Europa­recht: Verbrannte Erde im Dreilän­dereck bei Turów

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat Post aus Prag bekommen: Es geht um den bisher eher seltenen Fall einer Staaten­klage im europäi­schen Umwelt­recht. Denn Polen möchte den ohnehin sehr großen Braun­koh­le­ta­gebau bei Turów weiter vergrößern und vertiefen. Das Problem dabei: Der schle­sische Tagebau mit einer Größe von ca. 50 Quadrat­metern befindet sich im Dreilän­dereck bei Zittau auf einem schmalen Streifen zwischen Deutschland und der tsche­chi­schen Republik. Der Streifen ist etwa 20 km lang und an der schmalsten Stelle nur 4 km breit. Der Tagebau grenzt zwei Kilometer nordöstlich von Zittau direkt an die Neiße. Im Süden ist die tsche­chische Grenze mit Siedlungen ebenfalls nur ein paar hundert Meter entfernt.

Turow

Der tsche­chische Umwelt­mi­nister Richard Brabec befürchtet negative Auswir­kungen auf den Grund­was­ser­haushalt und Staubim­mis­sionen und wird mit der Aussage zitiert, dass der weitere Betrieb „unsere Bürger, unser Wasser und unsere Natur“ gefährdet. Bisherige Verhand­lungen mit der polni­schen Regierung blieben ohne Erfolg. Daher der eher ungewöhn­liche Schritt Tschechiens.

Von Tsche­chien werden Verstöße gegen die Richt­linie über die Umwelt­ver­träg­lich­keits­prüfung (UVP) geltend gemacht. Denn wie sich unter anderem auch aus dem UNECE-Überein­kommen betreffend Schutz und Nutzung von grenz­über­schrei­tenden Wasser­läufen ergibt, ist das Verfahren der Umwelt­ver­träg­lich­keits­prüfung nach Artikel 7 der UVP-RL grenz­über­schreitend anzulegen, wenn ein Projekt erheb­liche Auswir­kungen auf die Umwelt eines anderen Mitglied­staats haben könnte. Die tsche­chische Republik sieht sich außerdem in Rechten auf Infor­mation und Betei­ligung der Öffent­lichkeit verletzt, die sich aus der Aarhus-Konvention ergeben.

Dabei geht es in dem Verfahren um sehr konkret greifbare Beein­träch­ti­gungen mit lokaler Auswirkung. Die Tatsache, dass Polen – wie im September letzten Jahres beschlossen – erst 2049 aus der Kohle aussteigen will und bis dahin noch viel CO2 in die Atmosphäre entlassen wird, ist noch gar nicht berücksichtigt.

Deutschland hat sich bisher nicht mit der tsche­chi­schen Republik am Verfahren beteiligt, obwohl die Auswir­kungen des Tagebaus auch in Sachsen zu spüren sein werden. Mögli­cher­weise verhindern dies die eigenen Inter­essen am Braun­koh­le­ta­gebau im grenz­nahen Gebieten der Lausitz (Olaf Dilling).

2021-03-12T13:50:03+01:0012. März 2021|Energiepolitik, Umwelt|

Buy now, pay later?“ Landwirt­schaft und Trinkwasser

Über der ganzen Aufregung um Diesel und Luftver­schmutzung ist ein bisschen unter­ge­gangen, dass es um Gülle, Glyphosat und Grund­wasser ganz ähnlich steht: Auch hier geht‘s um strenge EU-Standards, die von Deutschland zum Teil verletzt werden. Es geht um Bürger, die für unser aller Gesundheit einen hohen Preis zahlen. Und es geht nicht zuletzt um kleine schlag­kräftige Umwelt­ver­bände, die eine Branche mit starker Lobby in Bedrängnis bringen. Erst vor wenigen Monaten wurde Deutschland wegen der Nitra­t­richt­linie vor dem Europäi­schen Gerichtshof verklagt. Zwischen­zeitlich, nämlich 2017, war das deutsche Dünge­recht refor­miert worden. Vielleicht deshalb hat die Entscheidung nur mäßig Wellen geschlagen, obwohl die Proble­matik eigentlich für jeden Haushalt mit Wasser­an­schluss relevant sein sollte.

Offenbar gibt es wenig Grund zur Entwarnung. So lag die Belastung des Grund­wassers an fast einem Fünftel der Messstellen in Deutschland im letzten Nitrat­be­richt über dem gesetz­lichen Grenzwert. In Gebieten mit vielen landwirt­schaft­lichen Nutzungen im Einzugs­gebiet waren es sogar 28%. Dabei gibt es deutliche lokale Schwer­punkte, vor allem im Nordwesten, im Einzugs­gebiet von Elbe, Weser und Ems. Hier ist die Viehdichte besonders hoch. Aller­dings haben auch Feldfrüchte wie Mais oder Gemüse wie Spargel oder Salat einen hohen Nährstoff­bedarf. Das Gemüse wird meist noch kurz vor der Ernte stark gedüngt.

