Emissi­ons­handel: Zu den Voraus­set­zungen einer Kapazitätsverringerung

Den Regelungen über Kapazi­täts­ver­rin­ge­rungen sowie ganz oder teilweise statt­fin­dende Betriebs­ein­stel­lungen in der laufenden dritten Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handels von 2013 bis 2020 im 4. Abschnitt der Zutei­lungs­ver­ordnung 2020 wird voraus­sichtlich niemand eine Träne nachweinen: Sie gehören zu den kompli­zier­testen Regelungen, die das Emissi­ons­han­dels­recht jemals hervor­ge­bracht hat. So nachvoll­ziehbar die Motivation ist, nach der niemand 2014 zugeteilte Emissi­ons­be­rech­ti­gungen behalten soll, die er z. B. 2019 oder 2020 nicht mehr braucht: Der Mecha­nismus, den die Europäische Kommission vorge­geben hat, ist so komplex, dass es für Anlagen­be­treiber oftmals kaum möglich ist, die Anzahl von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen auch nur grob abzuschätzen, die ihnen nach Verän­de­rungen der Anlage bzw. Verrin­gerung der Anlagen­aus­lastung noch bleiben.

Doch die Regelungen über die Kürzung der Zuteilung nach baulichen Verklei­ne­rungen emissi­ons­han­dels­pflich­tiger Anlagen sind nicht nur schwer zu berechnen.  Auch ihre Anwendung ist umstritten. Eine der strit­tigen Rechts­fragen hat das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin am 5. September 2019 nun immerhin zugunsten der Betrei­ber­seite entschieden (10 K 372.17).

Im zugrunde liegenden Sachverhalt geht es um ein Indus­trie­kraftwerk, das 2014 eine Zuteilung erhalten hat. Im Zutei­lungs­antrag hatte die Betrei­berin – wie alle Anlagen­be­treiber – die „instal­lierte Anfangs­ka­pa­zität“ angegeben. Hinter diesem Begriff verbirgt sich abwei­chend vom üblichen Sprach­ge­brauch der Durch­schnitt der zwei höchsten Monats­pro­duk­ti­ons­mengen in den Kalen­der­mo­naten im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2008, hochge­rechnet auf ein Kalen­derjahr, § 4 Abs. 1 ZuV 2020. Aus dieser Definition folgt, dass die emissi­ons­han­dels­recht­liche „instal­lierte Anfangs­ka­pa­zität“ in aller Regel deutlich niedriger ist als die „echte“ Anlagen­ka­pa­zität, also das recht­liche und technische Können.

2014 baute die Anlagen­be­trei­berin die Anlage um. Ihre technische Kapazität sank deutlich. Die neue technische Kapazität unter­schritt aber dabei nicht die „instal­lierte Anfangs­ka­pa­zität“ nach § 4 Abs. 1 und 4 ZuV 2020. Auch die Auslastung sank nicht, weil die Anlagen­be­trei­berin nur ohnehin nicht genutzte Überka­pa­zi­täten abgebaut hatte.

Die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) kürzte die Anlagen­zu­teilung gleichwohl basierend auf § 19 ZuV 2020 und wies auch den gegen die Kürzung der Zuteilung einge­legten Wider­spruch zurück.

Diese Kürzung der Zuteilung hob das VG Berlin nun auf. Nach Ansicht der Richter liegt keine Kapazi­täts­ver­rin­gerung nach § 2 Nr. 25 ZuV 2020 vor. Die Verklei­nerung der Anlage im techni­schen Sinne könne nämlich schon im Ansatz keine Verrin­gerung der instal­lierten Anfangs­ka­pa­zität auslösen, wenn – wie hier – die neue technische Kapazität immer noch über der instal­lierten Anfangs­ka­pa­zität liegt. Die Behörde durfte deswegen die Zuteilung nicht beschneiden.

Inter­es­santes prozess­recht­liches Detail am Rande: Rein nach deutschem Recht wäre ein solches Klage­be­gehren per Anfech­tungs­klage gegen den Kapazi­täts­ver­rin­ge­rungs­be­scheid zu verfolgen. Weil aber die Europäische Kommission seit 2013 notwen­di­ger­weise mitwirken muss, wenn Zutei­lungen geändert werden (bzw. wie hier eine Änderung rückab­ge­wi­ckelt werden soll), musste das Gericht die DEHSt verpflichten, neu zuzuteilen, und zwar an die Bedingung geknüpft, dass die Kommission dem zustimmt.

