Menschen­recht auf Klimaschutz

Der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte (EGMR) in Straßburg, nicht zu verwechseln mit dem Europäi­schen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, hat gesprochen: Drei Fälle waren zu entscheiden, in denen Kläger geltend gemacht hatten, durch Klima­wandel in ihren Menschen­rechten verletzt zu sein:

Zwar hat der EGMR nur der Klage des Vereins Klima­Se­nio­rinnen Schweiz statt­ge­geben. Dies ist in der Rechts­ent­wicklung dennoch ein bedeu­tender Schritt. Denn  dadurch wird bestätigt, dass es eine Art Menschen­recht auf Klima­schutz gibt. An sich steht das so nicht wörtlich in der Europäi­schen Menschen­rechts­kon­vention (EMRK), an dessen Maßstäben der Gerichtshof alle Klagen beurteilt. Der EGMR hat seine Entscheidung daher auf Art. 8 EMRK, das Recht auf Achtung des Privat- und Famili­en­lebens, und Art. 6, Recht auf ein faires Verfahren, gestützt. Der EGMR hat festge­stellt, dass Art. 8 auch ein Recht auf wirksamen Schutz durch den Staat vor erheb­lichen negativen Auswir­kungen des Klima­wandels auf Leben, Gesundheit und Lebens­qua­lität umfasst. Dieses Recht hätte die Schweiz verletzt, indem sie weder die Grenzen des Ausstoßes von Treib­haus­gasen quanti­fi­ziert hätte, noch sich an die bishe­rigen Reduk­ti­ons­ziele gehalten.

Der EGMR macht in seiner Entscheidung auch klar, dass die indivi­duelle Betrof­fenheit der vier Kläge­rinnen, die auch als natür­liche Personen auftraten, nicht hinrei­chend vorge­tragen worden sei. Aller­dings hätten sie als Verein ein Recht auf ein faires Verfahren im Namen von Individuen, für die der Klima­wandel aus gesund­heit­lichen Gründen eine besondere Bedrohung darstellt. Dieses Recht sei von den zustän­digen Schweizer Gerichten nicht ausrei­chend berück­sichtigt worden, ohne dass dies in den entspre­chenden Entschei­dungen hinrei­chend begründet worden sei.

Die beiden anderen Fälle wurden vom EGMR aus überwiegend formalen Gründen abgelehnt. So war der ehemalige Bürger­meister der franzö­si­schen Gemeinde Grande-Synthe inzwi­schen dort gar nicht mehr wohnhaft, so dass er durch die zu erwar­tenden Hochwasser nicht betroffen wäre. Bei den portu­gie­si­schen Kindern und Jugend­lichen wurde vom EGMR moniert, dass sie die inner­staat­lichen Rechts­mittel nicht ausge­schöpft hatten, bevor sie sich an den EGMR gewandt haben. Dies wider­spricht dem Grundsatz der Subsi­dia­rität: Zunächst müssen Rechte im fachge­richt­lichen Instan­zenzug einge­fordert werden, bevor Verfas­sungs­ge­richte oder der EGMR zuständig sein kann.

Außerdem hatten sich die Kläger in dem Fall gegen eine Vielzahl von Staaten gewandt. Hier zeigt sich ein grund­sätz­li­cheres Problem der extra­ter­ri­to­rialen Wirkung von (mangelndem) Klima­schutz. Nach Aufassung des EGMR ist er nicht für die Prüfung dieser extra­ter­ri­to­rialen Effekte zuständig. Das heißt, dass Menschen­rechts­ver­let­zungen, die auf der Verant­wortung von Dritt­staaten beruhen, unter der EMRK nicht justi­ziabel sind. Das lässt sich anhand der bishe­rigen Recht­spre­chung zur extra­ter­ri­to­rialen Geltung von Menschen­rechten in bewaff­neten Konflikten nachvoll­ziehen. Für die Univer­sa­lität der Menschen­rechte ist das dennoch eine etwas ernüch­ternde Nachricht. (Olaf Dilling)

 

 

2024-04-10T18:21:18+02:0010. April 2024|Allgemein, Rechtsprechung, Umwelt|

Landge­richt Düsseldorf weist Befan­gen­heits­an­träge in Schaden­er­satz­klagen gegen Stromio GmbH und gas.de Versor­gungs­ge­sell­schaft mbH zurück

Das Landge­richt Düsseldorf hat kürzlich in fünf Schaden­er­satz­klagen gegen die Stromio GmbH und vier Klage­ver­fahren gegen die gas.de Versor­gungs­ge­sell­schaft mbH die insgesamt neun Befan­gen­heits­an­träge der beiden Beklagten gegen die Zivil­kammer 14d des Landge­richts zurückgewiesen.Über diese Befan­gen­heits­an­träge hatten wir hier bereits schon einmal berichtet.

