AG Frankfurt: Behin­dernd abgestellter E‑Scooter

Man sollte meinen, dass es Möglich­keiten gibt, gegen behin­dernd auf Gehwegen abgestellte E‑Roller vorzu­gehen. Aller­dings gibt es vom letzten Jahr eine Entscheidung des Amtsge­richts (AG) Frankfurt am Main, die skeptisch stimmt. Ein Betrie­ban­ge­stellter des Straßen­ver­kehrsamts hatte einen elektri­schen Tret-/Stehroller, sog. eScooter, eines der Aufsteller auf dem Gehweg so abgestellt vorge­funden, dass er andere behinderte.

Von zwei unterschiedlichen Aufstellern auf einem öffentlichen Platz behindernd aufgestellte E-Roller.

Die Halterin des eScooters, eine der Aufsteller dieser Fahrzeuge, hatte sich trotz wieder­holter Anhörung nicht zur Identität des Fahrers geäußert. Daher sollten ihr nun die Kosten des Verfahrens nach § 25a Straßen­ver­kehrs­gesetz (StVG) auferlegt werden. Dagegen erhob sie beim AG Frankfurt Einspruch. Das AG entschied, dass es an einem vorwerf­baren Halt- oder Parkverstoß mangele und damit an einer ahndungs­fä­higen Ordnungswidrigkeit.

Begründet wurde dies vom Gericht damit, dass gemäß § 11 Abs. 5 Elektro­kleinst­fahr­zeu­ge­ver­ordnung (eKFV) für das Abstellen von Elektro­kleinst­fahr­zeugen die für Fahrräder geltenden Parkvor­schriften entspre­chend gelten würden. Nun ist von der Rechts­spre­chung anerkannt, dass Fahrräder grund­sätzlich auch auf Gehwegen abgestellt werden dürfen (vgl. VG Braun­schweig, Urteil vom 25.01.2005 – 5 A 216/03).

Das AG Frankfurt stellt in Überein­stimmung mit dieser Rechts­spre­chung klar, dass die Regeln der § 12 Abs. 4 f. StVO nicht für Fahrräder gelten würden. Womit sich das AG in seinem Beschluss jedoch nicht ausein­an­der­setzt ist die Frage, ob nicht zumindest § 1 Abs. 2 StVO auch für Fahrräder und eScooter gelten müsste: Wenn diese Fahrzeuge auf Gehwegen behin­dernd geparkt werden, müsste ein Bußgeld fällig werden. (Olaf Dilling)

2023-02-23T19:02:07+01:0023. Februar 2023|Allgemein, Verkehr|

Parkverbote für Fahrräder?

Nicht nur Kraft­fahr­zeuge, auch Fahrräder stehen manchmal im Weg. Und dann stellt sich die Frage: Was für Möglich­keiten gibt es eigentlich, das Abstellen von Fahrrädern zu unter­sagen? Obwohl diese Frage erst einmal trivial erscheint, stellt sie sich in der Praxis als ziemlich schwierig heraus. Denn in der Regel werden Fahrräder am Rand der Gehwege oder Plätze abgestellt. Dabei üben Radfahrer ihr Recht auf Gemein­ge­brauch aus. Wenn nun in einer Straße ein einge­schränktes oder absolutes Halte­ver­bots­schild aufge­stellt wird, dann folgt daraus zunächst einmal nur etwas für Kraft­fahr­zeuge. Sie dürfen dann dort nicht abgestellt werden, wo die  Straßen­ver­kehrs­ordnung das Parken regel­mäßig vorsieht, nämlich am Fahrbahnrand. Für Fahrräder am Rand der Gehwege gilt die Anordnung dagegen nicht.

Vor einigen Jahren wurde, um das wilde Parken von Fahrrädern am Bahnhof in Lüneburg zu unter­binden ein Halte­verbot mit Zusatz „auch Fahrräder“ angeordnet. Die Idee der Stadt war, dass dies auch für den an die Fahrbahn angren­zenden Fußgän­ger­be­reich auf dem Bahnhofs­vor­platz gelten solle. Fahrrad­fahrer, die die Bahn nutzen wollten, sollten auf ein nahe gelegenes gebüh­ren­pflich­tiges Parkhaus eines privaten Betreibers zurück­greifen. Nach Anordnung des Verbots hatte die Stadt begonnen, auf dem Bahnhofs­vor­platz abgestellte Fahrräder zu entfernen und in das Parkhaus zu bringen, wo die Besitzer es gegen Bezahlung einer Gebühr auslösen konnten.

Daraufhin beantragte ein Fahrrad­fahrer beim Verwal­tungs­ge­richt die Feststellung, dass diese Praxis rechts­widrig sei, da mit der Anordnung des Halte­verbots kein Verbot verbunden sei, auf dem Vorplatz zu parken. Vor dem Verwal­tungs­ge­richt bekam er recht, auf Berufung und Revision der Beklagten landete die Sache schließlich beim Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt. Dies entschied, dass sich ein „Haltverbot auch auf Seiten­streifen und andere mit Fahrzeugen befahrbare öffent­liche Verkehrs­flächen in einer Haltver­botszone erstrecke, nicht jedoch auf Fußgän­ger­ver­kehrs­flächen“. Schließlich ergebe sich das Verbot des Parkens von Kfz auf Gehwegen bereits aus § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO. Die von der Stadt Lüneburg getroffene Anordnung der Halte­ver­botszone würde sich zwar aufgrund des Zusatz­schildes auch an Fahrrad­fahrer richten. Aller­dings nur bezüglich des Parkens in den auch für Kfz vorge­se­henen Bereichen.

