Die Entscheidung wurde lange erwartet: Können Energieerzeuger aus einem EU-Mitgliedstaat auf Basis des Energiecharta-Vertrags Schadensersatz von einem anderen EU-Mitgliedstaat verlangen, wenn der seine Gesetze ändert und die Investitionen des Energieerzeugers damit entwertet? Konkret wandten sich Uniper und RWE an ein internationales Schiedsgericht gegen die Niederlande, weil sie dort in Kohlekraftwerke investiert hatten, aber dann hatten die Niederlande beschlossen, aus der Kohleverstromung bis 2030 auszusteigen. Und die irische Mainstream Renewable klagte ebenfalls gegen Deutschland, weil sich die Rahmenbedingungen für Offshore Wind negativ verändert haben.
Doch besteht hier überhaupt eine Zuständigkeit eines internationalen Schiedsgerichts? Ist der Energiecharta-Vertrag mit seinen Investitionsschutzklauseln auch zwischen EU-Mitgliedstaaten anwendbar? Die Niederlande und die Bundesrepublik wollten das überprüft sehen, und gingen ungefähr zeitgleich vorm OLG Köln und vorm KG Berlin gegen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts vor.
Das OLG Köln verneinte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Es stand mit seiner Ansicht, innergemeinschaftliche Schiedsverfahren seien unzulässig, nicht allein. Der EuGH hat bereits in seiner Entscheidung Achmea (C‑284/16) festgehalten, dass innergemeinschaftliche Schiedsverfahren basierend auf bilateralen Investitionsschutzvereinbarungen unzulässig sind. U. a. in der Entscheidung Komstroy (C‑741/19) hat er im September 2021 dies auch für multilaterale Investitionsschutzklauseln ausgeurteilt.
Ganz anders entschied aber das KG Berlin. Es erklärte sich für unzuständig.
Die Entscheidung des BGH war deswegen mit Spannung erwartet worden. Der BGH entschied nun, dass bei innergemeinschaftlichen Streitigkeiten Gemeinschaftsrecht Völkerrecht (also hier dem Energiecharta-Vertrag) vorgeht. Die Schiedsverfahren seien deswegen unzulässig.
Zwar bestehe normalerweise eine Sperrwirkung vor den nationalen Gerichten, wenn ein Schiedsverfahren gestützt auf die Energiecharta-Investitionschutzklauseln läuft. Aber wenn das Unionsrecht sowieso in den zitierten Entscheidungen eine nachgelagerte Kontrolle solcher Schiedssprüche verlangt, ist eine vorgelagerte Kontrolle nach § 1032 Abs. 2 ZPO erst recht zulässig. Im Rahmen dieser Kontrolle stellte der Senat dann fest: Die innergemeinschaftlichen Schiedsverfahren verstoßen gegen Gemeinschaftsrecht, deswegen fehlt es an einem Angebot der EU-Mitgliedsstaaten zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung.
Photograph Tobias Helfrich, January 14th, 2005.
Zwar fühlen sich internationale Schiedsgerichte nicht an Entscheidungen nationaler Gerichte gebunden, aber klar ist damit doch: Schadensersatz in diesen Konstellationen auf Basis der Energiecharta wird es nicht geben. Für die Zukunft sind die meisten EU-Mitgliedstaaten bereits aus den bilateralen Investitionsschutzverträgen zwischen den EU-Staaten ausgestiegen. Die EU plant ohnehin, aus dem Energiecharta-Vertrag auszusteigen, die Bundesrepublik hat sogar schon konkrete Schritte unternommen, um ihre Mitgliedschaft zu beenden. Für grundsätzliche Fragen im Verhältnis Völker- und Europarecht bleibt die Entscheidung trotzdem interessant (Miriam Vollmer).
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