FAR, FAR away: Zum Entwurf der Zuteilungsregeln

Nein, so weit weg ist die nächste Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handel gar nicht mehr. Im nächsten Frühling müssen die Zutei­lungs­an­träge erstellt werden. Zwar ist in den offizi­ellen Dokumenten noch die Rede von der Abgabe zum 31. Mai 2019, es wird wohl aber der 30. Juni 2019 werden, d. h.: wenn nicht noch etwas dazwi­schen kommt.

Immerhin ist es einiger­maßen beruhigend, dass nicht noch einmal das Zutei­lungs­system von Grund auf neu gestrickt wird. Dies ergab sich bereits aus der neuge­fassten Emissi­ons­han­dels­richt­linie vom 14. März 2018. Diese enthält bereits die wesent­lichen Zuteilungsregeln.

Entspre­chend erfährt der geneigte Leser aus dem nun vorge­legten Entwurf der Free Allocation Rules (FAR) gar nicht so viel Neues. In einigen Punkten ist das Dokument trotzdem hochinteressant:

Eine wesent­liche Neuerung: Die Kapazität, für die die Kommission in der laufenden Handel­s­pe­riode eine höchst eigen­willige Auslegung gefunden hatte, ist künftig nicht mehr so zutei­lungs­re­levant. Damit entfällt endlich eine ausge­sprochen kompli­zierte Zutei­lungs­er­mittlung gerade bei neueren Anlagen und Erwei­te­rungen. Künftig soll die maßgeb­liche Auslastung nämlich nur noch auf Basis von Vergan­gen­heits­werten ermittelt werden. Bei Neuan­lagen auf der Grundlage des ersten Betriebs­jahres. Diese Neuerung ist auf jeden Fall sinnvoll; die Kapazi­täts­er­mittlung und die damit verbundene Ermittlung der Aufnahme des geänderten Betriebs war und ist ein komplexer und ausge­sprochen fehler­an­fäl­liger Vorgang. Für Kapazi­täts­än­de­rungen ist eine solche Rechen­akro­batik allein schon deswegen nicht mehr nötig, weil in Zukunft Änderungen der Auslastung von 15 % und mehr zeitver­schoben eine Anpassung der Zuteilung ermög­lichen, ganz ohne ein neues Zuteilungsverfahren. 

Die im Zutei­lungs­ver­fahren abgefragten Daten finden sich mit einem relativ hohen Detail­lie­rungsgrad in Annex IV (Seite 26 ff.) des Annex­do­ku­ments zum Entwurf. Zwar ist es zum gegen­wär­tigen Zeitpunkt noch nicht möglich, seine Zuteilung treff­sicher auszu­rechnen, weil noch nicht bekannt ist, in welchem Maße sich die Bench­marks nach unten bewegen. Dies bleibt einem geson­derten Rechtsakt vorbe­halten. Und auch die Frage, wer es nun auf die begehrte Carbon-Leakage-Liste derje­nigen, deren Zuteilung zu 100% kostenlos sein soll, geschafft hat, ist noch nicht klar. Es lohnt sich aber jetzt schon, einen tiefen Blick in die Liste der Infor­ma­tionen zu werfen, die die Behörde den Betreibern voraus­sichtlich abver­langen wird.

Inter­essant: Die Betreiber müssen in Zukunft noch einen Metho­dikplan erstellen, flankiert von einem Metho­dik­be­richt als Anlage zum Zutei­lungs­antrag. Der Metho­dikplan soll sodann die weitere Grundlage für die Überwa­chung der Anlage darstellen. Was dieser Plan enthalten soll, ist in Annex VI zum Entwurf darge­stellt. Nachdem bereits die Erwägungs­gründe des Entwurfs auf die Wichtigkeit von Synergien zum bekannten Überwa­chungsplan hinweisen, dürfen Anlagen­be­treiber wohl hoffen, nicht alles komplett über den Haufen werfen zu müssen. Gleichwohl ist Aufmerk­samkeit in jedem Fall geboten, weil Fehler bei der Bericht­erstattung erheb­liche Bußgelder nach sich ziehen können. Das gilt übrigens auch für den falschen Zuteilungsantrag.

Es ist vorge­sehen, den Metho­dikplan behördlich geneh­migen zu lassen. Dies bedeutet zwar mehr Bürokratie. Es verleiht dem einzelnen Anlagen­be­treiber aber gleich­zeitig ein gewisses Maß an Sicherheit, dass seine Methodik von der Behörde akzep­tiert wird. Pferdefuß an der Sache: 2019 wird ohne Geneh­migung die Zuteilung beantragt. Dies beruht wohl auf Zeitpro­blemen, ist für Betreiber aber mögli­cher­weise misslich. Zum einen droht ein Bußgeld, wenn die gewählte Methodik sich doch als falsch heraus­stellen sollte. Zum anderen ist es gerade in Zweifels­fällen denkbar, dass die Behörde die Daten, die der Anlagen­be­treiber mitteilt, nicht akzep­tiert, andere Daten aber nicht vorliegen. Da Anträge nicht nachträglich geändert bzw. um andere Daten ergänzt werden dürfen, droht in einem solchen Fall eine für fünf Jahre festste­hende Zuteilung, die mangels belast­barer Ausgangs­daten viel zu niedrig oder gar null beträgt.