Diese schon etwas ältere, aber weiterhin relevante Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die StVO nicht für Fahrrad­verkehr konzi­piert ist, sondern sich primär an Kfz und deren Belangen orien­tiert. Fragen des Umgangs mit Fahrrad- und Fußverkehr oder ÖPNV sind daher oft nur indirekt ableitbar und bedürfen einer beson­deren Expertise. Wir beraten Sie gerne zu diesen Themen (Olaf Dilling).

2022-03-09T23:02:43+01:009. März 2022|Verkehr|

Verkehrs­recht: Behin­derndes Falsch­parken trotz Gehweg-Restbreite

Fußgänger auf Pflaster

Gehwege sind ein sehr zentrales Element der Verkehrs­in­fra­struktur. Schließlich gibt es so gut wie kein Verkehrs­mittel, das nicht mit Gehwegen vernetzt werden muss, und sei es für die berühmten letzten fünf Meter zum Bäcker oder zur Wohnungstür. Noch wichtiger ist dies bei der Nutzung öffent­licher Verkehrs­mittel, bei denen auch zwischen­durch immer wieder Passagen zu Fuß zurück­zu­legen sind. Daher ist es fast nie vorge­schützt, wenn jemand in verkehrs­po­li­ti­schen Diskus­sionen behauptet, als Kraft- oder Bahnfahrer „auch mal“ zu Fuß zu gehen… Ob dadurch auch die Perspektive der Fußgänger verin­ner­licht worden ist, hängt sicher mit der Inten­sität und Relevanz des beiläu­figen Fußgän­gertums zusammen.

Angesichts ihrer Bedeutung zur Vernetzung unter­schied­licher Verkehrs­mittel werden Gehwege im Straßen und Verkehrs­recht eher vernach­lässigt. Jeden­falls findet sich bislang keine Definition des Gehwegs in der StVO. Insbe­sondere ist rechtlich nicht eindeutig definiert, wie breit Gehwege sein müssen, um ihre Funktion zu erfüllen. Dafür gibt es lediglich stadt­pla­ne­rische Standards, die aber streng genommen nicht rechts­ver­bindlich sind. So etwa die Richt­linien für die Anlage von Stadt­straßen (RASt, 2006) und die Empfeh­lungen für Fußgän­ger­ver­kehrs­an­lagen (EFA, 2002) der Forschungs­ge­sell­schaft für Straßen- und Verkehrs­wesen (FGSV). Als Mindest­breite für die Anlage neuer Gehwege ergibt sich daraus ein Richtwert von 2,50 m, was im Bestand, gerade in histo­risch gewach­senen Städten oft nicht einge­halten wird.

Die Recht­spre­chung, wie sollte es anders sein, hat natürlich auch Vorstel­lungen, was ein funkti­ons­fä­higer Gehweg ist. Zum Ausdruck kommt dies vor allem bei Klagen von Kfz-Haltern gegen das Abschleppen ihrer auf Gehwegen geparkten Autos. Denn bei ihren Entschei­dungen darüber müssen die Richter abwägen, ob die Funkti­ons­be­ein­träch­tigung des Gehwegs erheblich ist und den Eingriff in die Rechte des Halters recht­fer­tigen kann. In den dazu ergan­genen Entschei­dungen wird deutlich, dass eine Behin­derung bzw Gefährdung auch dann erheblich sein kann, wenn ein Fußgänger alleine zwar nicht ausweichen müsste, sondern gerade noch zwischen Falsch­parker und Gehweg­be­grenzung durch­gehen kann. Denn es muss immer auch mit Begeg­nungs­verkehr gerechnet werden.

So ging etwa das Verwal­tungs­ge­richt Bremen in einem konkreten Fall bei einer Restgeh­weg­breite von etwa einem Meter von einer poten­ti­ellen Behin­derung aus. Denn zwischen Fahrzeug des Klägers und einer Grund­stücks­ein­friedung war die Begegnung mit Rollstuhl­fahrern und Personen mit Kinder­wagen nicht mehr oder nur einge­schränkt möglich. Daraus resul­tierte eine Funkti­ons­be­ein­träch­tigung des Gehwegs.

Wie auch das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Nordrhein-Westfalen in einem anderen Fall entschied ist es nämlich nicht ausrei­chend, dass die genannten Verkehrs­teil­nehmer „mit Mühe und Not” die Stelle passieren können. Was den Begeg­nungs­verkehr angeht, kommt es nach dem Verwal­tungs­ge­richt Gelsen­kirchen nicht darauf an, ob zu der Zeit Fußgänger mit Kinder­wagen oder Rollstuhl­fahrer die Stelle tatsächlich passieren wollten. Denn bei den Abschlepp­fällen ist das Recht der Gefah­ren­abwehr anzwenden. Die Gefah­ren­abwehr soll den Eintritt einer Behin­derung gerade dann abwehren, bevor sich die damit verbundene Gefahr realisiert.

Eine weitere, nicht ganz so offen­sicht­liche Funkti­ons­be­ein­träch­tigung von Gehwegen kann auch aus dem Zuparken von Straßen­ecken und Verdecken der Sicht­achsen resul­tieren. Insbe­sondere, wenn es sich um große Kfz handelt, sind auf dem Gehweg laufende Kinder dann nicht zu sehen bzw können selbst den Verkehr auf der Kreuzung nicht überblicken. Das gilt im übrigen aber auch für Erwachsene. Daher ist an diesen Stellen nach Recht­spre­chung des Verwal­tungs­ge­richts Köln auch das Abschleppen von Falsch­parkern gerecht­fertigt, wenn sie zu bloßen Sicht­be­hin­de­rungen führen (Olaf Dilling).

2021-08-30T18:47:12+02:0030. August 2021|Verkehr|