Verwirrung ums KWKG

Das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) sei bis 2030 verlängert worden, heißt es fast unisono in der Öffent­lichkeit. Die derzeitige Begrenzung auf den Zeitraum bis 2026 sei gefallen. Damit seien nun auch Projekte, die nicht spätestens nächstes Jahr in Betrieb gehen, förder­fähig nach dem KWKG.

Schaut man indes in die Beschluss­emp­fehlung vom 29.01.2025, die am 31.01.2025 den Bundestag passiert hat, so findet sich eine solche Passage im beschlos­senen neuen § 6 KWKG, wie sie ursprünglich die Union einge­bracht hat, aber keineswegs wieder. Die CDU wollte mit einem neuen § 6 Abs. 1a KWKG den zeitlichen Anwen­dungs­be­reich schlicht verlängern. Das hat nun aber so nicht den Bundestag passiert. Förder­fähig sind nur solche nach dem 31.12.2026 in Betrieb gegangene KWK-Anlagen, die vor diesem Stichtag genehmigt worden und spätestens vier Jahre nach Geneh­migung in Betrieb genommen worden sind. Damit ist der 31.12.2030 der späteste denkbare Inbetrieb­nah­me­termin, aber wenn die Geneh­migung früher erteilt worden ist, wird der Vierjah­res­zeitraum von der Geneh­mi­gungs­er­teilung an berechnet. Der 31.12.2030 kann – und wird – damit regel­mäßig zu spät sein. An die Stelle der Geneh­migung spätestens 2026 kann – schließlich sind nicht alle förder­fä­higen KWK-Vorhaben überhaupt geneh­mi­gungs­be­dürftig – auch die verbind­liche Bestellung treten.

Das bedeutet: Wer nach Silvester 2026 eine Geneh­migung für seine neue KWK erhält oder bestellt, geht nach dieser Novelle leer aus. Angesichts der Bedeutung der KWK für die Wärme­wende, aber auch als Asset für den Netzbe­trieb, bedarf es also in abseh­barer Zeit einer weiteren Novelle, um den auch für die Reali­sierung vieler Wärme­pläne nötigen Ausbau dieser besonders effizi­enten Anlagen nicht zu verlang­samen (Miriam Vollmer).

2025-02-08T07:51:24+01:007. Februar 2025|Strom|

Wie nun weiter, Kundenanlage?

Das kann ja nicht sein“, meint der Mandant. Der Geschäfts­führer der Contracting-Sparte eines süddeut­schen Regio­nal­ver­sorgers versorgt seit vier Jahren eine bunt gemischte Nutzung aus Büro- und Laden­flächen, Wohnungen, einer Kita und ein bisschen Gastro­nomie in einem sanierten früheren Indus­trie­komplex aus dem 19. Jh. mit Wärme und Strom aus einem BHKW und Aufdach-PV über eine eigene Leitungs­struktur, die bisher sehr eindeutig als Kunden­anlage nach § 3 Nr. 24a EnWG galt. Vorteil an diesem Status: Weil Kunden­an­lagen explizit keine Netze sind, fielen keine Netzent­gelte an und auch keine Umlagen.

Doch nun macht der Mandant sich Sorgen: Mit Urteil vom 28.11.2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf eine Vorlage des Bundes­ge­richtshofs (BGH) hin entschieden, dass die Regelung der Kunden­anlage nach § 3 Nr. 24a EnG nicht europa­rechts­konform ist. Sie verstößt gegen die Strom­markt­richt­linie 2019/944 (EltRL). Diese, so die Luxem­burger Richter, erlaubt es den Mitglied­staaten nicht, Energie­an­lagen zum Transport von Strom mindestens in Nieder­spannung einfach zu Nicht-Netzen zu erklären, wenn es keine ausdrück­liche Ausnah­me­re­gelung in der EltRL gibt. Eine solche Ausnahme gibt es für Kunden­an­lagen nicht, damit ist die Regelung nicht europarechtskonform.

