Alles Abfall oder?

Die Frage wie lange (minera­lische) Abfälle noch Abfälle bleiben ist immer wieder Grund für kontro­verse Diskus­sionen mit (Überwa­chungs-) Behörden. Aus Sicht der Behörden ist es natürlich besser, wenn die Geltung des Abfall­rechts möglichst laaaange erhalten bleibt, dann greift nämlich das scharfe behörd­liche Instru­men­tarium des § 62 KrWG. Dies muss jedoch bei weitem nicht immer richtig sein. Die Recht­spre­chung zu § 5 KrWG und zu abfall­recht­lichen Anord­nungen in diesem Kontext ist jedoch weiterhin eher dünn. Begrü­ßenswert ist daher das Urteil des VG Köln vom 22.12.2023 (- 9 K 1267/20 – ), wobei es in diesem Fall vor allem um den Adres­saten abfall­recht­licher Pflichten ging.

Im Sachverhalt ging es um RC-Material, dass der spätere Kläger zum Befes­tigen eines Wirtschaftsweg im Landschafts­schutz­gebiet (auf einem der Stadt E. gehörenden Grund­stück) verwendet hatte. Dieses Material hatte er zuvor als „RCL 0–45“-Bauschutt erworben. Aus Sicht der Behörde handelte es sich bei dem Bauschutt und Erdaushubs jedoch um Abfall. Recycling­ma­te­rialien, wie die vorliegend verwen­deten, seien regel­mäßig mit Schad­stoffen belastet. Ihre Verwendung zur Befes­tigung eines Weges sei keine ordnungs­gemäße und schadlose Verwertung im Sinne des KrWG. Darüber hinaus verstoße die Auftragung auf den Boden auch gegen Wasser­recht und sei im Landschafts­schutz­gebiet verboten. Die Behörde erließ eine Ordnungs­ver­fügung gegen den „Handlungs­störer“. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Erfolg.

Das Verwal­tungs­ge­richt ließ kein gutes Haar an der Ordnungs­ver­fügung. Die ausdrücklich „nach den Vorschriften des Abfall­rechts“ erlassene Anordnung könne schon nicht auf Vorschriften des Wasser- oder Natur­schutz­rechts gestützt werden, zumal diese die ordnungs­gemäße Entsorgung und deren Nachweis gar nicht regeln. Es könne zudem dahin­stehen, ob die Tatbe­stands­vor­aus­set­zungen des § 62 KrWG überhaupt vorliegen. Das Gericht hat insofern bereits erheb­liche Zweifel an der – andau­ernden – Abfall­ei­gen­schaft (vgl. § 5 Abs. 1 KrWG) des vom Kläger auf dem Grund­stück aufge­brachten Recycling­ma­te­rials und an der Verant­wort­lichkeit des Klägers für die Erfüllung abfall­recht­licher Verpflich­tungen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 3 Nr. 8, 9 KrWG).

Die Anord­nungen waren aber jeden­falls deshalb rechts­widrig, weil der Beklagte die gesetz­lichen Grenzen des Ermessens überschritten und von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermäch­tigung nicht entspre­chenden Weise Gebrauch gemacht hat, vgl. § 114 Satz 1 VwGO. Die Behörde hatte jeden­falls bei Erlass des Bescheids grund­legend verkannt, wer überhaupt als Adressat einer Verfügung nach § 62 KrWG in Betracht kommt und somit bei der Störer­auswahl zu berück­sich­tigen ist. Die Kategorie des Handlungs­störers ist dem KrWG fremd. Soweit an ein konkretes Verhalten angeknüpft wird, gilt dies nur für die Erzeugung von Abfällen. Der Kläger hat aber selbst offen­kundig keine Abfälle erzeugt. Dies behauptet auch der Beklagte nicht. Er wirft ihm vielmehr die Verwendung von Abfällen vor. Diese stellt aber nach dem KrWG keinen Anknüp­fungs­punkt für die Inanspruch­nahme dar. Der Beklagte hatte jedoch auch die übrigen in Betracht kommenden Adres­saten der Ordnungs­ver­fügung nicht zutreffend und erschöpfend ermittelt. (Dirk Buchsteiner)