Verkehrs­recht: Unzugänglich in der Fußgängerzone?

Vor der Einrichtung von Fußgän­ger­zonen oder verkehrs­be­ru­higten Bereichen befürchten Geschäfts­leute oftmals das Schlimmste. Wie sollen ihre Kunden zu ihnen kommen, wenn sie nicht mit dem Auto vor der Eingangstür parken können? So ging es auch dem Inhaber einer Apotheke in Sachsen-Anhalt. Nach der Erwei­terung einer Fußgän­gerzone war er der Auffassung, dass die Apotheke nun weder für den Liefer­verkehr noch für poten­tielle Kunden zu erreichen sei. Zudem seien die Stell­plätze, die er für seine Mieter eigens hatte einrichten sollen, nun obsolet. Dadurch sei sein Haus quasi enteignet worden. Die Stadt hingegen verwies den Apotheker auf die Möglichkeit, sich Ausnahmen geneh­migen zu lassen. Zudem sei die Apotheke auch durch einen andere für den Verkehr zugelassene Straße ohne weiteres erreichbar.

Den Apotheker überzeugte dies nicht, daher wandte er sich zunächst mit einem Wider­spruch und mangels Erfolg dann mit einer Klage gegen den Bescheid der Gemeinde. Die Gemeinde hatte die Fußgän­gerzone mit einer straßen­recht­lichen Teilein­ziehung einge­richtet. Damit war zugleich die zeitlich begrenzte Ausnahme für den Liefer­verkehr angeordnet worden. Die genaue Festlegung der Liefer­zeiten war in der Widmung der Fußgän­gerzone jedoch der Straßen­ver­kehrs­be­hörde überlassen worden.

Vor dem Verwal­tungs­ge­richt Magdeburg hatte der Kläger daher zunächst Glück. Denn das Gericht war der Auffassung, dass diese Teilein­ziehung wegen der zeitlich nicht genau festge­legten Ausnahme zu unbestimmt sei. Dem wider­sprach das bei der Berufung durch die Beklagte angerufene Oberver­wal­tungs­ge­richt in Stendal.

Zwar müsse der Träger der Straßen­baulast generelle Regelungen über die Benutzung der Straße in der Teilein­zie­hungs­ver­fügung treffen. So etwa im Hinblick auf den Benut­zer­kreis, die Benut­zungsart und den Verkehr. Diese generellen Regelungen dürfen nicht der Straßen­ver­kehrs­be­hörde über die Erteilung von Ausnahmen überlassen werden. Wenn aber lediglich in Einzel­fällen Ausnahmen geboten sind, sei der Verweis auf Ausnah­me­ge­neh­mi­gungen oder Sonder­nut­zungs­er­laub­nisse zulässig.

Die Entscheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts zeigt, dass im Straßen­recht für Kommunen durchaus Spiel­räume bei der Einrichtung von autofreien Zonen bestehen. Was die Bestimmtheit der Teilein­zie­hungs­ver­fü­gungen angeht ist die Aufga­ben­teilung zwischen Trägern der Straßen­baulast und Straßen­ver­kehrs­be­hörden zu beachten (Olaf Dilling).

 

 

2022-01-04T00:31:58+01:004. Januar 2022|Vertrieb|

Straßen­recht vs. Straßenverkehrsrecht

Für viele ist ja unver­ständlich, warum Jura ein eigenes Studi­enfach ist. Menschen mit ganz anderem Arbeits- und Inter­es­sen­schwer­punkt vermuten, dass es um das stupide Auswen­dig­lernen von Gesetzen und Defini­tionen ginge. Die Rechts­praxis dürfte demnach von jedem halbwegs intel­li­genten Abitu­ri­enten nach einer kurzen prakti­schen Ausbildung zu bewäl­tigen sein. Nun, wenn Juristen solche Einschät­zungen hören, verweisen sie gerne auf die tradi­tio­nelle Bestände der Rechts­dog­matik, wie etwa das berühmt-berüch­tigte Abstrak­ti­ons­prinzip. Nach dem bleibt, einfach gesagt, ein Kaufge­gen­stand auch dann zunächst im Eigentum des Käufers bleibt, wenn der zugrunde liegende Vertrag nichtig ist.

Nicht-Juristen erscheint sowas dann als Spitz­fin­digkeit. Ähnlich schwer vermit­telbar wie der Unter­schied zwischen Straßen­recht und Straßen­ver­kehrs­recht. Das Straßen­recht regelt die Widmung einer Straße. Und mit Widmung ist ein öffentlich-recht­licher Hoheitsakt gemeint, durch den eine Sache überhaupt erst zu einer öffent­lichen Sache wird. Bei einer Straße wird beispiels­weise festgelegt, dass sie von der Öffent­lichkeit im Rahmen des sogenannten Gemein­ge­brauchs genutzt werden kann.

Wenn nun Fußgän­gerzone einge­richtet wird, muss die Straße auf der das geschieht, straßen­rechtlich „umgewidmet“ werden. Der Gemein­ge­brauch wird dabei auf den Verkehr durch Fußgänger beschränkt. Es reicht also nicht, Straßen­schilder aufzu­stellen, denn das würde nur das Straßen­ver­kehrs­recht betreffen. Und das Aufstellen von Straßen­schildern hat gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO dem Vermeiden von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung im Verkehr zu dienen. Dagegen können bei der Gestaltung der Benutzung von Straßen durch die Widmung umfassend auch umwelt­po­li­tische oder stadt­pla­ne­rische Überle­gungen einfließen.

So hat dies Anfang des Jahres das Verwal­tungs­ge­richt Hamburg entschieden. Dort wurde im Stadteil Ottensen nämlich im Rahmen eines Verkehrs­ver­suchs eine Fußgän­gerzone ohne vorherige Umwidmung einge­richtet. Zum Nachsehen der Initia­toren, da in den letzten Wochen des mehrmo­na­tigen Versuchs dann noch ein Anwohner mit privaten Parkplätzen ein Strich durch die Rechnung machte. Der Stadt­be­zirksrat hat, durch die Eilent­scheidung des Gerichts belehrt, danach die Umwidmung beschlossen (Olaf Dilling).

 

 

2020-05-20T22:43:44+02:0020. Mai 2020|Verkehr, Verwaltungsrecht|