Fahrverbot nach der StVO-Reform

Nachdem lange über Fahrverbote bei Geschwin­dig­keits­über­schrei­tungen gestritten wurde, sieht die StVO nach dem schließlich gefundene Kompromiss nur eine Bußgeld­erhöhung vor. Es könnte also der Eindruck entstehen, man könnte sich für Rechts­ver­stöße im Straßen­verkehr mit bloßen Geldstrafen freikaufen.

Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Denn die Möglichkeit, wegen grober oder beharr­licher Pflicht­ver­let­zungen gemäß § 25 Abs. 1 StVO ein Fahrverbot von einem bis drei Monaten auszu­sprechen, besteht weiterhin. Wie ein aktueller Beschluss des Kammer­ge­richts zeigt, reichen mehrere relativ leichte Verstöße aus, um ein Fahrverbot zu rechtfertigen.

In dem betref­fenden Fall hatte der aus Wiesbaden stammende Fahrer eines Mercedes-Benz auf dem Ku’damm fahrend über eine längere Strecke auf seinem Handy geklickt und gewischt. Bereits in den voran­ge­gan­genen 24 Monaten war der Mann mit erheb­lichen Geschwin­dig­keits­ver­stößen aufge­fallen war. Die lagen über 24 km/h über der vorge­schrie­benen Geschwin­digkeit. Daher war neben einem Bußgeld in Höhe von 200 Euro auch ein einmo­na­tiges Fahrverbot verhängt worden.

Dagegen wandte sich der Mann mit einer Rechts­be­schwerde vor dem Kammer­ge­richt. Dies sah die Strafe jedoch als gerecht­fertigt an, da der Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO wegen der gravie­renden Beein­träch­tigung der Fahrleistung den Geschwin­dig­keits­ver­stößen gleich­stehe. Insofern seien die Voraus­set­zungen des § 25  Abs. 1 StVO erfüllt, die eine grobe oder beharr­liche Verletzung von Pflichten des Fahrzeug­führers voraus­setzen (Olaf Dilling).

2021-10-13T20:45:14+02:0020. Mai 2021|Verkehr|

Nochmal zum Dieselfahrverbot

Erinnern Sie sich eigentlich an Sisyphos? Diesen mytho­lo­gi­schen König, dem die Götter aufer­legten, in alle Ewigkeit einen schweren Stein immerzu einen Berg herauf­zu­rollen, und kurz vor dem Gipfel rollt der Fels wieder zu Boden. So ähnlich muss sich die Bundes­re­gierung bei dem Versuch fühlen, Diesel­fahr­verbote in Städten auf Biegen und Brechen zu verhindern. Der letzte Versuch, dies durch eine Änderung des Bundes­im­mis­si­ons­schutz­gesetz (BImSchG) zu bewerk­stel­ligen, nach der Fahrverbote bei einer Grenz­wert­über­schreitung von maximal 10 µg/m3 Luft bei Stick­stoff­dioxid als unver­hält­nis­mäßig (und damit unzulässig) gelten sollte, darf als gescheitert gelten: Nachdem schon mehrere Verwal­tungs­ge­richte (u. a. Berlin, Gelsen­kirchen und Köln) obiter dictum erklärten, die Geset­zes­än­derung ändere nichts an ihrer Rechts­auf­fassung, hat sich mit dem VGH Mannheim auch ein Oberge­richt zu dieser (auch von uns geteilten) Rechts­auf­fassung bekannt.

Was war passiert? Das schwä­bische Reutlingen versucht seit mehreren Jahren, die Einhaltung des Grenz­werts für Stick­oxide von 40 µg zu gewähr­leisten. Dies ist zuletzt zwar wieder nicht gelungen. Aber der neue, vierte Luftrein­hal­teplan soll den Durch­bruch bringen, aller­dings erst 2020, wie Reutlingen zugab. Fahrverbote hielt die Stadt als Beigeladene und das Land als Beklagter aber deswegen nicht für nötig.

Der Blick auf 2020 genügte dem VGH Mannheim aber nicht. Der Zeitraum der Nicht­ein­haltung der Grenz­werte sei so kurz wie möglich zu halten. Ansonsten schrieb der VGH den Reutlingern ins Stammbuch, dass ihre letzte Prognose ja nun auch nicht einge­troffen sei. Außerdem sei die vorge­legte Prognose höchst speku­lativ. Dann kommt das Gericht zur Frage, ob das Fahrverbot – wie das BVerwG  es verlangt – das letzte Mittel darstellt und wendet sich dann ab Rz. 71 der Geset­zes­än­derung zu, nach der bei bis zu 10 µg Überschreitung Fahrverbote im Regelfall unange­messen wären.

Zunächst merkt der Senat an, dass schon der Tatbe­stand der neuen Norm nicht erfüllt ist. Denn in Reutlingen wurde der Grenzwert um mehr als 10 µg überschritten. Entspre­chend klar ist das Urteil des Senats ab Rz. 81: Eine faktische Grenz­wert­erhöhung sei gemein­schafts­rechts­widrig und komme deswegen nicht in Betracht. In der Richt­linie 2008/50/EG über Luftqua­lität und saubere Luft für Europa ist nämlich nicht von 50 µg, sondern von 40 µg die Rede, und zwar laut Art. 13 Abs. 1 ab dem 1. Januar 2010.

Dass die Europäische Kommission die neue Regelung notifi­ziert hat, beein­druckt den VGH auch nicht. Als mitglieds­staat­liches Gericht sei er nämlich aufge­rufen, gemein­schafts­rechts­widrige Normen nicht anzuwenden. In Umsetzung dieses Grund­satzes hat er das Land – und damit auch die Beigeladene – verpflichtet, ein weiteres Mal nachzu­bessern, ohne dass dabei Diesefahr­verbote generell ausge­schlossen sein könnten.

 

2019-06-06T18:09:48+02:006. Juni 2019|Umwelt, Verkehr, Verwaltungsrecht|