Doch was wird nun aus dem Projekt in der alten Fabrik? Der Geschäfts­führer fragt nach Bestands­schutz, doch da sind wir skeptisch. Eine Regelung, nach der es nur für die Zukunft keine neuen Kunden­an­lagen geben wird, aber die alten weiter von der Regulierung ausge­nommen sind, dürfte nicht europa­rechts­konform sein. Und ein Rückgriff auf einen allge­meinen Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes in die Legalität der Kunden­anlage ist auch nichts, für das jemand heute seine Hand ins Feuer legen würde: Der EuGH hat schon vor vielen Jahren entschieden, dass das Effek­ti­vi­täts­prinzip der EU sogar den Vertrau­ens­schutz in seit Jahren bestands­kräftige Verwal­tungsakte überwiegt, die aufge­hoben werden können, wenn sie europa­rechts­widrig sind (EuGH, 20.03.1997, Alcan Deutschland, – C‑24/95). Manchmal sind Behörden sogar verpflichtet, bestands­kräftige unions­rechts­widrige Verwal­tun­gent­schei­dungen erneut zu überprüfen (EuGH, 13.01.2004, Kühne & Heitz, – C‑453/00). Hier, wo es nicht einmal Bescheide gibt, die Bestands­schutz vermitteln könnten, ist das alles andere als eine sichere Bank.

Müssen nun also für Jahre Netzentgelt nacher­hoben, Beträge an den vorge­la­gerten Netzbe­treiber weiter­ge­reicht und auch noch Umlagen nachge­zahlt werden? Ganz sicher ausschließen kann das derzeit wohl niemand. Erst recht aber für die Zukunft werden viele Kunden­an­la­gen­be­treiber alle Pflichten eines Netzbe­treibers erfüllen müssen. Doch wie das genau aussehen wird, liegt nicht in der Hand der örtlichen Akteure. Hier muss der Gesetz­geber tätig werden, und wenn er für mehr als nur einige der bishe­rigen Kunden­an­la­gen­be­treiber einen Sonder­status regeln will, geht dies nicht ohne die EU, wahrscheinlich nicht einmal ohne eine Änderung der EltRL. Dass der BGH, der im Mai entscheiden wird, hier für abschlie­ßende Klarheit sorgen wird, halten wir deswegen für eher unwahr­scheinlich. Da muss wohl der Gesetz­geber in Berlin und Brüssel noch einmal nachsteuern. Bis dahin bestehen erheb­liche Unsicher­heiten, die neue Projekte erschweren, aber vor allem auch für bereits bestehende erheb­liche Risiken begründen: Diese Sorge nimmt unserem Mandanten wie vielen anderen Unter­nehmen auch niemand ab (Miriam Vollmer).

2025-01-24T23:23:22+01:0024. Januar 2025|Strom|

Brauchen wir eine ökolo­gische Schul­den­bremse? Ein politi­scher Kommentar.

Wenn sich wichtige politische Weichen­stel­lungen ereignen, fällt es manchmal schwer, sich weiterhin primär dem juris­ti­schen Tages­ge­schäft zu widmen. Selbst wenn das noch so drängt. Und das ist wohl auch richtig so, beim Anwalts­beruf. Denn so technisch Rechts­be­ratung gerade im Bereich öffent­licher Infra­struk­turen manchmal rüber­kommt, so sehr ist sie doch in einen politi­schen Kontext einge­bettet und nur aus ihm heraus verständlich. Darüber hinaus ist es auch Aufgabe von Anwälten, im Rahmen ihrer Möglich­keiten die politische Diskussion so zu beein­flussen, dass die Gesetze mit denen sie hantieren, Sinn machen. Dies gibt ihnen dann auch bei ihrer Anwendung einen (berufs- und wettbe­werbs­rechtlich übrigens vollkommen lupen­reinen) Vorteil. Zeitung zu lesen bzw Rundfunk zu hören, ist daher auch – und gerade – in Zeiten sozialer Netzwerke anwalt­liche „Berufs­pflicht“!

[Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner bei der Unter­zei­chung des Koali­ti­ons­ver­trags im Dezember 2021 [Photo by Sandro Halank / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0]]

Was in den letzten Tagen passiert ist, genau gesagt am 06.11.2024, wird starke – viele sagen: „histo­rische“ – Auswir­kungen auf Themen wie Klima, Energie und Verkehr haben. Da ist es gleich­gültig, ob auf globaler, auf natio­naler oder lokaler Ebene. Das heißt, auf die eine oder andere Art wird uns als Energie- und Umwelt­rechtler dieser politische Wende­punkt mindestens in den nächsten vier Jahren weiter begleiten.

