Betriebs­be­auf­tragte im Fokus: Zwischen Bürokra­tie­abbau und Symbolpolitik

Man könnte es für einen schlechten April­scherz halten, doch leider das ist es nicht. Wie bereits im CDUSofort­pro­gramm Wirtschaft“ angekündigt, ist es ein Baustein des angestrebten „Bürokratie-Rückbaus“ der CDU, dass es weniger Betriebs­be­auf­tragte geben soll. Dies taucht auch im Sondie­rungs­papier der CDU, CSU und SPD aus (siehe auch hier). Das Ziel ist, dass bis Ende 2025 die Verpflichtung zur Bestellung von Betriebs­be­auf­tragten abgeschafft werden soll – darunter etwa der Abfall­be­auf­tragte und der Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragte. Wegfallen sollen aber nicht nur die, sondern u.a. auch die Abscheide-Sachkun­digen, die Asbest-Sachkun­digen, die betrieb­lichen Daten­schutz­be­auf­tragten (Strei­chung von § 38 BDSG). Zeit für eine (sehr) kritische Nachlese:

Dass übertriebene Bürokratie ein Problem ist, möchte wohl keiner bestreiten. Es ist oft wiederholt worden, dass es eine Überre­gu­lierung durch Verfah­rens­vor­schriften und materi­ell­recht­lichen Anfor­de­rungen gibt. Gern vorge­brachtes Beispiel aus dem Umwelt­recht ist es, dass (immis­si­ons­schutz­recht­liche) Geneh­mi­gungs­ver­fahren zu lange dauern, Behörden zu langsam arbeiten und alles zu viel kostet. Inwiefern jedoch die Pflicht zur Bestellung von Betriebs­be­auf­tragten Teil des bürokra­ti­schen Wasser­kopfs sein soll, vermag sich nicht zu erschließen. Ja, es stimmt: Auch sie kosten den Unter­nehmen Geld, doch diese Kosten wiegen sie bei weitem auf. Wenn wir uns den Sinn und Zweck vor Augen führen, wird klar, warum die Expertise von Fachbe­auf­tragten unver­zichtbar ist und welche negativen Konse­quenzen eine Abschaffung nach sich ziehen würde.

Betriebs­be­auf­tragte fungieren als zentrale Schnitt­stelle zwischen den opera­tiven Abläufen in Unter­nehmen und den strengen recht­lichen sowie umwelt­tech­ni­schen Auflagen. Sie dienen dem Selbst­re­gu­lativ: Sie sind Organe der betrieb­lichen Selbst­über­wa­chung, d.h. sie wirken ausschließlich nach innen. Die Bestellung erzeugt für die Beauf­tragten keine Pflichten gegenüber der Überwa­chungs­be­hörde, sondern nur im Verhältnis zum Anlagen­be­treiber. Sie sind für die Unter­nehmen da. Sie sind Motor der Innovation. Sie sind Ratgeber und das Umwelt­schutz­ge­wissen der Unter­nehmen. Übergrei­fendes Ziel der Fachbe­auf­tragten ist es, Probleme zu erkennen und zu lösen, bevor ggf. eine recht­liche Inanspruch­nahme (seien es Ordnungs­wid­rig­kei­ten­ver­fahren, straf­recht­liche Ermitt­lungen oder Ansprüche Dritter) das Unter­nehmen trifft. Dafür sollen und dürfen sie den Finger in Wunden legen; aufzeigen, wo es in Unter­nehmen Versäum­nisse gibt; analy­sieren, wo Optimie­rungs­po­tential besteht und was wie und wo dringend was getan werden muss. Wer hierin Bürokratie zu erkennen glaubt, hat das Recht nicht verstanden.

Die angekün­digte Abschaffung der Verpflichtung zur Bestellung von Betriebs­be­auf­tragten mag auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, dass damit dann weniger Anfor­de­rungen für Anlagen­be­treiber und Unter­nehmen gelten. Da die gesetz­lichen Pflichten und Anfor­de­rungen jedoch unver­ändert bleiben, müssten Unter­nehmen – sofern überhaupt möglich – intern alter­native Regelungen finden, um die vielen Fachauf­gaben abzudecken – oder die Aufgaben fallen einfach unter den Tisch. Das hierin steckende Risiko­po­tential sollte keines­falls unter­schätzt werden, denn die Haftung lauert überall! Betrachtet man allein das Immis­si­ons­schutz­recht, so wird deutlich, dass die materi­ell­recht­lichen Anfor­de­rungen für Unter­nehmen keines­falls weniger werden. Durch die Neufassung der IED wird beispiels­weise das Anfor­de­rungs­profil an Berichts­pflichten größer. Unter­nehmen müssen Trans­for­ma­ti­ons­pläne erstellen und darlegen, wie sie die Klima­ziele erreichen wollen. Aus der Praxis hört man eher, dass die Aufgaben immer schwie­riger zu bewäl­tigen sind, doch dieses Problem löst man nicht dadurch, dass man die Personen, die sich damit auskennen, abschafft. Es ist allein aufgrund des zwingenden Rechts zwingend notwendig, Fachwissen in den Unter­nehmen zu haben und zu halten, um den umfas­senden und stetig wachsenden Anfor­de­rungs­ka­talog im Blick zu behalten. Es geht nicht ohne quali­fi­zierte – weil fach- und sachkundige – Experten.

