BVerwG entscheidet zum Prioritätsprinzip

Wenn das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Münster gedacht hatte, mit dem Stein­koh­le­kraftwerk Lünen der Trianel endlich fertig zu sein, so hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) es nunmehr am 15.05.2019 eines Besseren belehrt (BVerwG 7 C 27/17):

In Lünen wendet sich der BUND gegen den immis­si­ons­schutz­recht­lichen Vorbe­scheid und zwei Teilge­neh­mi­gungen für das Kraftwerk, das schon seit 2013 läuft. In dem gericht­lichen Verfahren, dass das OVG Münster im Juni 2016 mit Abwei­sungs­urteil entschieden hatte, ging es um die kritische Frage, auf welchen Zeitraum bei der Beurteilung der Auswir­kungen auf Natura-2000-Gebiete abzustellen war: Kommt es auf den Tag an, an dem ein prüffä­higer Geneh­mi­gungs­antrag auf dem Tisch liegt? So sah es das OVG Münster. Oder werden Emissionen mitge­zählt, die aus später beantragten, aber zwischen­zeitlich geneh­migten anderen Projekten resultieren? 

Für diesen, weitaus späteren Zeitpunkt hat sich das BVerwG entschieden. Allein auf den Zeitpunkt der Einrei­chung eines Geneh­mi­gungs­an­trags abzustellen, verstößt nach Ansicht des BVerwG nämlich gegen Gemein­schafts­recht. Deswegen muss das OVG Münster nochmal ran: Bei seiner erneuten Befassung muss es die Belastung von Stick­stoff­ein­trägen durch einen nach Ansicht des BVerwG richti­ger­weise einzu­be­zie­henden Kupfer­re­cy­cling­be­trieb berück­sich­tigen. Für diese Berück­sich­tigung hat das höchste deutsche Verwal­tungs­ge­richt dem OVG Münster zudem recht detail­lierte Vorgaben gemacht.

Für Vorha­ben­träger ist das keine gute Nachricht. Denn oft hat es ein Vorha­ben­träger nicht in der Hand, wann sein prüffä­higer Antrag beschieden wird. Besonders bei kontro­versen, komplexen Anlagen dauert das Geneh­mi­gungs­ver­fahren oft besonders lange. Das kann dem Vorha­ben­träger nach der Entscheidung vom 15.05.2019 auch dann auf die Füße fallen, wenn es nicht an ihm lag, dass ihn im Geneh­mi­gungs­ver­fahren andere Anlagen­be­treiber „überholt“ haben.

2019-05-17T16:57:30+02:0017. Mai 2019|Naturschutz, Strom, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Erneut: Umwelt­in­for­ma­tionen vorm BVerwG

Erinnern Sie sich noch an Stuttgart 21? Vor den Stürmen, die die Republik heute erschüttern, stritten Stutt­garter Bürger engagiert gegen die Baumfäl­lungen im Stutt­garter Schloss­garten in Vorbe­reitung des geplanten Bahnhofs­neubaus. Im Zuge dieser Ausein­an­der­set­zungen ging es nicht nur um die Frage, ob die baden-württem­ber­gische Polizei es bei ihren Einsätzen mit dem Engagement etwas übertrieben hat. Sondern auch um die Frage, ob den aufge­brachten Bürgern Zugang zu Unter­lagen in Zusam­menhang mit den Baumfäl­lungen zusteht. Zum einen machten Bürger Ansprüche auf regie­rungs­in­terne Infor­ma­tionen in Hinblick auf den Unter­su­chungs­aus­schuss zum Polizei­einsatz am 30.09.2010 geltend, verlangten zum anderen Unter­lagen zur Kommu­ni­ka­ti­ons­stra­tegie der Deutschen Bahn, die sich beim Staats­mi­nis­terium Baden-Württemberg befanden, und drittens einen beamten­recht­lichen Vermerk über eine öffent­liche Äußerung eines Polizisten.

Die verwal­tungs­recht­lichen Mühlen mahlen langsam. Erst am 08.05.2019 fällte das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) in nunmehr dritter Instanz eine Entscheidung. Zuvor hatte der Verwal­tungs­ge­richtshof Mannheim 2017 sich mit der Sache beschäftigt. 

Den beamten­recht­lichen Vermerk versagte das BVerwG den Klägern. Hinter­grund: Das Umwelt­ver­wal­tungs­gesetz (UVwG) gewährt (wie auch das UIG des Bundes) nur den Zugang zu Umwelt­in­for­ma­tionen. Ein beamten­recht­licher Vermerk sei aber keine Umwelt­in­for­mation. Anders sieht es aber bei den Unter­lagen der Deutschen Bahn AG aus. Zwar erlaubt das Gesetz es, die Herausgabe von Betriebs-oder Geschäfts­ge­heim­nissen zu verweigern. Dieses Verwei­ge­rungs­recht der öffent­lichen Hand existiert aber nicht absolut. Wenn das öffent­liche Interesse an einer Bekanntgabe überwiegt, muss auch ein solches Geheimnis zugänglich gemacht werden. So sah das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt den Fall hier: Das öffent­liche Infor­ma­ti­ons­in­teresse wiege schwerer. Das Land und auch die beigeladene DB AG hatten das anders gesehen. 

