Straßen­blo­ckaden als legale Protestform?

Straßen­blo­ckaden sind ein von Protes­tie­renden gern genutztes Mittel im politi­schen Meinungs­kampf. Davon betroffene Autofahrer sind davon in der Regel weniger begeistert. Wie legitim und legal Straßen­blo­ckaden sind, wird angesichts der Bauern­pro­teste auch dieses Jahr wieder heiß disku­tiert. Nachdem im letzten Jahr ausgiebig die Proteste der letzten Generation sowohl in der Presse auch in Gerichts­sälen thema­ti­siert worden waren, zeigen sich nun sowohl Gemein­sam­keiten als auch Unter­schiede in der Beurteilung.

Aktuell zeigt eine Eilent­scheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts (OVG) Berlin-Brandenburg, dass Straßen­blo­ckaden, auch wenn sie über einen längeren Zeitraum andauern, nicht per se verboten oder gar kriminell sein müssen. Ausgangs­punkt war die geplante Blockade von sechs Autobahnab- und ‑zufahrten in Brandenburg durch Landwirte, die gegen den Abbau von Subven­tionen und Steuer­erleich­te­rungen protes­tieren wollen. Die zuständige Behörde hatte den Versamm­lungs­leitern Auflagen erteilt, u.a. sollten die Blockaden im 30-minütigen Wechsel zwischen Blockade und Freigabe stattfinden.

Das VG hat im Eilver­fahren die aufschie­bende Wirkung des Wider­spruchs wieder­her­ge­stellt. Die Beschwerde des Antrag­gegners vor dem OVG blieb ohne Erfolg. Das OVG begründete seine Entscheidung mit der Bedeutung der Versamm­lungs­freiheit gemäß Art. 8 GG. In der Abwägung dürfe die Leich­tigkeit des Straßen­ver­kehrs, insbe­sondere die Aufrecht­erhaltung eines gewissen Verkehrs­flusses zwar nicht völlig zurück­stehen. Angesichts einer angemel­deten Dauer von 7 Stunden und einer Sicher­stellung der Durch­fahrt von Polizei, Feuerwehr und Rettungs­fahr­zeugen sei die Gefahr erheb­licher Einschrän­kungen von der Antrags­gegner nicht hinrei­chend dargelegt worden. Denn es stünden ausrei­chend Bundes- und Landes­straßen zur Verfügung auf die ausge­wichen werden könne.

Auch im Zusam­menhang mit Klima­pro­testen haben einige Gerichte klarge­stellt, dass nicht jede Straßen­blo­ckade strafbar sei. Der Tatbe­stand der Nötigung erfordere eine einzel­fall­be­zo­genen Würdigung aller Tatum­stände, so etwa das Kammer­ge­richt Berlin. Aller­dings wurde schon bei weitaus weniger einschnei­denden und dauer­haften Blockaden eine Straf­barkeit angenommen. An sich ist verständlich, dass das OVG die Versamm­lungs­freiheit angesichts ihres Verfas­sungs­rangs stark gewichtet. Aller­dings muss dies dann für alle Protes­tie­renden unabhängig von ihren politi­schen Anliegen gelten. (Olaf Dilling)

2024-01-10T13:02:21+01:0010. Januar 2024|Allgemein, Kommentar, Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Erfolg­reicher Eilantrag gegen Kiezblock-„Poller“

In Berlin und anderen Großstädten gibt es viele Initia­tiven, um das urbane Wohnumfeld attrak­tiver zu machen und den Durch­gangs­verkehr aus dem Viertel heraus­zu­halten. Pate stehen Städte wie Barcelona, in denen bereits erfolg­reich Super­blocks einge­richtet wurden – sehr zur Förderung von Lebens­qua­lität und Verkehrssicherheit.

In Deutschland macht es das Verkehrs­recht den Gemeinden bekanntlich nicht leicht, den Kraft­fahr­zeug­verkehr zugunsten anderer Belange und Verkehrs­träger einzu­schränken. Dies zeigt auch wieder ein aktueller Fall, der im Eilver­fahren aktuell vor dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin entschieden wurde:

Im Bezirk Pankow hatte die Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­sammlung beschlossen, Maßnahmen zur Reduzierung des Durch­gangs­ver­kehrs zu ergreifen. Daraufhin hatte das zuständige Bezirksamt zur Einrichtung eines sogenannten „Kiezblocks“ die Straße mit einer Reihe Pollern gesperrt. Der zuneh­mende Durch­gangs­verkehr befuhr in der Straße unter anderem auch die schmalen Gehwege, die in schlechtem Zustand sind. Dies führt, neben allge­meinen Belas­tungen wie Abgas- und Lärm, regel­mäßig zu gefähr­lichen Situa­tionen zwischen Verkehrs­teil­nehmern, inbesondere für Kinder auf dem Weg zur Schule oder Kindertagesstätte.

