Wer zu spät kommt …

Vielleicht erinnern Sie sich an das Verfahren „Westum­fahrung Halle“: Damals hatte der Natur­schutzbund (Nabu) gegen den Planfest­stel­lungs­be­schluss für einen Autobahnbau im Unteren Saaletal von 2006 geklagt und 2007 gewonnen. Das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) stellte damals Verstöße gegen die FFH-Richt­linie fest, das europäische Regelwerk über den Natur­schutz. Doch aufge­schoben ist nicht aufge­hoben. Der Träger schuf zwischen­zeitlich neue Grund­lagen für den Bau in Form eines Planän­de­rungs­be­schlusses. Gegen diesen geht der Nabu nicht weiter vor.

Diese Entscheidung des Nabu führte dazu, dass ein anderer Kläger gegen den ursprüng­lichen Planfest­stel­lungs­be­schluss aktiv wurde. Er hatte seinerzeit geklagt, aber damals keinen Eilantrag gestellt. Für die Nicht­ju­risten: Anders, als viele meinen, ist ein Eilantrag keine besonders schnelle Klage. Sondern ein Antrag, der meistens parallel zur eigent­lichen Klage gestellt wird und auf eine vorläufige Regelung bis zum Erlass des endgül­tigen Urteils abzielt.

Bis zum Erlass des Planän­de­rungs­be­schlusses ruhte seine Klage, blieb also anhängig, wurde aber nicht betrieben. Das war sinnvoll, solange der Nabu die Überprüfung des Verfahrens betrieb, aber als klar war, dass der Nabu nicht weiter gegen das Projekt vorgehen würde, weckte er seine Klage quasi wieder aus dem Tiefschlaf, trug vor und stellte insbe­sondere einen Eilantrag, um zu erreichen, dass die nach dem Bauab­laufplan bis zur voraus­sicht­lichen Entscheidung über die Haupt­sa­che­klage in 2019 vorge­se­henen Maßnahmen – darunter Bohrungen auf dem kläge­ri­schen Grund­stück – nicht statt­finden sollten. Doch diesen Eilantrag hat das BVerwG nun mit Datum vom 05.07.2018 abgewiesen.

Dieser Beschluss beinhaltet ausdrücklich keine Aussage über die Recht­mä­ßigkeit des Planän­de­rungs­be­schlusses. Vielmehr erging er aus formellen Gründen: Für Eilan­träge gilt eine Monats­frist. Unbestritten hat der Kläger 2005 keinen Eilantrag gestellt. Damit kann er – so die Leipziger Richter – heute nur noch zu solchen Maßnahmen eine vorläufige Regelung anstreben, die nicht mit dem alten Planfest­stel­lungs­be­schluss aus 2005 verbunden sind. Denn in Hinblick auf diesen ist die Frist ja seit Jahren abgelaufen. Ein Eilantrag wäre nur noch wegen neuer Belas­tungen aus dem Planän­de­rungs­be­schluss aus 2018 möglich. Da die Bohrungen, gegen die der Kläger sich nun wehrt, aber schon im alten Beschluss vorge­sehen waren, kamen die Richter in diesem Punkt gar nicht mehr zu der Frage, wie es mit der Recht­mä­ßigkeit aussieht. In Hinblick auf weitere Maßnahmen, gegen die sich der Eilantrag außerdem richtete, sah das Gericht das Vollzugs­in­teresse als überwiegend gegenüber dem Interesse des Klägers an einem Aufschub an, u. a. wegen der steigenden Baukosten, die mit einer weiteren Verzö­gerung verbunden wären.

Was resul­tiert hieraus für die Praxis? Eigentlich nichts, als was gesunder Menschen­ver­stand und Alltags­er­fahrung schon immer wussten: Am Ende kann man sich nicht darauf verlassen, dass andere für einen die Kastanien aus dem Feuer holen. Wer nicht selbst kämpft (bzw. gleich Eilan­träge stellt) muss damit rechnen, dass diese Zöger­lichkeit ihm später zum Nachteil gereicht.

2018-07-18T10:27:08+02:0018. Juli 2018|Umwelt, Verwaltungsrecht|

Moorburg und kein Ende

Die Geneh­mi­gungs­ge­schichte des Stein­koh­le­kraft­werks Moorburg in Hamburg ist inzwi­schen fast so lang wie die Bibel und mindestens ebenso kompli­ziert: 2004 geplant. Ab 2007 wurde gebaut. 2012 sollte der mit Stein­kohle betriebene Doppel­block in Betrieb gehen. 2013 wurde erstmals gezündet. 2015 fand schließlich die Inbetrieb­nahme statt.

Zwar ist die Immis­si­ons­schutz­ge­neh­migung der Anlage bestands­kräftig. Dafür ist die wasser­recht­liche Geneh­migung heiß umstritten: Betreiber Vattenfall ist davon überzeugt, dass die beantragte Durch­lauf­kühlung mit Elbwasser allen gesetz­lichen Vorgaben entspricht. Der BUND dagegen sieht einen Verstoß gegen die Flora-Fauna-Habita­t­richt­linie. Geschützte Fisch­arten würden Schaden nehmen. Vattenfall dagegen meint, dass vor allem die vom schwe­di­schen Staats­konzern finan­zierte Fisch­treppe den befürch­teten Fisch­exitus wirksam verhindern würde.