In Hinblick auf den dritten geltend gemachten Infor­ma­ti­ons­an­spruch sah das BVerwG sich nicht in der Lage zu entscheiden. Die Kläger wollen hier Zugang zu den internen Infor­ma­tionen für die Spitzen des Staats­mi­nis­te­riums über den Unter­su­chungs­aus­schuss zu den damaligen Vorfällen. Der Verwal­tungs­ge­richtshof hatte noch angenommen, dass auch an sich geschützte interne Unter­lagen nach Abschluss des behörd­lichen Entschei­dungs­pro­zesses heraus­ge­geben werden müssten. Dies entnahm die zweite Instanz eine richt­li­ni­en­kon­formen Auslegung. Raum für eine solche Auslegung sah das BVerwG nun offenbar nicht: Hier bedürfe es einer Vorab­ent­scheidung durch den Europäi­schen Gerichtshof (EuGH) zum sachlichen und zeitlichen Schutz interner Mitteilungen. 

Das bedeutet, dass zum gegen­wär­tigen Zeitpunkt in Hinblick auf diesen Teil der verlangten Infor­ma­tionen noch keine Entscheidung ergehen kann. Sondern – neben dem Urteil zu den beiden anderen Punkten – nur ein das Verfahren noch nicht beendender Beschluss. Mit diesem Beschluss fragt das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt die Richter in Luxemburg, was und wie lange als interne Mitteilung von den europa­rechtlich gebotenen Infor­ma­ti­ons­an­sprüchen ausge­nommen ist. 

Bis der Komplex Stuttgart 21 auch in dieser Hinsicht abgeschlossen sein wird, wird es also noch einige Zeit dauern, denn der EuGH ist nicht für seine Schnel­ligkeit bekannt.

2019-05-09T15:45:27+02:009. Mai 2019|Umwelt, Verwaltungsrecht|

Verschleppt, gelöscht: Emissi­ons­be­rech­ti­gungen am Ende der 2. HP

Das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) hat sich Zeit gelassen: Am 26. April 2018 hat das höchste deutsche Verwal­tungs­ge­richt die Revision eines Anlagen­be­treibers zurück­ge­wiesen, der zuvor schon vor Verwal­tungs­ge­richt und Oberver­wal­tungs­ge­richt erfolglos einen Mehrzu­tei­lungs­an­spruch bezogen auf Emissi­ons­be­rech­ti­gungen geltend gemacht hat. Erst jetzt liegen die Gründe vor.

Materiell ging es um eine sicherlich nur für wenige Unter­nehmen relevante Frage der richtigen Bench­mark­be­stimmung. Was den Fall aber inter­essant für viele machte: Während des laufenden Verfahrens endete die 2. Handel­s­pe­riode. Die Zerti­fikate der zweiten Handel­s­pe­riode wurden umgetauscht. Wer gestern noch Berech­ti­gungen der zweiten Handel­s­pe­riode hatte, fand heute also solche der dritten Handel­s­pe­riode vor. Das musste doch auch für unerfüllte Zutei­lungs­an­sprüche gelten. Oder?

Wer den Emissi­ons­handel schon länger verfolgt, erinnert sich. Recht kurzfristig vor dem Ende platzte die Bombe: Die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) ging vom Erlöschen der ungeklärten Zutei­lungs­an­sprüche aus, die noch bei Gericht oder gar bei der Behörde lagen. Für viele Betreiber war das ein Schock. Sie hatten – oft gegen die Kürzung der Zuteilung zu Verstei­ge­rungs­zwecken – Wider­spruch eingelegt, der lange bei der DEHSt lag. Sie hatten geklagt, nachdem endlich Wider­spruchs­be­scheide vorlagen. Jahre waren vergangen, während einige Muster­ver­fahren sehr langsam von den Gerichten abgear­beitet wurden. Nicht zuletzt, weil die Behörde sich Zeit gelassen hatte. Und nun sollte der Behörde ihre zöger­liche Abarbeitung den Sieg vor Gericht eintragen?

Doch die Gerichte – auch das BVerwG – bestä­tigten die Ansicht der DEHSt. Dass schon zugeteilte Berech­ti­gungen umgetauscht werden, weist in den Augen der Richter nicht darauf hin, dass das auch für unerfüllte Zutei­lungs­an­sprüche gelten sollte. Es handele sich auch beim Anspruch nicht um ein wesens­gleiches Minus zur Berech­tigung selbst. Auch eine Analogie sah das Gericht nicht, weil es keine Regelungs­lücke erkannte. Das sei auch nicht verfas­sungs­widrig, insbe­sondere sei der Untergang notwendig, weil für die Funkti­ons­fä­higkeit und Wirksamkeit des Emissi­ons­han­dels­systems ein bilan­zi­eller Abschluss nötig sei. Das sei auch nicht proble­ma­tisch, weil es die Klägerin auf den – nur summa­ri­schen, also nicht genauso gründ­lichen – Eilrechts­schutz verwiesen hätte, und auch nicht unionsrechtswidrig.

Für die Anlagen­be­treiber ist dies bedau­erlich. Viele hatten sich mit guten Argumenten auf einen Rechts­streit einge­lassen und erleben es als ausge­sprochen ärgerlich, dass es der Behörde gelungen war, allein durch Zuwarten den Anspruchs­un­tergang auszulösen.

2019-10-25T15:45:43+02:005. September 2018|Allgemein, Emissionshandel|