Berliner Revolution im Fernwärmerecht

Die Neure­gelung des Berliner Klima­schutz- und Energie­wen­de­gesetzes wird vor allem wegen der Solar­pflicht disku­tiert. Inter­essant und wegen einer denkbaren Vorbild­wirkung auch über Berlins Grenzen hinaus inter­essant sind aber auch die Regeln, die in Berlin künftig für Fernwärme gelten:

Ein neuer § 22 fordert von Fernwär­me­netz­be­treibern einen Dekar­bo­ni­sie­rungs­fahrplan mit Nulllinie 2040/2045. 2030 sollen schon 40% der Wärme im Netz aus Erneu­er­baren oder unver­meid­barer Abwärme bestehen. Offen bleibt aller­dings, was passiert, wenn dieses ehrgeizige Ziel nicht erreicht wird. Hier setzt man offenbar auf Rechts­treue und den Umstand, dass sich hier in erster Linie das Land Berlin selbst in die Pflicht nimmt.

In Berlin haben nach § 23 Abs. 1 künftig Einspeiser grüner Fernwärme Anspruch auf Anschluss ans Netz, abgelehnt werden darf nur bei unvertret­barem Aufwand und wirtschaft­licher Unzumut­barkeit und Genemigung durch die neue Fernwärmeregulierungsbehörde.

§ 23 Abs. 2 enthält sodann eine Abnah­me­ver­pflichtung für klima­scho­nende Wärme. Das ist im Fernwär­me­recht ganz neu, man kennt solche Regelungen bisher vor allem aus dem EEG. Der Wärme­netz­be­treiber muss die Wärme angemessen vergüten, wenn dem Anlagen­be­treiber die Vergütung für die Wärme nicht reicht, kann er dies behördlich überprüfen lassen. Außerdem sieht die Neure­gelung weitge­hende Trans­pa­renz­pflichten für Netzbe­treiber vor.

Eine wichtige Stellung im neuen Berliner Fernwär­me­recht hat die neue Regulie­rungs­be­hörde. Diese ist im Wärme­recht bisher ein Novum, man kennt sie aus den Regulie­rungen für Strom und Gas. Sie wird bei der für Energie zustän­digen Senats­ver­waltung (= Wirtschaft) angesiedelt. Außer der Regulierung im Verhältnis von Anlagen­be­treiber und Netz hat sie die kartell­recht­liche Aufgabe, die Verbrau­cher­preise für Fernwär­me­kun­denalle fünf Jahre zu prüfen und die Ergeb­nisse zu publizieren. 

Stadt, Architektur, Gebäude, Berlin, Innenstadt

Mit diesen Regelungen beschreitet Berlin ganz neue Wege. Man kennt die einzelnen Instru­mente wie die starke Regulie­rungs­be­hörde, die Abnah­me­ver­pflichtung für grüne Energie etc. zwar alle bereits aus den Bereichen Strom und Gas. Doch die Ausweitung auf die bisher noch unregu­lierte Fernwärme im größten Wärme­netz­gebiet Deutsch­lands zeigt, dass der klima­po­li­tische Dornrös­chen­schlaf des Sektors Gebäude endgültig der Vergan­genheit angehören dürfte. Für Versorger bedeutet das: Auch außerhalb Berlins müssen nun schnell Konzepte für grüne Wärme her. Anderen Akteuren dagegen eröffnen sich Chancen (Miriam Vollmer)

 

 

 

 

2021-08-20T17:34:41+02:0020. August 2021|Erneuerbare Energien, Wasser|

Weiteres Eilver­fahren gegen Radfahr­streifen ohne Erfolg

Kürzlich hatte das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Berlin-Brandenburg in einem Eilver­fahren einen Antrag gegen die Einrichtung von Pop-up-Radwegen in Fried­richshain-Kreuzberg nach der Beschwerde der Antrags­geg­nerin abgewiesen. Nachdem das Verwal­tungs­ge­richt Berlin dem Antrag zunächst statt­ge­geben hatte.

In einem weiteren Verfahren hat das OVG per Presse­er­klärung heute die Entscheidung über eine Beschwerde bekannt­ge­geben. Diesmal ging es um die Invali­den­straße im Bezirk Mitte. Hier waren letzten Herbst bei einer Umgestaltung der Straße beidseitig geschützte Radfahr­streifen einge­richtet worden. Nicht zuletzt war dies unter dem Eindruck eines schweren Unfalls geschehen, bei dem der Fahrer eine Sports Utility Vehicles (SUV) bei einem epilep­ti­schen Anfall die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte und dabei vier Passanten von dem Fahrzeug getötet worden waren. 

