Wer ist denn hier der Letzt­ver­braucher? Zu LG Bayreuth, Urt. v. 30.11.2023 – 1 HK O 30/23

Die Konstel­lation ist eigentlich simpel: Ein Unter­nehmen kauft Strom bei einem anderen, verkauft diesen an ein drittes Unter­nehmen, und zwar mit Erfül­lungsort an der Netzent­nah­me­stelle des Dritten. Im Anwen­dungs­be­reich des EnWG ist damit auch alles tutti: Der Zwischen­händler ist Lieferant, sein Kunde Letzt­ver­braucher. Nur im StromPBG gibt es Zweifel, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, denn die Defini­tionen im StromPBG sind nicht ganz deckungs­gleich mit der im EnWG: Der Letzt­ver­braucher kann im StromPBG auch für den fremden Verbrauch entnehmen, der Begriff des Elektri­zi­täts­ver­sor­gungs­un­ter­nehmens ist mit der Lieferung „über ein Netz“ verbunden.

Doch was heißt das nun für die beschriebene Konstel­lation der Versorgung über einen Zwischen­händler, der nicht selbst einen Netznut­zungs­vertrag unterhält, sondern durch seinen Vorlie­fe­ranten liefern lässt? Das Wirtschafts­mi­nis­terium und mit ihm auch die Übertra­gungs­netz­be­treiber meinen, dass der Zwischen­händler der Letzt­ver­braucher sei. Er sollte also die Entlstung bekommen, die Erstattung stünde dem Vorlie­fe­ranten zu.

Für die betrof­fenen Unter­nehmen ist das keine rein technische Frage. Denn wenn es auf das Vertrags­ver­hältnis zwischen Vorlie­ferant und Lieferant ankommt, ist Ausgangs­punkt der Entlastung nicht der Strom­preis des Kunden, der den Strom am Ende physi­ka­lisch verwendet. Selbst wenn er die Entlastung vom Zwischen­händler durch­ge­reicht bekommt, fällt seine Entlastung geringer aus als in „klassi­schen“ Versor­ger­ver­hält­nissen. Und zu alledem sind BMWK und ÜNB auch noch davon überzeugt, dass der Kunde am Ende der Kette eigentlich gar keinen Entlas­tungs­an­spruch hat. Sein Zwischen­händler bekäme also die Entlastung, ohne sie weiter­geben zu müssen. 

Nicht nur deswegen ist diese Rechts­an­sicht umstritten. Kann das wirklich sein? Wird „über ein Netz“ wirklich nur dann geliefert, wenn der Lieferant selbst einen Netznut­zungs­vertrag abgeschlossen hat? Schließlich steht davon gar nichts im Gesetz. Entspre­chend ist es nicht überra­schend, dass ein erstes Urteil in dieser Sache die Lage nun anders beurteilt: Das LG Bayreuth hat mit Urt. v. 30.11.2023, 1 HK O 30/23, entschieden, dass das StromPBG nur Netze gegen Kunden­an­lagen abgrenzt, den Netzbe­griff also voraus­setzt und keinen eigenen kreiert. Letzt­ver­braucher sei das Unter­nehmen am Ende der Liefer­kette, das auch im EnWG Letzt­ver­braucher ist. Sein Lieferant entlas­tungs­ver­pflichtet und erstattungsberechtigt.

Wir finden: Das LG Bayreuth liegt richtig. Es geht auch aus der amtlichen Begründung hervor, dass der Gesetz­geber keineswegs Kunden, die nichts von der Rollen­ver­teilung zwischen ihrem Versorger und dessen Vorlie­fe­ranten wissen, den Entlas­tungs­an­spruch vorent­halten wollte. Auch syste­ma­tisch spricht alles dafür, dass das StromPBG auf die Struk­turen und Begriff­lich­keiten des EnWG aufsetzt. Wir sind gespannt, wie andere Gerichte und der Instan­zenzug entscheidet (Miriam Vollmer).

2024-03-01T19:31:08+01:001. März 2024|Allgemein, Energiepolitik, Strom|

KWKG ist keine Beihilfe: Zu EuG, Urt. v. 24.01.2024, T‑409/21

Ist das Kraft-Wärme-Kopplungs­gesetz (KWKG) eine Beihilfe? Und wie sieht es mit Begren­zungen der Umlage nach dem KWKG für einzelne Unter­nehmen aus, konkret für Wasser­stoff­her­steller? Darüber hatte das Europäische Gericht (EuG) zu entscheiden, weil die Bundes­re­gierung gegen einen Beschluss der Europäi­schen Kommission vorge­gangen war, die das deutsche KWKG 2021 als Beihilfe einge­stuft hatte.

Die Bundes­re­gierung sah das anders. Das KWKG fördert die Strom­erzeugung in hochef­fi­zi­enter KWK durch Zuschläge und gewährt Zuschüsse für Wärme- und Kälte­speicher und ‑netze, wobei die Förde­rungen durch ein Umlage­ver­fahren über die Netzbe­treiber finan­ziert werden. Die KWK-Umlage beträgt aktuell 0,275 ct/kWh. Diese Umlage entfällt aber nicht auf alle letzt­ver­brauchten Mengen, weil es Privi­le­gie­rungen gibt, u. a. die für Wasser­stoff­er­zeuger, um die es auch in diesem Verfahren ging.

Das Argument der Bundes­re­gierung ist aus dem langen Rechts­streit mit der Kommission über die letztes Jahr abgeschaffte EEG-Umlage wohlbe­kannt: Die Förderung stelle keine staat­liche Maßnahme dar, denn sie werde nicht aus staat­lichen Mitteln gewährt. Das bedeutet nicht, dass es sich zwangs­läufig um Geld aus der eigent­lichen Staats­kasse handeln muss. Aber der Staat muss das Geld kontrollieren.

An diesem Kriterium ist die Position der Kommission am Ende gescheitert. Das KWKG bestimmt nur verbindlich, wie den Förder­be­rech­tigten Gelder zu gewähren sind, aber nicht, wie diese erhoben werden. Die Netzbe­treiber müssen die abzufüh­rende Umlage schließlich nicht erheben, es ist üblich, aber nicht obliga­to­risch, so dass es sich nicht um eine Steuer o. ä. handelt. Außerdem kontrol­liert die Verwaltung die Gelder auch nicht, denn sie kann über diese nicht wie über eigenes Geld verfügen. Hier knüpft das Gericht an die Preussen Electra Recht­spre­chung an, nach der schon die deutsche EEG-Förderung per Umlage gerade keine Beihilfe darstellte. Im Ergebnis sind damit weder das deutsche KWKG noch die Begrenzung der KWK-Umlage als Beihilfen zu betrachten, so dass keine Beihil­fen­kon­trolle durch die Kommission statt­zu­finden hat (Miriam Vollmer).

2024-01-26T21:26:22+01:0026. Januar 2024|Allgemein, Strom|