Wer zahlt für die Klimapolitik – und wann?
Was Klimaschutz angeht, haben es Regierungspolitiker nicht leicht. Denn die Binsenweisheit, dass umsonst nichts zu haben ist, wird hier grade so deutlich wie nie. Dies trotz aller Beteuerungen wie der des Bundeswirtschaftsministers Altmeier, dass „unser Wohlstand“ nicht gefährdet werden dürfe. Es gibt hier nämlich keinen klar vorgezeichneten Weg, der auf Dauer und für alle ein Leben in Sicherheit und Wohlstand verspricht. Dies zeigt nichts deutlicher als die unübersichtlich gewordenen Protestbewegungen:
Auf der einen Seite stehen die Beschäftigten des Braunkohletagebaus, auf der anderen Seite die Bewohner der betroffenen Dörfer und Unternehmen der Solarbranche. Einerseits „Gelbwesten“, andererseits Schüler, die sich Sorgen über ihre Zukunft machen. Letztere inzwischen unterstützt durch Wissenschaftler, die deren Sorgen teilen. Solche offenbar widersprüchlichen Forderungen führen in der Demokratie leicht zu einer politischen Blockade. Typische Symptome sind luftige Versprechungen in alle Richtungen und symbolische Politik, die keinem weh tun soll. Die aber letztlich niemand etwas bringt. Blockade heißt ja nicht, dass niemand etwas zahlen muss, nur eben später. Die Aufgabe einer zukunftsfähigen Politik ist es nun eigentlich, die Blockade zu lösen. Das wäre auch bei verhärteten Fronten durchaus möglich. Sie muss nur wirklich wissen wollen, welche Interessen und Befindlichkeiten bei den Beteiligten jenseits der plakativ vorweg getragenen Slogans im Spiel sind.
Die Agora Energiewende hat das in einem Hintergrundpapier über die Gelbwesten-Proteste gemacht. Dabei werden drei Punkte deutlich:
Erstens ist weiterhin ein Großteil der Franzosen von der Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen überzeugt. Dies gilt zumindest teilweise sogar hinsichtlich der Gelbwesten, deren Fokus sich ohnehin von den anfänglichen Protesten gegen die Diesel- und Benzinpreise hin zu sozialen Forderungen verlagert hat. Im Fokus ihrer Kritik liegt weniger das „Ob“, als das „Wie“ der Klimapolitik.
Zweitens führt nämlich der CO2-Aufschlag auf den Energieverbrauch zu einer Mehrbelastung von Haushalten, insbesondere denjenigen mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Betroffen sind weiterhin Berufspendler und Teile der Landbevölkerung. Dies liegt nicht nur an der regressiven Wirkung, die Verbrauchssteuern für Güter des täglichen Bedarfs haben, sondern auch an einer großzügigen Entlastung vieler Unternehmen und Branchen wie Landwirtschaft und Transportgewerbe. Diese Ausnahmen und Rückvergütungen sind zwar zum Teil nachvollziehbar, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, stehen aber im Widerspruch zum Verursacherprinzip.
Schließlich werden die erhobenen Gelder nicht zweckgebunden für Förderung von Klimaschutzmaßnahmen verwendet. Im Ergebnis sind die entsprechenden Mehreinnahmen unter der Regierung Macron vor allem für die Haushaltskonsolidierung vorgesehen. Besondere sozialpolitische Brisanz bekommt dies vor dem Hintergrund einer Steuer- und Sozialreform, die höhere Einkommensklassen bei der Vermögenssteuer entlastet und niedrigere Einkommensklassen z.B. auch bei der Tabaksteuer weiter belastet hat. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass viele Betroffenen an der umweltpolitischen Motivation der CO2-Besteuerung zweifeln.
Jedenfalls lässt sich aus dem Fall lernen, dass Umwelt- und Energiepolitik vor allem dann keine Akzeptanz findet, wenn ihre sozialen Auswirkungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Das gilt am Ende aber nicht nur für die erwachsenen „Gelbwesten“, die heute nicht die ganze Rechnung zahlen wollen, sondern auch für unsere Kinder und Jugendlichen, die weiterhin in Sicherheit und Wohlstand leben wollen.