Die Klagen, die Schaden­er­satz­for­de­rungen von ehema­ligen Kunden der beiden Versorger wegen unberech­tigter Vertrags­kün­di­gungen zum Gegen­stand haben, sind Teil der Ausein­an­der­setzung, die die Rechte der Verbraucher und die recht­lichen Verpflich­tungen von Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen betrifft.

Die Befan­gen­heits­an­träge wurden am 21. Februar 2024 gestellt, um die für den 22. Februar 2024 angesetzten Termine zur mündlichen Verhandlung zur Aufhebung zu bringen. Die Beklagten argumen­tierten, dass die betei­ligten Richter mögli­cher­weise nicht die erfor­der­liche Neutra­lität und Unpar­tei­lichkeit aufweisen würden, um die Verfahren fair zu leiten und stützten sich auf die zuvor vom Landge­richt erlas­senen umfas­senden Hinweis­be­schlüsse zur Rechtslage.

Das Landge­richt Düsseldorf hat jedoch entschieden, dass die vorge­brachten Gründe nicht ausreichen, um die Befan­genheit der Richter anzunehmen. Die Ablehnung der Befan­gen­heits­an­träge markiert einen wichtigen Schritt in diesen recht­lichen Ausein­an­der­set­zungen und bestätigt die Unabhän­gigkeit und Integrität der Justiz.

Die Kläger haben behauptet, dass sie aufgrund unberech­tigter Vertrags­kün­di­gungen durch die Beklagten finan­zielle Schäden erlitten haben. Diese Klagen werfen wichtige Fragen hinsichtlich der Vertrags­freiheit, der Trans­parenz von Vertrags­be­din­gungen und der Rechte von Verbrau­chern auf. Die Entscheidung des Landge­richts Düsseldorf, die Befan­gen­heits­an­träge abzulehnen, ermög­licht es nun, dass die Verfahren fortge­setzt werden können.

Es bleibt abzuwarten, wie diese Fälle vor dem Landge­richt Düsseldorf weiter­gehen werden und welche Auswir­kungen sie auf die Recht­spre­chung im Bereich der Energie­ver­sorgung haben könnten.

(Christian Dümke)

2024-03-29T15:47:01+01:0029. März 2024|Rechtsprechung|

Schaden­er­satz­klagen gegen Stromio und gas.de – Befan­gen­heits­an­träge in neun Verfahren!

Gegen die beiden Energie­ver­sorger gas.de Versor­gungs­ge­sell­schaft mbH und Stromio GmbH sind derzeit diverse Schaden­er­satz­klagen beim Landge­richt Düsseldorf anhängig (wir berich­teten). Streit­ge­gen­stand sind Schaden­er­satz­an­sprüche von Letzt­ver­brau­chern, denen die beiden Versorger mit Sitz in Kaarst Ende 2021 und Anfang 2022 fristlos die Energie­lie­fer­ver­träge gekündigt hatten.

In drei Verfahren wurde der Versorger Stromio auch bereits zur Zahlung von Schaden­ersatz verur­teilt. Die Entschei­dungen sind noch nicht rechtskräftig.

In insgesamt neun dieser Klage­ver­fahren haben Stromio und gas.de nun Ableh­nungs­ge­suche nach § 42 ZPO wegen der Besorgnis der Befan­genheit der gegen drei Richter der für die Verfahren zustän­digen Zivil­kammer 14d des Landge­richts Düsseldorf gestellt. Die Befan­gen­heits­an­träge wurden 2 Tagen vor dem vom Gericht angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2024 einge­reicht und hatten eine Aufhebung des Verhand­lungs­termins zur Folge, da nun zunächst über die Befan­gen­heits­an­träge entschieden werden muss.

Begründet wurden die 5 Befan­gen­heits­an­träge von Stromio und 4 Befan­gen­heits­an­träge von gas.de wortgleich mit einem angeb­lichen Misstrauen gegen die Unpar­tei­lichkeit der mit den Verfahren befassten Richter, aufgrund der Einlas­sungen der Zivil­kammer 14d in Hinweis­be­schlüssen zu den Verfahren.

In den Hinweis­be­schlüssen hatte die Zivil­kammer jeweils mitgeteilt:

Die Klage dürfte nach derzei­tigem Sach- und Streit­stand auch in der Sache Aussicht auf Erfolg haben.“

und dies auch jeweils  unter Bezug­nahme auf die Einwände der Beklagten Versorger umfassend begründet. Die ZfK berichtete darüber. Ob im Rahmen der Begründung nun Anzeichen für eine angeb­liche Befan­genheit des Gerichts erkennbar waren, müssen nun andere Richter entscheiden, bevor das Verfahren fortge­setzt werden kann.

Über den weiteren Fortgang der Verfahren werden wir berichten.

(Christian Dümke)

2024-03-01T18:29:08+01:001. März 2024|Rechtsprechung|