Wir empfehlen Ihnen, den Entwurf und die Anhänge sorgfältig durch­zu­sehen. Bis zum 23. November 2018 können Anregungen noch der europäi­schen Kommission mitge­teilt werden.

Wenn Sie sich unsicher sind, was Einzel­re­ge­lungen für sie konkret bedeuten, lohnt es sich in jedem Fall, dies kurzfristig zu disku­tieren. Sprechen Sie uns an, gern per Mail oder morgen, am 13. November 2018, am Rande der VDI-Tagung zum Emissi­ons­handel in Düsseldorf.

2018-11-13T15:24:47+01:0012. November 2018|Emissionshandel, Energiepolitik, Industrie, Strom, Umwelt, Wärme|

We are the Champions (of ETS)

Es tut mir leid, wenn Sie jetzt traurig sind, aber der Emissi­ons­handel ist bislang schon eher ein Verlie­rer­thema. Sind Sie auf Behör­den­seite oder bei einem Umwelt­verband mit dem Emissi­ons­handel befasst, haben Sie mögli­cher­weise viel Lebenszeit mit einem Instrument verbracht, den man nachsagt, es habe zu keiner Emissi­ons­min­derung gegenüber einem Szenario ohne dieses Instrument geführt. Sind sie dagegen beim Betreiber einer Anlage für das Thema zuständig, dann schlagen Sie sich mit wahnsinnig kompli­zierten Regeln herum, haben wegen der exorbi­tanten Strafen immer Angst, etwas geht schief, und die verspro­chene Anreiz­wirkung durch Vorteile oder zumindest weniger Nachteile bleibt bei den lächer­lichen Preisen weit unterhalb des sogenannten Fuel-Changing-Points, also des Preises, bei dem Unter­nehmen günstiger Emissionen mindern als Zerti­fikate kaufen, auch aus.

Immerhin: Gerade wittern Sie Morgenluft. Mit der Markt­sta­bi­li­täts­re­serve hat die europäische Union erstmals ein Instrument imple­men­tiert, das Überschüsse nicht einfach immer weiter­schleppt, sondern abschöpft und ab 2023 löscht. Es ist damit erstmals sehr, sehr wahrscheinlich, dass der Preis in der nächsten Handel­s­pe­riode nicht nur nicht verfällt. Sondern sich schon wegen der sinkenden Gesamt­mengen verfüg­barer Zerti­fikate nach und nach erhöht. Und das selbst dann, wenn ein Mindest­preis für Zerti­fikate nicht einge­führt werden sollte.

Auch inter­na­tional liegen Sie voll im Trend. In China gibt es seit Dezember letzten Jahres einen Emissi­ons­handel. Dieser wird, erfasst er erst alle Formate wie geplant, das System darstellen, in dem weltweit die größten Mengen erfasst werden. Auch in vielen anderen Staaten soll CO2 künftig bepreist werden. So haben es die Staaten zumindest beim Klima­se­kre­tariat einge­reicht, das die Maßnahmen, die die Staaten für den Klima­schutz umsetzen wollen, nach dem im Paris Agreement verein­barten Procedere sammelt. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass die jetzt noch wegen bestehender Abwan­de­rungs­be­drohung privi­le­gierten Wirtschafts­zweige künftig weniger Extra­zer­ti­fikate bekommen, sobald keine asymme­trische Wettbe­werbs­si­tuation mehr besteht.

Insofern: Sie werden wichtiger. Wenn Sie zur Behör­den­seite gehören, werden Sie künftig ein wenig gefürch­teter als bisher. Das ist doch schön, so als Beamter. Wenn Sie dagegen auf Betrei­ber­seite den Emissi­ons­handel adminis­trieren, wird Ihre Einschätzung unter­neh­mens­intern wichtiger, weil Emissionen teurer werden. Und wenn Sie mit CO2 handeln, haben Sie sich vermutlich sowieso schon eingedeckt.

Heute steht der Kurs übrigens schon bei über 15 EUR.

