Kartellrecht und Grundversorgung
Die Landeskartellbehörde Niedersachsen hat zehn Grundversorgern zu hohe Preise bescheinigt. Ein Unternehmen hat sich schon zur Preissenkung verpflichtet. So weit, so gut. Aber warum beschäftigt sich eine Landeskartellbehörde überhaupt noch mit Strom und Gas?
Aufgabe der Kartellbehörden ist es bekanntlich, den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen zu verhindern. Mit anderen Worten: Wenn es in einem Markt nur einen oder wenige Anbieter gibt, darf das nicht dazu führen, dass diese z. B. überhöhte Preise verlangen oder schlechte Bedingungen beim Service. Doch eine solche Situation besteht bei der Belieferung mit Gas oder Strom gar nicht mehr. Heute hat der Kunde überall die Wahl zwischen einer Vielzahl von möglichen Lieferanten. Entsprechend ist eine behördliche Preiskontrolle für Gas und Strom auch gar nicht vorgesehen. Die Landeskartellbehörden gehen auch selbst davon aus, dass sie für Sonderkundenverträge, also Verträge, die ein Verbraucher aktiv mit einem Versorger abschließt, an sich nicht zuständig sind.
Dass die Landeskartellbehörde sich trotzdem der Energieversorgung widmet, beruht auf § 29 GWB. Diese Regelung sollte eigentlich schon seit Jahren auslaufen, wurde aber zuletzt 2017 verlängert. Jetzt soll sie bis 2022 anwendbar bleiben. Doch auch § 29 GB setzt eine marktbeherrschende Stellung voraus. Zu dieser kommen die Behörden über eine Art Kunstgriff: Sie betrachten nicht alle Stromlieferungen in einem Netzgebiet als einen Markt. Sondern nur diejenigen Verbraucher, die noch nie ihren Versorger gewechselt haben und deswegen grundversorgt werden. Doch kann bezogen auf diese Gruppe wirklich eine marktbeherrschende Stellung ausgenutzt werden? Wer den Grundversorger zu teuer findet, kann doch, siehe oben, einfach den Versorger wechseln. Oder er klagt gestützt auf § 315 BGB gegen Preisanpassungen. Mehr und mehr stellt sich also 20 Jahre nach der Liberalisierung der Energiemärkte die Frage, ob wirklich noch Raum für Regelungen ist, die vorgeblich dem Verbraucherschutz dienen. Aber die angesichts der bestehenden Marktvielfalt die Situation der Verbraucher nicht mehr verbessern, sondern an einer vom Gesetzgeber nicht mehr vorgesehenen behördliche Preiskontrolle durch die Hintertür festhalten wollen.