Das Gericht hatte im Eilver­fahren ernst­liche Zweifel an der Recht­mä­ßigkeit der Sperrung. Die Belastung durch Abgase und Lärm sei nicht durch entspre­chende Messungen belegt worden. Außerdem sei die zur Sperrung erfor­der­liche Gefah­renlage nicht ausrei­chend begründet worden. Auch hier orien­tiert sich das Gericht an objektiv messbaren Größen wie Verkehrs­zäh­lungen, Unfall­zahlen und Ordnungs­wid­rig­keits­ver­fahren. Hierzu habe das Bezirksamt keine ausrei­chenden Angaben gemacht. Die Polizei habe sich zudem gegen die Sperrung ausge­sprochen und ein Mitar­beiter des Bezirksamts habe bei einem Ortstermin keine Verkehrs­ge­fähr­dungen feststellen können.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass das Straßen­ver­kehrs­recht zu hohe Anfor­de­rungen an die Begründung von verkehrs­be­ru­hi­genden Maßnahmen stellt. Zugleich scheint aber auch die Behörde nicht alles getan zu haben, um den Kiezblock rechts­sicher zu begründen. Zumindest der Nachweis der hohen Verkehrs­dichte wegen des Durch­gangs­ver­kehrs hätte unschwer durch eine Verkehrs­zählung nachge­wiesen werden können. Auch die rechts­widrige und gefähr­dende Benutzung der Gehwege ließe sich durch entspre­chende Ordnungs­wid­rig­keits­ver­fahren belegen.

Schließlich gäbe es zu einer Aufstellung der Poller als Verkehrs­ein­richtung nach § 45 Abs. 1 StVO auch die Alter­native, die Fläche, auf der die Poller aufge­stellt werden, straßen­rechtlich zu entwidmen oder teilein­zu­ziehen gemäß § 4 Abs. 1 BerlStrG. Dann sind die Anfor­derung an die Begründung geringer. Auch Aspekte der städte­bau­lichen Entwicklung oder des Umwelt­schutzes könnten dann eine Rolle spielen. Vielleicht sollte der Bezirk darüber noch einmal nachdenken. (Olaf Dilling)

2024-01-04T14:50:24+01:004. Januar 2024|Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Landge­richt Düsseldorf verur­teilt gas.de zur Rückzahlung von Preis­an­pas­sungen an zwei Kunden

Das Landge­richt Düsseldorf hat gestern am 07.12.2023 den Energie­ver­sorger gas.de Versor­gungs­ge­sell­schaft mbH im Rahmen eines Versäum­nis­ur­teils (gericht­liches Akten­zeichen 37 O 18/23 [EnW] ) zur Rückzahlung von unberechtigt erhobenen Entgelten für Gaslie­fe­rungen verurteilt.

Geklagt hatte ein Rechts­dienst­leister aus abgetre­tenem Recht für zwei betroffene Kunden in den Tarifen „grüngas classic“ und „grüngas easy24“. Streitig waren Preis­an­pas­sungen vom 21.11.2018 im Tarif grüngas classic und vom 01.03.2019 und 01.11.2021 im Tarif grüngas easy24. Der Rechts­dienst­leister argumen­tierte, dass die von gas.de vorge­legten Preis­an­pas­sungs­mit­tei­lungen nach seiner Rechts­auf­fassung nicht den gesetz­lichen Anfor­de­rungen entsprachen, wie sie zuletzt vom BGH präzi­siert worden waren.

Zum Verhand­lungs­termin erschien der beklagte Versorger (und auch dessen Anwälte) nicht. Das Landge­richt Düsseldorf erlies daher ein Säumnis­urteil. Im Rahmen eines solchen Säumnis­ur­teils prüft das Gericht nur, ob der Vortrag der Kläger­seite schlüssig ist und die Forderung rechtfertigt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

(Christian Dümke)

2023-12-08T13:40:47+01:008. Dezember 2023|Rechtsprechung|