Geprägt von der Zielvor­stellung, dass die Fachbe­auf­tragten dazu beitragen sollen, ihre Unter­nehmen zu schützen, wird ihr Wegfall zu unzurei­chender Umsetzung der gesetz­lichen Vorgaben in Unter­nehmen führen – was im Schadensfall zu erheb­lichen Haftungs­pro­blemen und finan­zi­ellen Auswir­kungen führen kann. Statt Bürokratie abzubauen, verur­sacht die Abschaffung von Fachbe­auf­tragten dann ungeahnte Mehrkosten und Unsicherheit für die Unter­nehmen, die man doch eigentlich unter­stützen wollte. (Dirk Buchsteiner)

2025-04-04T11:43:40+02:004. April 2025|Abfallrecht, Immissionsschutzrecht, Industrie, Umwelt|

Die Haftung des Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragten – ein weites Feld?

Was Aufgaben des Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragten sind, sagt uns § 54 BImSchG: Hiernach berät Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragte den Betreiber und die Betriebs­an­ge­hö­rigen in Angele­gen­heiten, die für den Immis­si­ons­schutz bedeutsam sein können. In diesem Zusam­menhang ist der Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragte berechtigt und verpflichtet, auf die Entwicklung und Einführung umwelt­freund­licher Verfahren, einschließlich Verfahren zur Vermeidung oder ordnungs­ge­mäßen und schad­losen Verwertung der beim Betrieb entste­henden Abfälle oder deren Besei­tigung als Abfall sowie zur Nutzung von entste­hender Wärme, und auch auf umwelt­freund­liche Erzeug­nisse, einschließlich Verfahren zur Wieder­ge­winnung und Wieder­ver­wendung, hinzu­wirken. Zudem wirkt er bei der Entwicklung und Einführung umwelt­freund­licher Verfahren und Erzeug­nisse mit. Der Aufga­ben­ka­talog von § 54 BImSchG hört hier noch nicht auf. Zu Recht wird der Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragte daher als „Garant des Sachver­stands“ oder „immis­si­ons­schutz­recht­liches Gewissen“ bezeichnet.

Doch was ist, wenn etwas schief­läuft? Wie sieht es mit der Haftung aus? Kann der Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragte haftbar gemacht werden, wenn der seinen vielen Aufgaben nicht gerecht wird? In der Regel nicht. 

In dem Fall, kann ihn allein der Anlagen­be­treiber zur Erfüllung der Aufgaben anhalten. Nur ihm gegenüber bestehen die Pflichten und als Arbeit­nehmer haftet er im Arbeits­ver­hältnis wie jeder Angestellte. Aller­dings wären wohl die Grund­sätze der gefahr­ge­neigten Tätigkeit zu berück­sich­tigen. Die Behörde kann daher die Aufga­ben­er­füllung des Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragen weder Anlagen­be­treiber noch vom Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragten selbst verlangen. Als schärfte Maßnahme kann sie jedoch eine Abberufung durch­setzen. Spezi­fische Verant­wort­lich­keiten treffen den Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragten gegenüber Dritten also nicht. So sind Pflicht­ver­säum­nisse des Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragten bei der Erfüllung seiner Aufgaben auch nicht straf- oder bußgeld­be­wehrt. Der Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragte sollte aller­dings besten­falls dafür Sorge tragen, den Anlagen­be­treiber vor einer etwaigen Haftung (also vor OWi- bzw. Straf­ver­fahren) und Ansprüchen Dritter zu schützen. Als tauglicher Täter im Bereich Ordnungs­wid­rig­keiten und im Straf­recht kommt der Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragte mangels eigener Entschei­dungs- und Weisungs­rechte in der Regel selbst nicht in Betracht. Für den Fall jedoch, dass die Geschäfts­leitung einem Immis­si­ons­schutz­be­auf­tragten zusätz­liche Entschei­dungs- und Weisungs­rechte einräumt, trägt er damit mögli­cher­weise selbst einen Teil der Unter­neh­mens­lei­tungs­ver­ant­wortung. In diesem Fall könnte eine Haftung in Frage kommen. (Dirk Buchsteiner)

2024-06-07T02:01:20+02:007. Juni 2024|Immissionsschutzrecht, Industrie, Umwelt|