Berlin hat vor nunmehr gut vier Jahren das Mobilitätsgesetz auf den Weg gebracht, durch das Mobilität gesamthafter in den Blick genommen werden soll, als das bisher oft im Verkehrsrecht der Fall war. Natürlich kann ein Bundesland mit einem solchen Gesetz nicht die StVO aushebeln, denn das Straßenverkehrsrecht fällt gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Und da der Bund davon Gebrauch gemacht hat, hat er den Hut auf.
Allerdings geht im Verkehrsrecht nicht nur die Regelung des Verkehrs (und das ist Sache des Straßenverkehrsrecht des Bundes), sondern auch um die Gewährleistung der Infrastruktur, der Straßen. Das dafür relevante Straßenrecht ist im Wesentlichen Ländersache. Hier gibt es auch einige Spielräume für die Gestaltung der Verkehrspolitik und das Mobilitätsgesetz hat sich insofern schon für die Förderung des Umweltverbundes, also des ÖPNV, des Fuß- und Radverkehrs segensreich ausgewirkt, sei es durch Priorisierung des Ausbaus vom ÖPNV-Streckennetz, von Rad- und Fußwegen als auch durch Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit.
Nun ist es in einem Industrieland schwierig, die Wirtschaft ausschließlich durch ÖPNV und nichtmotorisierten Verkehr am Laufen zu halten. Daher sollte als weitere Teil des Mobilitätsgesetzes der zum Wirtschaftsverkehr kommen, der auch schon seit mehr als einem Jahr als Referentenentwurf vorliegt. Leider lässt die Verabschiedung dieses wichtigen Teils auf sich warten. Das ist misslich, da hier große Potentiale liegen für eine nachhaltigere Verkehrspolitik. Dazu zählen unter anderem:
#Förderung emissionsarmer Fahrzeuge
#Erhaltung und Reaktivierung von Schienen- und Wasserstraßen
#Vorrang für Liefer- und Ladezonen gegenüber Pkw-Parkplätzen
#Einrichtung lokaler Umschlagplätze.
Mit der pandemiebedingten Zunahme des Versandhandels und dem immer größeren Parkdruck wird es immer schwieriger den Liefer- und Ladeverkehr flüssig abzuwickeln. Hier könnte das Mobilitätsgesetz Abhilfe schaffen (Olaf Dilling).
In Art. 72 Absatz 2 GG wird die Gesetzgebungskompetenz im Straßenverkehr auf die Erforderlichkeit zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung beschränkt. Dem Wortlaut nach ist somit durchaus Straßenrecht auf Länderebene zulässig und zwar immer dann, wenn Regelungen für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit nicht im gesamtstaatlichen Interesse sind. Wenn „Vorrang für Liefer- und Ladezonen gegenüber Pkw-Parkplätzen“ festgelegt wird, trifft Berlin Regelungen im Straßenverkehr, die keine bundeseinheitliche Regelung bedürfen. Wobei ich spitzfindigerweise anmerken möchte, dass Liefer- und Ladezonen auch für Pkw (ebenso für (Lasten-)räder) sein dürften, wenn das entsprechende VZ kommen sollte; bei 1012–30 ist das auf jeden Fall so. Baulich unterschieden sich die Parkplätze kaum hinreichend und ein Landesgesetz kann man kaum als Ausführungsregelung zur StVO im Rahmen von Art. 83 GG ansehen.
Genau, Herr Paul, Straßenrecht ist im Gegensatz zum Straßenverkehrsrecht Ländersache. Die Priorisierung von Parkplätzen des Ladeverkehrs hat zu beiden Rechtsgebieten Bezüge und diese Passage des Mobilitätsgesetzes wäre entsprechend restriktiv anzuwenden.
Ups, es sollte „Dem Wortlaut nach ist somit durchaus StraßenVERKEHRSrecht auf Länderebene zulässig“ heißen, auch wenn die VwV-StVO Rn. 3 anderes behauptet.
Die Herausforderung ist, zu unterschieden was für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist und was nicht. Es heißt „wenn und soweit“ und nicht „wenn teilweise, dann ganz“.