Sie fürchten eine Kürzung Ihrer Zuteilung von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen? Sprechen Sie uns gern an, wir prüfen die Rechtslage vorab, begleiten von Anfang an im Verfahren und verfolgen die notwendige Beschleu­nigung.

2019-10-30T23:14:41+01:0030. Oktober 2019|Emissionshandel|

Emissi­ons­handel: Löschung von Zutei­lungs­an­sprüchen am 31.12.2020

Noch ein gutes Jahr, dann neigt sich die laufende dritte Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handels dem Ende zu. Doch bevor die vierte Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handels am 01.01.2021 beginnt, steht für viele Unter­nehmen noch eine Zitter­partie an: Werden die derzeit noch laufenden Wider­spruchs- und Klage­ver­fahren auf Mehrzu­teilung nach dem TEHG und der ZuV 2020 recht­zeitig abgeschlossen?

Dem Abschluss der Rechts­strei­tig­keiten vor dem 31.12.2020 kommt immense Bedeutung zu. Denn mit Urteil vom 26.04.2018 (BVerwG 7 C 20.16) hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) die Rechts­an­sicht der Deutschen Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) bestätigt, nach der zwar Emissi­ons­be­rech­ti­gungen am Ende der zweiten Handel­s­pe­riode nicht ihren Wert verloren, weil sie 2013 in neue Zerti­fikate umgetauscht wurden, aber unerfüllte, streitige Zutei­lungs­an­sprüche ersatzlos erloschen (wir berich­teten). Als Begründung für diese Ungleich­be­handlung von zugeteilten und rechts­widrig nicht zugeteilten Zerti­fi­katen sah das BVerwG insbe­sondere das Fehlen einer Anspruchs­grundlage an. Eine Anspruchs­grundlage für den Umtausch gebe es eben nur für Zerti­fikate, nicht für unerfüllte Zerti­fi­kat­an­sprüche. Außerdem sei dies in der Regis­ter­ver­ordnung EU-RegVO 920/2010 nicht vorgesehen.

Zwar hat der Rechts­rahmen sich seither geändert. Nunmehr werden Zerti­fikate nicht mehr zum Ende einer Handel­s­pe­riode umgetauscht, sondern alle seit 2013 ausge­ge­benen Berech­ti­gungen sind von vornherein unbegrenzt gültig, § 7 Abs. 2 S. 1 TEHG. Aller­dings gibt es nach wie vor keine Regelung, die eine solche unbegrenzte Gültigkeit auch für die unerfüllten Zutei­lungs­an­sprüche anordnen würde. Damit besteht ein hohes Risiko, dass die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) auch beim Übergang von der laufenden in die nächste Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handels von einem Untergang der Zutei­lungs­an­sprüche ausgeht.

Für die Praxis bedeutet das: Alle laufenden Strei­tig­keiten sind spätestens jetzt bis aufs Äußerste zu beschleu­nigen. Verwal­tungs­pro­zesse dauern durch­schnittlich mehr als 20 Monate. Und da die Zeit der DEHSt in die Hände spielt, ist anzunehmen, dass die Behörde schon in der Hoffnung auf eine Erledigung von Mehrzu­tei­lungs­klagen durch Zeitablauf den Instan­zenzug voll beschreitet. Wider­spruchs­führer sollten die Möglichkeit von Untätig­keits­klagen prüfen. Kläger auf schnelle Termi­nie­rungen hinwirken. Zu bedenken ist dabei stets: Es gibt zwar die Möglichkeit von Eilver­fahren. Im hochkom­plexen Emissi­ons­handel braucht aber selbst ein Eilver­fahren seine Zeit. Dies gilt besonders, wenn (wie fast immer im Emissi­ons­handel) auch gemein­schafts­recht­liche Fragen berührt werden.

Sie haben ein laufendes Verfahren und möchten dieses beschleu­nigen? Bitte melden Sie sich per E‑Mail oder telefo­nisch an 030 403 643 62 0. 

