Klärschlamm zwischen Abfall- und Wasserrecht

Klärschlamm wurde lange Zeit als Dünger auf landwirt­schaft­lichen Nutzflächen verwendet oder deponiert. Aller­dings sammeln sich in kommu­nalen Klärschlämmen so ziemlich alle Schad­stoffe, die in die Kanali­sation geraten: Neben Stick­stoffen und Phosphaten, die sich auch als wertvolle Dünger nutzen lassen, auch Schwer­me­talle, organische Rückstände, u.a. Arznei­mittel, Nanopar­tikel und Kunst­stoff­reste. Daher wird inzwi­schen ein Großteil des Klärschlamms verbrannt. Aus den Verbren­nungs­resten soll der Phosphor zurück­ge­wonnen und in den Nährstoff­kreislauf einge­speist werden. Eine Deponierung ist nur noch nach vorhe­riger Behandlung zulässig.

Früher war das anders. Daher stellt sich beim Umgang mit Klärschlamm-Altlasten die Frage, wie heute damit umzugehen ist. So in einem kürzlich vom Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) entschie­denen Fall: Klägerin ist der für das Einzugs­gebiet der Emscher zuständige Wasser­verband. In Duisburg betrieb er eine Kläranlage, die vor mehr als 20 Jahren still­gelegt wurde. Bis in die 1980er wurden dort schlamm­haltige Abwässer zur Entwäs­serung auf sogenannte Schlamm­plätze geleitet. Der verblei­bende Klärschlamm ist dort nur unvoll­ständig zersetzt und hat sich mit dem Erdreich nicht verbunden.

Daher hat die Stadt Duisburg, die aktuelle Beklagte in dem Verfahren, die ordnungs­gemäße Entsorgung des Klärschlamms angeordnet. Das BVerwG hat, ebenso wie bereits die unteren Instanzen, die Anordnung der Stadt aufrecht erhalten. Der Klärschlamm unter­fällt dem Abfall­recht. Zwar kann sich die Entwäs­serung von Klärschlamm auch nach Wasser­recht richten. So umfasst die Abwas­ser­be­sei­tigung nach § 54 Abs. 2 Wasser­haus­halts­gesetz auch das Entwässern von Klärschlamm, wenn es weiterhin in Zusam­menhang mit der Abwas­ser­be­sei­tigung steht. Dies war im zu entschei­denden Fall aber nicht mehr so. Denn die Kläranlage war schon seit Jahrzehnten stillgelegt.

Das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt hat den Klärschlamm, da er sich nicht mit dem übrigen Erdreich verbunden hatte, weiterhin als beweg­liche Sache einge­stuft. Außerdem seien mangels Deponie­fä­higkeit des Klärschlamms die Vorschriften über eine Deponie­still­legung und das Bundes­bo­den­schutz­gesetz nicht anwendbar. Grund­sätz­liche Bedeutung hat die Entscheidung, weil das BVerwG klärt, dass auf Klärschlamm außerhalb einer aktiven Kläranlage Abfall- und nicht Wasser­recht anzuwenden ist (Olaf Dilling).

2020-07-21T11:31:54+02:0021. Juli 2020|Umwelt, Verwaltungsrecht, Wasser|

Wasser­recht: Die übergangene Richtlinie

Dass bei der Planung von Bundes­au­to­bahnen auch wasser­recht­liche Fragen eine Rolle spielen, dürfte nachvoll­ziehbar sein. Denn immerhin ist mit dem Bau ein starker Eingriff in das Grund­wasser und zahlreiche Oberflä­chen­ge­wässer verbunden. Zudem wird eine erheb­liche Fläche Boden versiegelt, so dass sich bei Regen Nieder­schlags­wasser sammelt, das nach § 54 Wasser­haus­halts­gesetz (WHG) auch als Abwasser zu werten und zu behandeln ist.

Dass aller­dings auch die europäi­schen Vorgaben des Wasser­rechts zu beachten sind, ist noch nicht so klar. Insbe­sondere die Wasser­rah­men­richt­linie (WRRL) macht insofern strengen Vorgaben bezüglich der Verschlech­terung des Gewäs­ser­zu­stands. Aus einer Entscheidung des Europäi­schen Gerichtshofs (EuGH) zur Weser­ver­tiefung von 2015 ergibt sich nämlich das Erfor­dernis: Vor der Geneh­migung von belie­bigen Projekten, die sich auf einzelne Wasser­körper auswirken, muss eine Überprüfung anhand bestimmter europa­rechtlich vorge­ge­benen Kriterien stattfinden.