2018-06-04T19:16:03+02:004. Juni 2018|Emissionshandel, Industrie, Strom|

Emissi­ons­handel: Die nächsten Schritte auf dem Weg in die 4. HP

2021 beginnt die nächste Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handels. Inzwi­schen gibt es Neure­ge­lungen der Emissi­ons­han­dels­richt­linie (EHRL), die verhindern sollen, dass in der nächsten Handel­s­pe­riode erneut so viele Zerti­fikate im Umlauf sind, dass die Anlagen­be­treiber wenig Anreiz haben, ihre Anlagen auf emissi­ons­ärmere Brenn­stoffe umzustellen oder effizi­enter zu werden. Da es künftig mit der Markt­sta­bi­li­täts­re­serve und den Regelungen zur Löschung von Zerti­fi­katen begleitend zu Klima­schutz­maß­nahmen Mecha­nismen geben wird, um Überschüsse abschöpfen zu können, ist man derzeit optimis­tisch, dass der Emissi­ons­handel doch noch eine Erfolgs­story wird.

Die vorläufige CL-Liste

Doch wie geht es nun konkret weiter? Seit einigen Tagen ist immerhin eine vorläufige CL-Liste auf dem Tisch. Diese Liste enthält die Branchen, die eine zu 100% kostenlose Zuteilung von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen erhalten sollen, um ihnen im inter­na­tio­nalen Wettbewerb nicht zu schaden. Entgegen eines verbrei­teten Vorur­teils bedeutet das nicht, dass diese Unter­nehmen gar keine Lasten und entspre­chend auch keine Emissi­ons­min­de­rungs­an­reize haben. Denn die 100% kostenlose Zuteilung bezieht sich nicht etwa auf den Bedarf der jeweils konkreten Anlage. Sondern auf den fiktiven Bedarf einer ganz besonders modernen Anlage. Mit anderen Worten: Wer nicht so modern ist, wie es möglich wäre, muss trotzdem kaufen.

Ursprünglich wollte die Europäische Kommission den Kreis der privi­le­gierten Unter­nehmen deutlich verkleinern. In der laufenden Handel­s­pe­riode sind 153 Branchen als abwan­de­rungs­be­droht und deswegen privi­le­giert anerkannt. Künftig sollen nur noch 44 auf diese Weise privi­le­giert werden. Eine Reihe weiterer Branchen hat nun drei Monate Zeit darzu­legen, dass sie ebenfalls als abwan­de­rungs­be­droht anerkannt werden können.

Doch auf den zweiten Blick erscheint die vorläufige CL-Liste deutlich weniger ambitio­niert als geplant. Die großen Branchen scheinen alle vollzählig versammelt zu sein. Einige haben es sogar nun neu auf die Liste geschafft, zB die früher nur teilweise erfassten Indus­triegase. Entspre­chend ist anzunehmen, dass auch künftig die meisten Indus­trie­un­ter­nehmen als abwan­de­rungs­be­droht gelten werden. Damit aber stellt sich die Frage, ob der Puffer von 3%, der im Budget verhindern soll, dass es wieder zu einem umstrit­tenen sektor­über­grei­fenden Korrek­tur­faktor (CSCF) kommt, ausreichen wird. Mögli­cher­weise gilt auch hier das alte Sprichwort vom langen Leben der Totge­sagten, und auch künftig unter­liegen Zutei­lungen einer Kürzung, damit die Anwendung der Zutei­lungs­regeln nicht dazu führt, dass das Budget gesprengt wird.

Zum Zeitplan

Bisher war der Gesetz­geber immer spät dran. Auch in Zukunft wird sich daran wohl nichts ändern. Zwar sollen noch im Sommer die Zutei­lungs­regeln im Entwurf veröf­fent­licht werden und sich eine Konsul­tation anschließen. Parallel tragen, wie erwähnt, einige Branchen noch einmal vor, um aufgrund quali­ta­tiver Kriterien doch noch auf die CL-Liste zu gelangen. Für den Oktober ist ein Kommis­si­ons­be­schluss über die Zutei­lungs­regeln und die dann endgültige CL-Liste auf EU-Ebene geplant. Im Dezember sollen dann nach einer Prüfung durch Rat und Parlament die Spiel­regeln der Zuteilung stehen.

Die Daten­er­hebung für das Antrags­ver­fahren soll dann im Frühling 2019 statt­finden. Die Entscheidung über die Bench­marks, für die ein Minde­rungspfad zwischen 0,2% und 1,6% jährlich vorge­sehen ist, soll erst 2020 fallen. Im Jahre 2021 wird es dann erst Entschei­dungen über die NIMs-Liste geben, ohne die die Mitglied­staaten nicht zuteilen können. Das bedeutet: Schon jetzt scheint festzu­stehen, dass auch zu Beginn der  nächsten Handel­s­pe­riode noch keine Bescheide und erst recht keine Ausschüt­tungen vorge­nommen werden können. Es wird also selbst dann alles recht knapp, wenn es von heute an keine Pannen gibt, niemand noch einmal grund­sätz­liche Fragen stellt und vor allem die Bench­mark­fest­setzung und die Endfassung der CL-Liste reibungslos verläuft. Wie realis­tisch das ist, mag jeder selbst beurteilen.

2018-05-14T23:56:25+02:0015. Mai 2018|Emissionshandel|