Schon der Ausgangs­be­scheid schrieb Rechts­ge­schichte: Er landete nämlich nicht nur bei den deutschen Verwal­tungs­ge­richten. Sondern auch bei einem inter­na­tio­nalen Schieds­ge­richt in Washington. Dieses Verfahren endete erst 2011 mit einem Schieds­spruch als Vergleich.

2015 schloss sich die Europäische Kommission den Sorgen der Natur­schützer an und leitete ein Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren gegen die Bundes­re­publik Deutschland ein. Dieses mündete in ein Gerichts­ver­fahren, in dessen Zuge der EuGH feststellte, dass die wasser­recht­liche Geneh­migung mangels hinrei­chender Prüfung der Verein­barkeit des Vorhabens mit der Flora-Fauna-Habitat-Richt­linie gemein­schafts­rechts­widrig sei. 

Dieses Urteil wiederum bewog die Hamburger Behörden 2017, Vattenfall nur noch die Kreis­lauf­kühlung, nicht mehr die Durch­lauf­kühlung zu erlauben. Dies ist für den Betreiber aber weitaus weniger vorteilhaft: Der Eigen­ver­brauch steigt. Damit steigen auch die Kosten. Gleich­zeitig – mehr Kohle bedingt mehr CO2 – steigen die Emissionen.

Parallel zu diesem Vorgehen lief eine ebenfalls vom BUND betriebene Klage. Auf die Klage des BUND war bereits 2013 durch das OVG die Durch­lauf­kühlung untersagt wurden. Vattenfall war aller­dings hiergegen vorge­gangen, weswegen die Durch­lauf­kühlung bis 2017 zulässig blieb. Wegen der laufenden EuGH-Verfahren hatte das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) die Verfahren überdies zurückgestellt.

Nun erst, also im Frühling 2018, beendete das BVerwG das Verfahren und gab Vattenfall recht. Zwar darf Vattenfall nun immer noch nicht durch­lauf­kühlen. Aber das OVG muss sich noch einmal mit der Sachlage vor Ort beschäf­tigen. Vattenfall muss also noch einmal nachlegen. Rechts­si­cherheit gibt es also nach wie vor nicht.

Und mögli­cher­weise steht am Ende der langen Geschichte des Hamburger Kohle­kraft­werks ganz wie bei der Bibel eine Art Apoka­lypse in Gestalt des Kohleausstiegs.

2018-06-04T08:51:53+02:004. Juni 2018|Strom, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Von Leipzig nach Hamburg und vielleicht noch weiter

Nun liegen sie also endlich auf dem Tisch, die Begrün­dungen der durch die Deutsche Umwelt­hilfe (DUH) erstrit­tenen Urteile des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG) zu Fahrver­boten für ältere Diesel­fahr­zeuge in den stark belas­teten Großstädten Düsseldorf und Stuttgart. Wie von vielen Autofahrern befürchtet (hier mehr zu recht­lichen Hinter­gründen), sieht das höchste deutsche Verwal­tungs­ge­richt Fahrverbote als zulässig an, wenn die Grenz­werte für Stick­oxide und Feinstaub in den betrof­fenen urbanen Ballungs­räumen ohne eine solche drastische Maßnahme einfach nicht einzu­halten sind. Anders als die beklagten Bundes­länder halten die Richter eine blaue Plakette oder eigens für Diesel­fahr­verbote vorge­sehene Straßen­schilder nicht für notwendig. Aus Verhält­nis­mä­ßig­keits­gründen halten die Leipziger Richter aller­dings großflä­chige Fahrverbote in ganzen Zonen für nicht ohne Weiteres zulässig: Aktuell kommen Fahrverbote für ganze Innen­stadt­be­reiche „nur“ für Fahrzeuge der Abgas­klasse bis 4 (Diesel) in Betracht. Für die Diesel-Abgas­klasse 5 wäre dies erst ab dem 1. September 2019 zulässig.

Diese Einschränkung bedeutet aber nicht, dass neuere Diesel­fahr­zeuge sich bis zum Herbst 2019 sicher fühlen können. Vielmehr unter­streicht das BVerwG, dass schon heute Haupt­straßen für diese Wagen gesperrt werden können. Mit solchen Sperrungen müssten Autofahrer einfach rechnen.

Wer einen Diesel fährt, muss also sehr schnell mit erheb­lichen Behin­de­rungen rechnen. Hamburg plant auf einem Teilstück der vielbe­fah­renen Max-Brauer-Allee Fahrverbote für ältere Diesel­fahr­zeuge, die nicht der Abgas­klasse 6 entsprechen. Hamburg geht von rund 168.000 betrof­fenen PKW aus, dazu kommen noch die Pendler aus Schleswig-Holstein und Nieder­sachsen. Auf der Strese­mann­straße sollen zumindest für LKW entspre­chende Einschrän­kungen gelten.

Es ist anzunehmen, dass andere Städte nun schnell nachziehen, ob nun (halb) freiwillig oder gezwungen durch die vielen noch laufenden Prozesse. Für die betrof­fenen Autofahrer bleibt zu hoffen, dass einzelne Strecken­sper­rungen reichen, denn ansonsten müssten spätestens im nächsten Jahr die ersten Städte ältere Diesel großflächig aussperren. Spätestens dann wären viele Diesel wohl vollends wertlos. Aber vielleicht dauert es ja auch gar nicht mehr so lange, bis die Europäische Kommission vorm Europäi­schen Gerichtshof (EuGH) die Diesel-PKW noch weitge­hender aus den Städten drängt.

2018-05-21T22:32:35+02:0022. Mai 2018|Verkehr|