Dass die Reform des Dünge­rechts von 2017 hier eine deutliche Kehrt­wende bewirkt und die EU-Grenz­werte in Zukunft einge­halten werden, wird von Rechts- und Agrar­ex­perten und nicht zuletzt dem Branchen­verband der Gas- und Wasser­wirt­schaft DVGW bezweifelt. Die Deutsche Umwelt­hilfe, bekannt aus den zahlreichen Diesel­ver­bots­ver­fahren, hat Mitte Juli auch prompt eine verwal­tungs­ge­richt­liche Klage dagegen einge­reicht. Ob die Nitrat­be­lastung tatsächlich reduziert wird, hängt letztlich nicht nur von der EU-Konfor­mität der Regelungen, sondern auch von ihrer Umsetzung ab. Skeptisch stimmt, dass sie viele Ausnah­me­mög­lich­keiten aufweisen und schon in der Vergan­genheit oft nicht ausrei­chend kontrol­liert wurden. Ohnehin werden Änderungen bei der Bewirt­schaftung der Böden erst mit einiger Verzö­gerung im Grund­was­ser­körper ankommen. Darunter leidet nicht nur die ökolo­gische Qualität der Gewässer. Gerade für Säuglinge kann Nitrat eine Gefahr darstellen, da es in ihrem Magen zu giftigem Nitrit umgewandelt werden kann.

Dennoch ist die Gesundheit der Bürger durch die Nitrat­be­lastung des Grund­wassers bislang nicht wirklich in Gefahr. Dafür sorgt derselbe Grenzwert wie für Grund­wasser (50mg Nitrat pro Liter Wasser), der beim Trink­wasser bislang aber viel besser einge­halten werden kann. Das liegt zum einen daran, dass die Brunnen zur Gewinnung von Trink­wasser viel tiefer gebohrt wurden als die Messstellen für das Grund­wasser, so dass die Schad­stoffe entspre­chend später ankommen. Außerdem garan­tieren beim Trink­wasser die Qualität nicht die Landwirte, sondern die Wasser­ver­sorger: Unter Umständen müssen tiefere Brunnen gebohrt werden oder muss belas­tetes mit weniger belas­tetem Trink­wasser gemischt werden. Wenn das nicht hilft, könnte der Nitrat­gehalt auch durch aufwändige technische Methoden unter das vorge­schriebene Maß reduziert werden.

So weit die technische Seite – aber wie sollte eigentlich rechtlich mit dem Problem der Grund­was­ser­be­lastung durch Landwirt­schaft umgegangen werden? Einen Einblick in den aktuellen Stand gibt ein Fall aus dem Südwesten, bei dem es nicht um Dünge­mittel, sondern um Pestizide geht: Der baden-württem­ber­gische Agrar­mi­nister Peter Hauk hatte zunächst auf einer Presse­kon­ferenz behauptet, dass es die Bevöl­kerung nichts angehe, welche Mengen Herbizide, Fungizide oder Insek­tizide die Landwirte, Obstbauern oder Winzer ausbringen. Später hat er seine Äußerung auf die erwartbar empörte Reaktion dann zwar zurück­ge­nommen. Aller­dings wollte er der Landes­was­ser­ver­sorgung Baden-Württemberg dennoch nicht die genauen Mengen der in Wasser­schutz­ge­bieten einge­setzten Pestizide mitteilen. Eigentlich dürfte das möglich sein, da die Daten von den Landwirten ohnehin für Kontrollen vorge­halten werden müssen. Aber ist die Agrar­ver­waltung auch zur Herausgabe der Daten verpflichtet? Der kommunale Zweck­verband hat deswegen im Oktober vor den Verwal­tungs­ge­richten Sigma­ringen und Stuttgart Klage einge­reicht. Er begründet diesen Schritt mit dem Erfor­dernis, sich auf die Belas­tungen recht­zeitig einstellen zu können.

Aus unserer Sicht wäre eine Auskunfts­pflicht zumindest schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Aber reicht das auch? Mit dem Aufwand der Trink­was­ser­ver­sorgung werden die Wasser­ge­bühren in Zukunft weiter steigen. Und dass diese Kosten letztlich die Verbraucher zahlen müssen, ist eigentlich nicht einzu­sehen. Vielmehr sollte bei der Verur­sa­chung angesetzt werden. Dafür ist noch einiges an Umdenken erfor­derlich. Denn so sehr wir jedem und jeder ihr Schnitzel und ihren Spargel auf dem Teller gönnen: Soll der volle Preis dafür wirklich erst einige Jahre später über die Wasser­rechnung bezahlt werden? Nicht nur die sprich­wört­liche schwä­bische Hausfrau dürfte das anders sehen.

2018-11-22T07:52:40+01:0022. November 2018|Allgemein, Umwelt|