Für die Umgestaltung fielen etliche Parkplätze und auch Ladezonen vor einer Weinhandlung weg. Daher stellte der Weinhändler nach Erhebung der Klage einen Eilantrag gegen die Einrichtung der Radfahr­streifen. Aller­dings hatte dies bereits in erster Instanz keinen Erfolg: Denn bei Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs können Straßen­ver­kehrs­be­hörden Anord­nungen treffen, die den Verkehr beschränken. Aufgrund der geringen Breite der Invali­den­straßen und der dort auch verlau­fenden Straßenbahn war es immer wieder zu Unfällen mit Betei­ligung von Fahrrad­fahrern gekommen. 

Diese Gefahren würden durch die Anordnung des geschützten Radfahr­streifens und den Wegfall der Parkplätze verringert. Durch beide Maßnahmen wurde insbe­sondere Übersicht­lichkeit und damit Verkehrs­si­cherheit für alle Verkehrs­teil­nehmer erreicht. Zudem fällt die Gefahr der sich öffnenden Autotüren weg, die inbesondere in Kombi­nation mit den Straßen­bahn­schienen eine erheb­liche Gefahr für die Radfahrer darstellten.

Das OVG hat den Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts ausweislich der Presse­ver­laut­barung im Wesent­lichen bestätigt. Zudem sei der Händler durch den Wegfall der Ladezone vor seinem Geschäft auch nicht unzumutbar beein­trächtigt. Die Belie­ferung bleibe weiterhin über die Seiten­straßen möglich. Aus dem Anlie­ger­recht folge für den Antrag­steller keinen Anspruch auf Einrichtung oder Beibe­haltung von Park- und Lademög­lich­keiten vor seinem Geschäft (Olaf Dilling).

2021-01-28T23:25:49+01:0028. Januar 2021|Verkehr|

Pop-up Radwege bleiben vorläufig

Bereits Anfang Oktober hatte das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Berlin-Brandenburg im Eilver­fahren gegen temporäre Radfahr­streifen in Berlin den Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts (VG) Berlin vorläufig außer Vollzug gesetzt. Der Beschluss des VG hatte zunächst die Pop-up-Radwege als rechts­widrig angesehen. Mit dem Außer-Vollzug-Setzen durch das OVG war aller­dings noch nicht über die Beschwerde des Landes Berlin entschieden. Dies ist nun geschehen: Das OVG hat in einem Eilbe­schluss nun die Entscheidung des VG Berlin aufge­hoben. Auch dies ist – da im Rahmen eines Eilver­fahrens entschieden – eine vorläufige Entscheidung.

Aber da das OVG dabei zugleich eine Prognose über die (mangelnde) Begrün­detheit der Klage gegen die Radwege abgegeben hat, ist die Sache eigentlich relativ klar: Die Radwege werden vermutlich auch im Haupt­sa­che­ver­fahren nicht verboten. Letztlich ist, wie wir bereits zum Beschluss des OVG vom Oktober letzten Jahres erläutert hatten, der Unter­schied in der Beurteilung nicht in Rechts­fragen begründet. Sondern die Berliner Verwaltung hatte zwischen­zeitlich ihren Tatsa­chen­vortrag nachge­bessert: Erstin­stanzlich war vom VG noch moniert worden war, dass die Voraus­set­zungen für die Einrichtung der Radfahr­streifen nicht ausrei­chend dargelegt worden waren. Bei der Beschwerde vor dem OVG war dann aber von Seiten der Senats­ver­waltung die Gefah­ren­pro­gnose durch Verkehrs­zäh­lungen, Unfall­sta­tis­tiken u.ä. belegt worden.

Dabei hat das OVG ebenso wie das VG auf das technische Regelwerk für die Planung und den Bau von Radwegen abgestellt. Diese verlangen für die Anlage von Radwegen eine Gefah­renlage, die sich anhand der jeweils ermit­telten Verkehrs­stärken im Verhältnis zu den gefah­renen Geschwin­dig­keiten ermitteln lässt. Dass dabei die Frage ein bisschen zu kurz kommt, ob vielleicht auch aus Kapazi­täts­gründen ein Fahrradweg nötig ist, hatten wir schon mal angemerkt. Darauf kam es aber letztlich nicht an.

Der Antrag­steller, ein Abgeord­neter der AfD-Fraktion des Abgeord­ne­ten­hauses, hat nach Auffassung des Gerichts dagegen nicht ausrei­chend vorge­tragen, inwiefern durch die neu einge­rich­teten Radfahr­streifen tatsächlich Staus entstanden seien. Die von ihm belegten längeren Fahrzeiten beein­träch­tigten ihn jeden­falls nur minimal (Olaf Dilling).

2021-01-06T23:52:37+01:006. Januar 2021|Verkehr|