Die Hoffnung, dass Klima­ziele noch zu halten sind, ist für viele in weite Ferne gerückt, sowohl durch den Sieg des Klima­leugners Trump als auch durch das Scheitern der Ampel, die als Regierung eines „Klima­kanzlers“ angetreten war. Das Versprechen dieser Regierung war u.a. einzu­lösen, was das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt der Bundes­re­gierung in seinem Klima­be­schluss aufge­geben hat: Sie muss den zukünf­tigen Genera­tionen noch Freiheiten bei der Nutzung fossiler Brenn­stoffe einräumen. Die Spiel­räume die bis 2030 zum Ausstoß von CO2 noch bestehen, dürfen nicht bereits frühzeitig von den Eltern ausge­schöpft werden, so dass ihre Kinder auch noch konsu­mieren können.

Nun stellt sich diese Frage der Genera­tio­nen­ge­rech­tigkeit nicht nur im Klima­schutz und über Art. 20a GG. Sie stellt sich genauso auch bezüglich Art. 109 GG, der Schul­den­bremse, in Bezug auf den Staats­haushalt. Legen sich hier zwei Grund­ge­setz­ar­tikel gegen­seitig „Patt“?

Für eine solche Situation haben Verfas­sungs­ju­risten aus langer Erfahrung natürlich eine Lösung parat. Das Zauber­wörtchen heißt „praktische Konkordanz“. Das klang für mich als Jurastudent im ersten Semster immer ein bisschen wie ein obskures, hinter Schleiern des Beratungs­ge­heim­nisses verbor­genes Aller­hei­ligstes des Grund­ge­setzes, das in Karlsruhe (und nur dort!) sorgsam gehütet wird. Wenn aber die Schleier im weiteren Verlauf des Studiums fallen, ist es dann doch ziemlich simpel: Es geht einfach darum, jedes Grund­recht bzw. Verfas­sungs­gebot, so gut wie möglich zur Geltung kommen zu lassen. Das setzt voraus, dass eher auf Synergien als auf Wider­sprüche geschaut wird. Das ist kein Hexenwerk sondern folgt den klugen Regeln der schwä­bi­schen Hausfrau. Es geht darum, den staats­recht­lichen Hefekuchen erst mal (bei ca. 37° C) ordentlich gehen zu lassen, statt ihn sofort wie die Beute der drei Räuber mit rotem, grünen und gelben Hut unter­ein­ander aufzu­teilen. Zugluft und Türen­knallen lassen Hefeteig bekanntlich zusammenfallen.

Mit einem Minimum an politi­schen Willen und Zusam­menhalt hätte es den Fraktionen der Ampel dann nicht so schwer fallen dürfen, entspre­chende Synergien und Schnitt­mengen zu finden:

  • Wenn es um Klima­schutz geht, hätte es – erstens – darum gehen müssen, markt­ver­zer­rende Subven­tionen und selektive Steuer­ver­güns­ti­gungen zu streichen.
  • Zweitens wäre nach kosten­neu­tralen Instru­menten zu suchen gewesen, etwa ein Tempo­limit oder andere ordnungs­recht­liche Maßnahmen, die viel CO2 hätten sparen können, ohne den Staats­haushalt zu belasten.
  • An dritter Stelle kommen schließlich solche Maßnahmen, die zunächst zwar staat­liche Inves­ti­tionen erfordern, die sich aber über die Jahre amorti­sieren und daher auf lange Sicht ebenfalls kosten­neutral sind.

Nur bei der dritten Art von Maßnahmen, die aller­dings die entschei­denden sind, stellt sich überhaupt die Frage der Verein­barkeit von Art. 20a und 109 GG. Und der vermeint­liche Wider­spruch lässt sich durch eine ökono­misch und ökolo­gisch intel­li­gente Gestaltung von Maßnahmen auflösen. Nehmen wir einen Kfw-Kredit, über die eine energe­tische Sanierung oder eine Wärme­pumpe gefördert wird. Dadurch wird der Staats­haushalt zunächst belastet. Die begüns­tigten Bürger verpflichten sich jedoch dazu, den Kredit zurückzuzahlen.

