Masken­pflicht und Sonnenschein

Gesetz- und Verord­nungs­geber rechnen meistens mit dem Schlimmsten. Nun ja, das Recht muss sich halt auch in Extrem­fällen bewähren. Nicht nur bei schönem Wetter. Darin unter­scheiden sie sich übrigens gar nicht so sehr von Ingenieuren. Denn die müssen ihre Schrauben auch nicht für die Durch­schnitts­be­lastung, sondern für die maximal erwartbare Belastung dimen­sio­nieren. Und dann noch eine Schippe drauf­legen als Sicherheitsmarge.

Bei der Masken­pflicht ist es übrigens umgekehrt. Nicht bei Extrem­wetter, bei Sturm oder Stark­regen, sondern bei eitel Sonnen­schein drängt zur Zeit alles in die Parks. Besonders in großen Städten wie Berlin oder Hamburg. Da kann es manchmal an der Spree oder Alster ziemlich eng werden. Daher hat der Stadt­staat Hamburg eine Masken­pflicht u.a. rund um die Alster, die Elbe oder den Jenischpark erlassen. Gelten sollte sie sonnabends, sonntags und an Feier­tagen in der Zeit zwischen 10 Uhr und 18 Uhr bzw. 20 Uhr. 

Das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Hamburg hat diese Maßnahme nun gekippt. Denn nach Auffassung der Richter sei sie keine dem Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz genügende Schutz­maß­nahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 Infek­ti­ons­schutz­gesetz. Die Richter begründen dies folgen­der­maßen: Die Maßnahme diene zwar mit dem Infek­ti­ons­schutz einem legitimen Zweck. Es gehe aus der Begründung der Verordnung nicht hervor, warum eine generelle (also situa­ti­ons­un­ab­hängige) Masken­pflicht erfor­derlich sei. Denn es sei von den Wetter­ver­hält­nissen abhängig, wie viele Menschen in den Park kämen. Und in einem menschen­leeren Park sei das Tragen von Masken nicht nötig. Vermutlich hatten die Hamburger Richter kurz vor Verkündung der Entscheidung das berühmt-berüch­tigte Hamburger Schiet­wetter, bei dem man sich ohnehin nicht vorstellen kann, dass es jemals wieder sonnig wird.

Und der Hamburger Verord­nungs­geber runzelt angesichts der Entscheidung vermutlich die Stirn und fragt sich, ob er in die Verordnung nun die Ergänzung „nur bei Sonnen­schein“ reinschreiben soll. Und kurz bevor ihn resigniert der Büroschlaf übermannt, fragt er sich noch verzweifelt, ob ein Tag in Hamburg auch dann noch als „sonnig“ im Sinne der Corona-Eindäm­mungs­ver­ordnung gelten kann, wenn von der Deutschen Bucht herbei­wehend Cirrostra­tus­wolken, zart wie Chemtrails, den Himmel über der Alster verschleiern (Olaf Dilling).

2021-03-18T01:06:48+01:0018. März 2021|Verwaltungsrecht|

Das Infek­ti­ons­schutz­gesetz im Überblick

Kein Gesetz, in das man jeden Tag schaut. Um so mehr bietet die aktuelle Krise Anlass, sich mit dem Infek­ti­ons­schutz­gesetz (IfSG) zu beschäf­tigen. Das aktuell Wichtigste in aller Kürze:

Das Gesetz dient dem Schutz vor anste­ckenden Krank­heiten, § 1 IfSG. In normalen Zeiten kommt der Normal­bürger nur mit dem IfSG in Berührung, wenn er beruflich etwas mit Lebens­mitteln machen, ungeimpfte Kinder in die Kita bringen will oder erfährt, dass Krank­heiten wie etwa Mumps oder Röteln melde­pflichtig sind. Diese Melde­pflicht ist in § 6 IfSG geregelt, sie erfasst auch die vom Corona­virus verusachte COVID 19.

Das IfSG setzt in vielfacher Hinsicht auf Aufklärung und Vorbeugung, es enthält aber auch ausge­sprochen robuste Ermäch­ti­gungs­grund­lagen. Die verhängten Veran­stal­tungs­verbote und die Schlie­ßungen von Geschäften etwa beruhen auf den unter­schied­lichen Fällen des § 28 IfSG, der die zustän­digen Behörden zu diversen „notwen­digen Maßnahmen“ zur Seuchen­be­kämpfung ermächtigt, entweder in Form von Verwal­tungs­akten – wie Allge­mein­ver­fü­gungen – oder nach § 32 IfSG in Form von Rechts­ver­ord­nungen ermächtigt, wobei die Maßnahmen im Einzelnen natürlich verhält­nis­mäßig sein müssen. Es ist auch durchaus umstritten, wie weit die General­klausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG geht, und ob sie etwa auch die derzeit disku­tierte Ausgangs­sperre umfasst.

Das IfSG regelt in § 30 IfSG auch die Quarantäne. Diese ist nämlich keineswegs ein freund­licher Appell an die Vernunft des Infizierten oder Erkrankten. Das Abson­de­rungs­verbot kann nach § 30 Abs. 2 IfSG zwangs­weise durch­ge­setzt werden, ihm können Gegen­stände wegge­nommen werden, und man kann verfügen, dass er niemanden mehr trifft außer dem medizi­ni­schen Personal und dem Pfarrer. Nach § 31 IfSG kann man ihm auch bestimmte Berufe verbieten.

Solche Maßnahmen sind natürlich nicht nur persönlich ausge­sprochen belastend. Sie können auch wirtschaftlich unter Umständen ausge­sprochen schwer wiegen: Wird etwa der nette Weinhändler an der Ecke unter Quarantäne gestellt, ist er mögli­cher­weise schnell insolvent. Und trifft es ein ganzes Team, kommen auch größere Unter­nehmen schnell in Schwie­rig­keiten. Deswegen enthält der 12. Abschnitt des IfSG Entschä­di­gungs­regeln, die die tiefen Einschnitte ausgleichen sollen, v. a. § 56 IfSG. Danach sind Menschen, die wegen eines behörd­lichen Verbots nicht arbeiten dürfen, weil ein Tätig­keits­verbot oder eine Quaran­tän­ever­fügung ergangen sind, entschä­di­gungs­be­rechtigt. Sind sie angestellt, erhalten sie ihr Gehalt vom Arbeit­geber, der seiner­seits erstat­tungs­be­rechtigt ist, § 56 Abs. 5 IfSG. Bei Selbstän­digen können zusätzlich auch ansonsten ungedeckte Betriebs­aus­gaben erstattet werden. Pferdefuß an der Sache: Geld gibt’s hiernach nur für denje­nigen, der infiziert oder krank ist und deswegen von der Behörde aus dem Verkehr gezogen wurde. Wer gesund ist und sein Geschäft schließen muss oder dem schlicht die Aufträge ausgehen, erhält nach dem IfSG nichts. Inzwi­schen hat die Politik aller­dings angekündigt, auch in solchen Fällen zu helfen.

Wenn Sie hierzu oder in allen anderen recht­lichen Fragen des Energie‑, Umwelt- und Infra­struk­tur­rechts Unter­stützung benötigen: Wir erhalten unseren Bürobe­trieb in unseren Kanzlei­räumen natürlich aufrecht. Wir bitten Sie aber, sich telefo­nisch (030 403 643 62 0) oder per E‑Mail an uns zu wenden.

2020-03-18T23:07:39+01:0018. März 2020|Verwaltungsrecht|