In Bezug auf den Bau der Autobahn A 49 in Hessen hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) nun aber entschieden, dass die Anfor­de­rungen doch nicht so hoch sind: In dem entschie­denen Fall wurden die Anfor­de­rungen der WRRL im Planfest­stel­lungs­be­schluss  noch nicht berück­sichtigt. Dennoch hat das Gericht die Klage dagegen abgewiesen. Denn die „flexiblen Regeln des deutschen Wasser­haus­halts­ge­setzes“ würden hinrei­chend Möglichkeit bieten, um die wasser­recht­lichen Vorgaben des Unions­recht letzt­endlich einzu­halten (Olaf Dilling).

2020-06-30T18:27:16+02:0030. Juni 2020|Umwelt, Verkehr, Wasser|

Ein Mehrwert für den Schierlings-Wasserfenchel

Nun darf die Elbe doch vertieft werden. Das hat am letzten Donnerstag, den 04.06.2020 das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) in einem Urteil zu Planer­gän­zungs­be­schlüssen des Großpro­jekts entschieden. Unter anderem hat das Gericht geurteilt, dass die zum Schutz einer seltenen, nur an der Unterelbe zwischen Hamburg und Geest­hacht vorkom­menden Pflan­zenart einge­lei­teten Kohärenz­maß­nahmen über reine Standard­maß­nahmen hinausgehen.

Gemeint ist der Schier­lings-Wasser­fenchel, eine Pflanze, die ausschließlich an der  Unterelbe zwischen Hamburg und dem gut 30 km entfernten Geest­hacht vorkommt. Da die Pflanze an die Ökologie des Ästuars, also einer tidebe­ein­flussten Flußmündung, angepasst ist, kann sie auch nicht ohne weiteres umgesiedelt werden. Nicht zuletzt deshalb hatte das BVerwG in einem Urteil im Jahr 2017 den Stopp der Elbver­tiefung entschieden. Denn es war nach dem damaligen Stand der Planung unklar, wie sich die Erhöhung des Salzge­haltes und der Strömungs­ge­schwin­digkeit auf das Vorkommen des Schier­lings-Wasser­fen­chels auswirkt und nach welchen Methoden dies zu bestimmen sei. Hier wurde seitens der Beklagten noch nachge­bessert, so dass im aktuellen Urteil laut Presse­mit­teilung festge­stellt wird, dass das Ausmaß der Beein­träch­tigung durch das Vorhaben nun zutreffend bestimmt wurde. Mit einer neuen Maßnahme „Tidean­schluss Billwerder Insel“ sollen zudem neue Wuchsorte für die Pflanze geschaffen werden, um diese Beein­träch­ti­gungen auszugleichen.

Ein anderer Punkt betraf die Kohärenz­si­che­rungs­maß­nahmen. Dabei handelt es sich nicht um einfache Ausgleichs­maß­nahmen, sondern um Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 4 Flora-Fauna-Habitat-Richt­linie (FFH-RL), um Eingriffe in das Natura 2000-Netzwerk auszu­gleichen. Sie müssen auf den Schutz der Lebens­räume und ihrer Vernet­zungs­funktion abzielen, in die einge­griffen wurde. Kohärenz­si­che­rungs­maß­nahmen können auch in Gebieten durch­ge­führt werden, die bereits als FFH-Gebiet unter Schutz stehen. Aller­dings darf es dann nicht bei einfachen Standard­maß­nahmen bleiben, deren Durch­führung zur Erhaltung des Gebietes ohnehin erfor­derlich gewesen wäre. Mit anderen Worten: Bei Maßnahmen zur Kompen­sation von Eingriffen in das Habitat des Schier­lings-Wasser­fen­chels muss es einen Mehrwert für den Schier­lings-Wasser­fenchel geben. Auch dies wurde im neuen Urteil des BVerwG in Bezug auf die Planer­gänzung nun anerkannt (Olaf Dilling).

2020-06-11T14:33:17+02:008. Juni 2020|Allgemein, Naturschutz, Wasser|