Aus Sicht der FDP mögen solche Inves­ti­tionen durch den Staat unsinnig sein. Denn aus markt­li­be­raler, an den Lehren von Hayek und Friedman orien­tierter Sicht weiß der Staat immer weniger als „der Markt“ und die Summe seiner vielen dezen­tralen Beobachter. Darauf kommt es aber auch gar nicht an. Denn die Ressource, um die es geht ist in der Politik weniger Wissen, als Vertrauen. In diesem Fall das Vertrauen in die Verwirk­li­chung einer politi­schen Zielsetzung, nämlich die Netto-Klima­neu­tra­lität Deutsch­lands bis 2045 zu erreichen.

Die Erwartung, die ein „Klima­kanzler“ berech­tig­ter­weise weckt und in die sowohl Bürger als auch vor allem Wirtschafts­un­ter­nehmen vertrauen müssen, ist die Amorti­sation dieser Inves­tition in energe­tische Maßnahmen oder Wärme­pumpen durch entspre­chend sinkende Strom­kosten. Was könnte der Staat tun, um das Vertrauen der Bürger oder Unter­nehmen zu gewinnen? Ganz einfach: Er könnte eine Wette mit seinen Bürgern abschließen, des Inhalts, dass der Bürger darle­hens­fi­nan­ziert eine private Inves­tition in eine Hausiso­lierung und Wärme­pumpe tätigt und dafür sinkende Brutto-Energie­kosten und insbe­sondere sinkende Strom­preise garan­tiert bekommt. Diese Wette könnte darin bestehen, dass die Rückzahlung des Darlehens an den Strom­preis­index gekoppelt ist. Mit anderen Worten stellt der Bürger ein Sparschwein auf, zahlt monatlich ein, was er an Energie­kosten spart. Am Ende des Jahres gibt er das ersparte Geld der Kfw zurück, es fließt in den Staat­haushalt und hilft, die Schul­den­bremse einzuhalten.

Ach so, eine weitere Wette hatte der Staat gleich­zeitig mit dem Bürger auch noch geschlossen. Das Darlehen mit der Kfw ist ihm nicht umsonst zinslos (oder zu einem niedrigen, gleich­blei­benden Zins) gewährt worden. Der Staat wettet also mit dem Bürger, dass er eine niedrige Inflation einhält. Tut er es nicht, verliert der Staat seine Wette. Auch dies dient bei entspre­chend vielen Darlehen, dass der Staat ein Interesse daran hat, die Inflation niedrig zu halten. Ökolo­gische und ökono­mische Nachhal­tigkeit gehen so Hand in Hand. Hinter dem Schleier der prakti­schen Konkordanz sind Art. 20a und Art. 109 GG … naja, zumindest gute Freunde.

Hätte, hätte. Wie geht es weiter? Um die Frage in der Überschrift noch zu beant­worten. Nein! Wir brauchen keine ökolo­gische Schul­den­bremse. Denn wir haben sie bereits in Art. 20a GG. Wir müssen diesen Artikel nur in Überein­stimmung mit der oben genannten Recht­spre­chung des BVerfG anwenden.

Also, wie geht es weiter? Eine Bundes­re­gierung, die auf dem Boden des Grund­ge­setzes steht, wird gar nicht umhin­kommen, die ökolo­gische Schul­den­bremse anzuwenden. Das trotzig gegen ökolo­gische Gebote gerichtete „Heraus­reißen“ von Windkraft­an­lagen, nur weil sie „häßlich“ sind, dürfte auf vehementen Wider­spruch aus Karlsruhe und aus Leipzig, dem Sitz des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts, stoßen. Das würde einen Trump nicht schrecken. Bei der biederen CDU darf man aber davon ausgehen, dass sie den Rechts­staat nicht so schnell auf dem Müllhaufen der Geschichte verab­schieden wird. (Olaf Dilling)

2024-11-12T22:49:11+01:0012. November 2024|Kommentar, Strom, Umwelt|