadt­be­reiche „nur“ für Fahrzeuge der Abgas­klasse bis 4 (Diesel) in Betracht. Für die Diesel-Abgas­klasse 5 wäre dies erst ab dem 1. September 2019 zulässig.

Diese Einschränkung bedeutet aber nicht, dass neuere Diesel­fahr­zeuge sich bis zum Herbst 2019 sicher fühlen können. Vielmehr unter­streicht das BVerwG, dass schon heute Haupt­straßen für diese Wagen gesperrt werden können. Mit solchen Sperrungen müssten Autofahrer einfach rechnen.

Wer einen Diesel fährt, muss also sehr schnell mit erheb­lichen Behin­de­rungen rechnen. Hamburg plant auf einem Teilstück der vielbe­fah­renen Max-Brauer-Allee Fahrverbote für ältere Diesel­fahr­zeuge, die nicht der Abgas­klasse 6 entsprechen. Hamburg geht von rund 168.000 betrof­fenen PKW aus, dazu kommen noch die Pendler aus Schleswig-Holstein und Nieder­sachsen. Auf der Strese­mann­straße sollen zumindest für LKW entspre­chende Einschrän­kungen gelten.

Es ist anzunehmen, dass andere Städte nun schnell nachziehen, ob nun (halb) freiwillig oder gezwungen durch die vielen noch laufenden Prozesse. Für die betrof­fenen Autofahrer bleibt zu hoffen, dass einzelne Strecken­sper­rungen reichen, denn ansonsten müssten spätestens im nächsten Jahr die ersten Städte ältere Diesel großflächig aussperren. Spätestens dann wären viele Diesel wohl vollends wertlos. Aber vielleicht dauert es ja auch gar nicht mehr so lange, bis die Europäische Kommission vorm Europäi­schen Gerichtshof (EuGH) die Diesel-PKW noch weitge­hender aus den Städten drängt.

2018-05-21T22:32:35+02:0022. Mai 2018|Verkehr|

Und täglich grüßt … das Fahrverbot

Die Ausein­an­der­set­zungen rund um die Frage, wie mit der Verfehlung der Luftqua­li­täts­ziele umzugehen ist, gehen weiter. Nachdem die Bundes­um­welt­mi­nis­terin in der vergan­genen Woche von der Kommission aufge­fordert worden war, Maßnahmen mitzu­teilen, wie diese denn nun endlich einge­halten werden sollen, hat das Bundes­um­welt­mi­nis­terium (BMUB) nunmehr neue Ideen vorge­bracht.

Hierbei handelt es sich nicht um offene, unver­bind­liche Überle­gungen. Denn die Bundes­re­publik befindet sich wegen der dauer­haften Überschreitung der verbind­lichen Luft Quali­täts­ziele derzeit bereits in einem rechts­wid­rigen Zustand. Der Dialog mit der europäi­schen Kommission stellt damit kein allge­meines politi­sches Gespräch über Wunsch­vor­stel­lungen dar, die gemeinsam erreicht werden sollen. Vielmehr handelt es sich um Stationen eines forma­li­sierten Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahrens, an dessen Ende schmerzhaft hohe Straf­zah­lungen verhängt werden können. In einem solchen Verfahren werden erst Stellung­nahmen zwischen Mitglied­staat und Europäi­scher Kommission ausge­tauscht. Reichen die Erklä­rungen, wie der Mitglied­staat, der sich nicht an Gemein­schafts­recht hält, der Kommission nicht, so ruft diese den europäi­schen Gerichtshof an. Die nunmehr an Brüssel übermit­telte Stellung­nahme stellt also die letzte Chance auf Vermeidung eines Klage­ver­fahrens dar. Umso überzeu­gender sollten die deutschen Pläne nun ausfallen.

Die besondere Schwie­rigkeit an der Sache: Die Bundes­re­gierung möchte Fahrverbote für insbe­sondere ältere Diesel­fahr­zeuge noch immer auf jeden Fall vermeiden. Dies haben die wohl auch künftigen Koali­tionäre im Entwurf des Koali­ti­ons­ver­trags nochmals bekräftigt. Man fürchtet offenbar die Wut des deutschen Autofahrers und die zu erwar­tende Prozess­lawine gegen die Hersteller auf Schadens­ersatz. Entspre­chend finden sich Fahrverbote in der angekün­digten Maßnah­men­liste, deren Inhalt das Magazin Politico veröf­fent­licht hat, erst als absolut letzte Ultima Ratio, und dann auch nur in ausge­wie­senen Straßen. Bevor es dazu kommt, sollen andere Maßnahmen greifen. Die Verkehrswege für den Schwer­last­verkehr sollen einge­schränkt werden. Es soll auch zusätz­liche Anreize geben, Elektro­fahr­zeuge zu kaufen, ganz besonders für den gewerb­lichen Bereich. Solche Maßnahmen sind beliebt: Hiervon würden sicherlich auch die deutschen Automo­bil­her­steller profi­tieren, auch wenn Elektro­mo­bi­lität bisher nicht zu ihren starken Seiten zählt. Am meisten disku­tiert wird jedoch eine andere, vorge­schlagene Maßnahme: In zunächst nur einigen Städten (Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim) soll ausge­setzt werden, ob ein kosten­loser ÖPNV so viele Autofahrer zum Umstieg motiviert, dass die verkehrs­be­dingten Emissionen deutlich sinken. Dies wäre sicherlich angesichts der derzeit vollen Kassen eine zu recht populäre Maßnahme. Doch fahren Bürger wirklich heute mit dem Auto, weil ihnen der ÖPNV zu teuer ist? In Berlin kostet eine Monats­karte derzeit 81 EUR. Dafür kann niemand ein Auto unter­halten. Abgesehen vom „Spaßfahrer“ (und wie spaßig ist der Großstadt­verkehr heute noch?) spielen Verfüg­barkeit, Komfort und Verläss­lichkeit die wohl entschei­dende Rolle bei der Frage, ob die täglichen Wege per Bahn oder per Auto erledigt werden. Tragisch wäre es, wäre der ÖPNV eines Tages zwar kostenlos, aber aus Kosten­gründen so ausge­dünnt, dass der Verbraucher sich dann doch fluchend in seinen Schad­stoffe emittie­renden Wagen setzt.