 

2019-10-25T15:47:27+02:0025. Oktober 2019|Allgemein, Emissionshandel, Industrie, Strom, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Evalu­ie­rungs­be­richt zum CCS-Gesetz

Erinnern Sie sich noch? Mit großem Tamtam erließ die europäische Union 2009 eine Richt­linie für die geolo­gische Speicherung von CO2, „CCS“. Bei dieser Techno­logie wird Kohlen­dioxid, das ansonsten in die Atmosphäre gelangen würde, abgeschieden, verpresst und in flüssiger Form in den Unter­grund einge­leitet und dort (hoffentlich) dauerhaft gespei­chert. Die Techno­logie ist, gelinde gesagt, umstritten, weil viele (wie etwa das Büro für Technik­fol­gen­ab­schätzung des Bundes­tages) fürchten, dass das Grund­wasser leidet, es zu erdbe­ben­ar­tigen Eruptionen kommt, und CO2 zudem auch wieder austritt. Es gibt aber auch seriöse Forschungen, wonach CCS eine sichere Möglichkeit darstellt, ohne abrupten Kohle­aus­stieg Wirtschafts­wachstum und Klima­schutz zu vereinen.

Parallel zur EU bemühte sich auch die Bundes­re­publik um eine Grundlage für CCS. Doch ein erster Entwurf 2009 schei­terte am Wider­stand der Bevöl­kerung und einer geschlos­senen Phalanx der Umwelt­ver­bände. 2012 erst wurde dann das heutige CCS-Gesetz dann verab­schiedet. Anders als der Ursprungs­entwurf ist die Speicher­menge begrenzt, es gibt eine inzwi­schen abgelaufene Antrags­frist für Projekte, und das Gesetz enthält eine Länder­klausel, wonach Bundes­länder CCS in bestimmten Gebieten für zulässig bzw. unzulässig erklären können.

Die Unpopu­la­rität der Techno­logie führte dazu, dass flugs die Länder Schleswig-Holstein, Nieder­sachsen und Mecklenburg-Vorpommern von der Länder­klausel Gebrauch machten und CCS für ihr Landes­gebiet vollständig ausge­schlossen. Bremen schloss sich an. Brandenburg, tradi­tionell für den Braun­koh­le­bergbau und seine Folgen offener, will erst dann CO2 speichern, wenn das überall in Deutschland möglich ist. Verständlich: Wer will schon das CO2 der ganzen Republik speichern, weil sonst niemand mitzieht.

Nun liegt mit Datum vom 21.12.2018 die Vorab­fassung des Evalu­ie­rungs­be­richts der Bundes­re­gierung über das Gesetz und Erfah­rungen mit der CCS-Techno­logie auf dem Tisch. Angesichts des Umstandes, dass es bisher kein deutsches großtech­ni­sches Projekt gibt, fällt der Bericht mit über 50 Seiten überra­schend umfang­reich aus. Er enthält aber nicht nur eine Zusam­men­fassung des derzei­tigen Standes der Technik und wissen­schaft­licher Erkennt­nisse über die Techno­logie und ihre Auswir­kungen. Sondern auch eine Zusam­men­fassung der derzeit großen laufenden Projekte in aller Welt. Denn CCS mag in Deutschland zumindest auf der Basis des derzei­tigen Gesetzes faktisch tot sein. Weltweit sieht das anders aus. Aktuell existieren 18 größere Projekte, die meisten davon in den USA.

Doch auch der gegenüber CCS grund­sätzlich eher positiv gestimmte Evalu­ie­rungs­be­richt kommt zu dem Schluss, dass trotz der steigenden Zerti­fi­kats­preise für Emissi­ons­be­rech­ti­gungen erste europäische Projekte auf absehbare Zeit keine Renta­bi­lität erwarten lassen. Möglich wäre dies wohl nur, wenn öffent­liche Gelder dazukommen, zum Beispiel aus dem Innova­ti­on­fonds des Emissionshandel.

Auch vor diesem Hinter­grund sieht die Bundes­re­gierung derzeit keine Chance für CCS in Deutschland und damit auch keine Notwen­digkeit, dass CCS-Gesetz so zu ändern, dass Raum für künftige Projekte bestünde. Inter­essant ist, dass der Evalu­ierung sich aber nicht auf die Speicherung im Unter­grund beschränkt, sondern auch auf die Möglichkeit der Nutzung von Kohlen­dioxid als Rohstoff hinweist. Diese Techno­logien fasst man mit dem Begriff CCU zusammen. Dies mag in Hinblick auf techno­lo­gische Lösungen des Klima­wandels optimis­tisch stimmen: Es wird wohl so schnell keine Lagerung von CO2 unter unseren Füßen geben. Aber die Möglich­keiten, CO2 als Ressourcen zu nutzen, werden weiter erforscht und können mögli­cher­weise eines Tages ihren Beitrag leisten.

2019-01-16T08:47:30+01:0016. Januar 2019|Emissionshandel, Energiepolitik, Industrie, Strom|