BGH verhindert Rekom­mu­na­li­sierung des Berliner Gasnetzes

Der Bundes­ge­richtshof hat im Konzes­si­ons­ver­ga­be­ver­fahren der Stadt Berlin mit aktuellem Urteil vom 9. März 2021, Az. KZR 55/19 festge­stellt, dass die Stadt die ausge­schriebene Konzession zum Betrieb des Berliner Gasver­teil­netzes nach deren Auslaufen im Jahr 2013 nicht an eine eigene kommunale Netzge­sell­schaft vergeben darf, sondern das Angebot des bishe­rigen Konzes­si­ons­in­habers (der GASAG AG) auf Abschluss eines Konzes­si­ons­ver­trages annehmen muss.

Zum recht­lichen Hintergrund:

Gemeinden haben Netzbe­treibern ihre öffent­lichen Verkehrswege gem. § 46 EnWG für den Netzbe­trieb zur Versorgung von Letzt­ver­brau­chern im Gemein­de­gebiet diskri­mi­nie­rungsfrei durch Konzes­si­ons­ver­träge zur Verfügung zu stellen. Sie gelten als markt­be­herr­schende Anbieter von Wegenut­zungs­rechten nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Diese Konzes­si­ons­ver­träge, die eine Höchst­laufzeit von 20 Jahren nicht überschreiten dürfen, müssen durch die Gemeinden regel­mäßig in einem trans­pa­renten und diskri­mi­nie­rungs­freien Verfahren ausge­schrieben werden. Diese Verfahren sind häufig Gegen­stand gericht­licher Ausein­an­der­set­zungen, insbe­sondere wenn der bisherige Konzes­si­ons­in­haber im Verga­be­ver­fahren zu unter­liegen droht, denn dann muss er sein Netz gegen angemessene Vergütung dem neuen Konzes­si­ons­in­haber überlassen. Das EnWG verlangt weiter, dass auch eine eigene kommunale Gesell­schaft, die den Netzbe­trieb übernehmen will, als normaler Bieter ohne Bevor­zugung durch die verge­bende Kommune am wettbe­werb­lichen Verga­be­ver­fahren um die Konzession teilnehmen müsse – und dabei natürlich auch unter­liegen kann.

 

Was ist das Besondere?

Anders als in vielen anderen Verfahren hat der BGH vorliegend die grund­le­gende Konzeption des Verfahrens nicht beanstandet. Das hat zur Folge, dass die Stadt Berlin das Verfahren auch nicht aufheben und neu beginnen muss oder kann (um dann eventuell doch noch mit der eigenen Gesell­schaft zum Zuge zu kommen).

Vielmehr kam der BGH zu dem Ergebnis, dass der Zuschlag der GASAG zu erteilen war, weil die konkur­rie­rende kommunale Netzge­sell­schaft ihre wirtschaft­liche Leistungs­fä­higkeit nicht innerhalb der dafür vorge­se­henen Frist nachge­wiesen habe und die GASAG damit als einziger Bieter im Verfahren ein zuläs­si­ger­weise annah­me­fä­higes Angebot vorgelegt hatte. Im April 2019 hatte das Berliner Kammer­ge­richt in zweiter Instanz die Beschwerde der GASAG gegen die Vergabe der Konzession an Berlin Energie noch zurück­ge­wiesen. Durch das Urteil des BGH ist der Versuch einer Rekom­mu­na­li­sierung des Berliner Gasnetzes auf diesem Weg ist damit – für die Dauer der neu zu ertei­lenden Konzession – gescheitert.

(Christian Dümke)

2021-03-15T18:46:45+01:0015. März 2021|Energiepolitik, Gas, Wettbewerbsrecht|

Konzes­si­ons­vergabe: Der BGH sagt ja, aber

2015, vor nunmehr fünf Jahren, vergab die Stadt Leipzig die Konzession für den Betrieb von 22 Leipziger Gasnetzen an die Stadt­werke Leipzig GmbH, eine Tochter der Kommune. Die vormalige Konzes­sio­närin, die Mittel­deutsche Gasver­sorgung GmbH (Mitgas), weigerte sich aber, den Stadt­werken die Netze heraus­zu­geben. Ihr Argument: Der Konzes­si­ons­vertrag zwischen der Stadt und den Stadt­werken sei wegen eines Inter­es­sen­kon­flikts nichtig. Diesen Inter­es­sen­kon­flikt begründete die MITGAS mit der Mitwirkung von Gemein­de­räten an der Verga­be­ent­scheidung, die gleich­zeitig einen Sitz im Aufsichtsrat der Stadt­werke innehatten.

Die erste Instanz, Landge­richt Magdeburg, neigte 2017 der Position der Stadt zu. Die zweite Instanz, das OLG Naumburg, dagegen erklärte im Herbst 2018 den Konzes­si­ons­vertrag wegen eines angeb­lichen Inter­es­sen­kon­flikts für nichtig. Hätte sich dies durch­ge­setzt, wäre es in der Konse­quenz teilweise schwierig geworden, überhaupt Konzes­sionen an Stadt­werke zu vergeben. Schließlich hat die Stadt immer ein – wirtschaft­liches, aber auch ideelles – Interesse an der Konzes­si­ons­vergabe an die lokal veran­kerten Stadt­werke. Hätte dieses Interesse ausge­reicht, eine Inter­es­sen­kol­lision zu bejahen, hätten Gemeinden jeden konzes­sio­nieren können – nur den örtlichen Versorger nicht. Das wäre mit der grund­ge­setzlich verbürgten Selbst­ver­waltung der Gemeinden schlechthin unvereinbar.

Der Bundes­ge­richtshof (BGH) hat nun eine vermit­telnde Position einge­nommen (EnZR 99/18). Die Stadt unter­liegt danach einem Neutra­li­täts­gebot, wenn sie eine Verga­be­ent­scheidung trifft. Gemein­deräte dürfen sich deswegen nicht betei­ligen, wenn sie auch Organ eines Bieters sind, also etwa Aufsichtsrat. Verstöße führen aber nicht zur Nichtigkeit, es sei denn, es sei im Einzelfall nachge­wiesen, das der Inter­es­sen­kon­flikt die Entscheidung beein­flusst hätte. Dies ist Tatfrage, deswegen liegt die Sache nun erneut beim Landge­richt Magdeburg (Miriam Vollmer).

2020-05-08T21:51:01+02:008. Mai 2020|Gas|