2018-02-14T07:19:24+01:0013. Februar 2018|Verkehr|

Aller­letzte Gnaden­frist: Jetzt muss Deutschland wirklich liefern

Es geht durch die Presse: Wenn Deutschland nicht bis zum 5. Februar, also immerhin noch bis nächsten Montag, ausrei­chende Maßnahmen benennt, um die EU-Grenz­werte für Stick­oxide der Luftqua­li­täts­richt­linie 2008/50/EG einzu­halten, wird die europäische Kommission wohl Klage vor dem Europäi­schen Gerichtshof (EuGH) erheben. Doch was hat diese Ankün­digung praktisch zu bedeuten?

In der Luftqua­li­täts­richt­linie geht es um Umwelt­qua­li­täts­normen. Diese geben, anders als emissi­ons­be­zogene Regelungen, vor, wie die Luft in Deutschland beschaffen sein muss. Konkret muss die Atemluft bestimmte Standards insbe­sondere im Hinblick auf Stick­oxide und Feinstaub erfüllen. Haupt­quelle hierfür ist der Straßenverkehr.

Offen ist dabei immerhin, wie die Mitglied­staaten die durch EU-Recht vorge­ge­benen Ziele erreichen sollen. Bundes­re­gierung und Landes­re­gie­rungen müssen sich also etwas einfallen lassen. Von der Förderung des öffent­lichen Perso­nen­nah­ver­kehrs bis hin zu Einschrän­kungen für bestimmte Fahrzeug­typen ist dabei alles denkbar, was die Luft verbessert.

Bundes­re­gierung und Landes­re­gie­rungen sind in der Vergan­genheit dabei vor den vermutlich wirksamsten Maßnahmen jedoch stets zurück­ge­schreckt. Man wollte den deutschen Autofahrer nicht verschrecken, insbe­sondere nicht durch Fahrverbote für ältere Diesel­fahr­zeuge, die in den betrof­fenen urbanen Regionen, vor allem in Stuttgart und München, aber auch in Berlin und in der Rhein-Main Region für nicht wenige Autofahrer ein ernst­haftes und akutes Problem darstellen würden. Denn wie kommt ein Pendler zur Arbeit, wenn er mit seinem Auto nicht mehr in die Innen­stadt fahren darf?

Doch nun erhöht sich der Druck nicht nur durch die Gerichte. Sondern auch im Rahmen eines Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahrens nach Art. 258 AEUV. Denn schließlich stellt die Überschreitung der geltenden Grenz­werte auch Jahre nach dem in der Richt­linie bestimmten Umset­zungs­zeitraum nicht nur eine politische Peinlichkeit da. Hier hat die Bundes­re­publik sekun­däres Gemein­schafts­recht verletzt.

Das Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren umfasst unter­schied­liche Eskala­ti­ons­stufen. Zunächst wendet sich die europäische Kommission als „Hüterin der Verträge“ an das betref­fende Land. Passiert trotz der sich inten­si­vie­renden Gespräche zwischen Kommission und Mitglied­staat dann immer noch nichts, kann die Kommission sich an den europäi­schen Gerichtshof in Luxemburg wenden. Dieser kann dann Sanktionen verhängen, es drohen Strafzahlungen.

Diese Straf­zah­lungen stellen keinen Freibrief da. Der Mitglied­staat kann sich also nicht von seinen Verpflich­tungen freikaufen, ganz abgesehen davon, dass ja auch der betroffene Bürger oder Umwelt­verband auf Einhaltung der Grenz­werte klagen kann. Der Mitglied­staat Bundes­re­publik Deutschland gerät also im Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren in eine in jeder Hinsicht peinliche Situation: Zum einen wird es teuer, Zum anderen ist mit einem solchen Verfahren natur­gemäß eine hohe negative Publi­zität verbunden. Ganz abgesehen davon, dass Deutschland dann immer noch liefern muss.

Damit stellt sich die Frage: Wird das zuständige Bundes­um­welt­mi­nis­terium nun in der aller­letzten Gnaden­frist bis nächsten Montag nicht vielleicht doch noch die ungeliebten Fahrverbote als Ultima Ratio für besonders betrof­fenen Regionen als Maßnahmen aufnehmen und in der Folge auch umsetzen? Der Bürger immerhin scheint mit solchen Fahrver­boten bereits zu rechnen. Der Verkauf von Diesel­fahr­zeugen hat in den letzten Monaten drastisch abgenommen. Und was die Diesel­fahr­zeuge angeht, die Käufer schon in gutem Glauben an die Verlaut­ba­rungen der Konzerne gekauft haben, spricht viel dafür, dass zumindest für einen Teil der mit der so genannten Schum­mel­software ausge­stat­teten Wagen ein Schadens­er­satz­an­spruch besteht.

2018-01-31T10:56:46+01:0031. Januar 2018|Allgemein|