Abfallrecht und Vorsorge: Immer auf dem Teppich bleiben…
Was Abfall ist und was Produkt oder Sekundärrohstoff ist oft gar nicht so leicht zu beantworten. Beispielsweise in dem Fall eines Bayrischen Herstellers von Reitbödenbelägen. Der vertreibt für Reiterhöfe seit 20 Jahren den Reitbodenbelag „ASground“ , ein äußerst pflegeleichtes und wetterfestes Material, das von den Reiterhöfen daher gut angenommen wurde. Da das Material zudem weich und elastisch ist, dürften Reiter, die vom Pferd geworfen werden, sich so fühlen, als würden sie ins Federbett fallen. Es gibt aber ein Problem mit diesem Stoff: Es handelt sich um ein Produkt, dass aus gestanzten Teppichresten aus der Automobilindustrie hergestellt wird. Mit anderen Worte ist es eine Art Recycling- oder Abfallprodukt.
Und hier fangen die rechtlichen Probleme an, denn ist dieses Material nun ein neues Produkt oder weiterhin Abfall und damit nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) zu behandeln? Denn zweifellos waren die Teppichreste aus der Automobilindustrie mal Abfall. Aber ist durch das gleichmäßige Stanzen oder Schreddern in Flocken, die sich als Belag für Reitböden eignen, ein neues Produkt geworden?
So ganz trivial und unerheblich ist die Frage nicht. Der erste Eindruck spricht für Abfall, denn ehrlich gesagt nennen auch die Eigentümer von Pferdehöfen selten den Handelsnamen, sondern sprechen schlicht von Teppichstanzresten. Im vergangenen Jahr hat sich jedoch der Bayrische Verwaltungsgerichtshof vertieft mit der Frage befasst:
Denn der zuständige Landkreis hatte dem Hersteller des Reitbodenbelags mehrere Auflagen für den Vertrieb erteilt, die Vermarktung seines Produkts sehr erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht hätten. Daraufhin hat der Hersteller Klage gegen diese abfallrechtliche Verfügung erhoben und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt. Dies wurde vom erstinstanzlich zuständigen Verwaltungsgericht zunächst abgelehnt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat demgegenüber die aufschiebende Wirkung in seinem Beschluss wieder hergestellt. Denn angesichts der voraussichtlich sehr stark in die Geschäftstätigkeit des Herstellers eingreifenden Auflagen sei im Eilrechtsschutz eine sorgfältige Abwägung der Interessen angezeigt. Hier hätte das Verwaltungsgericht zunächst einmal verkannt, dass auch im Abfallrecht die Behörde „nicht ins Blaue hinein“ Gefahren annehmen dürfe, die nicht plausibilisiert worden seien oder – in diesem Fall – sogar durch ein Gutachten des Antragsstellers entkräftet wurden.
Zudem könne der Reitbodenbelag nicht ohne weiteres als Abfall qualifiziert werden. Vielmehr könne nach der Bestimmung des § 5 Abs. 1 KrWG ein Ende der Abfalleigenschaft angenommen werden, wenn ein Verwertungsverfahren durchlaufen sei und bestimmte weitere Kriterien erfüllt sind, die der Verwaltungsgerichtshof hier auch nach erstem Anschein erfüllt sieht.
Für die Entscheidung spricht auch eine Reflexion über den Kontext und die Wirkungen des Abfallrechts: Obwohl im Abfallrecht rechtspolitisch und dem Grundsatz nach eine Priorisierung der Verwertung und des Recyclings vorgesehen ist, kann eine allzu starke Ausdehnung des Abfallregimes „nach hinten raus“ auf Sekundärrohstoffe dazu führen, dass innovative Lösungen hier durch Bürokratie erstickt werden. Insofern weist diese Entscheidung in die richtige Richtung (Olaf Dilling).