Wir berich­teten ja neulich anekdo­tisch über unseren eigenen Umgang mit unserer fehlerhaft überhöhten Strom­rechnung und erläu­terten daran beispielhaft die in einer solchen Rechnung enthal­tenen Pflicht­in­for­ma­tionen, die im Streitfall durchaus mal nützlich sein können. Daraus entspann sich auch auf Twitter die eine oder andere Diskussion über Verbrau­cher­rechte – und darunter wiederum die inter­es­sante Frage, ob der Energie­ver­sorger in der Abrechnung ausdrücklich kenntlich machen müsse, ob er die Zähler­stände tatsächlich abgelesen oder aber nur geschätzt hat.

Hierzu muss man zunächst wissen, dass der Gesetz­geber grund­sätzlich davon ausgeht, dass Energie­ver­brauchs­ab­rech­nungen auf Basis von echten Messwerten erstellt werden müssen.

In § 40 Abs. 2 Nr. 4 EnWG ist deswegen festgelegt, dass in der Rechnung der ermit­telte Verbrauch im Abrech­nungs­zeitraum und bei Haushalts­kunden Anfangs­zäh­ler­stand und den Endzäh­ler­stand des abgerech­neten Zeitraum ausge­wiesen werden müssen. Diese Pflicht zur Ausweisung der Zähler­stände wäre sinnlos, wenn der Versorger die realen Zähler­stände gar nicht erfassen müsste. Hinzu kommt, dass § 40 Abs. 2 Satz 3 EnWG dem Versorger ein Recht zur Verbrauchs­schätzung nur im Ausnah­mefall zubilligt, nämlich „soweit der Lieferant aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, den Verbrauch nicht ermitteln kann“. Der § 11 Abs. 3 StromGVV regelt das Gleiche noch einmal speziell für die gesetz­liche Grund­ver­sorgung. § 18 StromGVV enthält zudem ein eigenes Schät­zungs­recht für den Fall der techni­schen Fehler­haf­tigkeit der Messeinrichtung.

Die Abrechnung auf Basis einer Schätzung statt einer Messung, in Fällen, wo die Messung möglich gewesen wäre, ist damit unzulässig. Tritt hierbei ausnahms­weise die besondere Situation ein, dass eine gesetz­liches Schät­zungs­recht des Versorgers nicht besteht, die eigentlich vorzu­neh­mende Messung aber auch nicht mehr nachgeholt werden kann, muss das Versor­gungs­un­ter­nehmen den tatsäch­lichen Verbrauch, sofern er bestritten ist, im gericht­lichen Verfahren zur Überzeugung des Tatrichters nachweisen (BGH, Urteil vom 16.10.2013 – VIII ZR 243/12).

Hiervon zu unter­scheiden sind sogenannte Zwischen­stände innerhalb des Abrech­nungs­zeit­raumes, etwa wenn sich der Verbrauchs­preis oder einzelne Steuern ändern und deshalb in der Endab­rechnung eine Mengen­ab­grenzung notwendig wird. Hier darf der Grund­ver­sorger nach § 12 Abs. 2 StromGVV eine Abgrenzung auf Basis einer Schätzung vornehmen.

Aber was ist jetzt mit der Frage, ob der Versorger in der Rechnung überhaupt kenntlich machen muss, dass er von einem Schät­zungs­recht Gebrauch gemacht hat? Wir meinen schon, denn § 40 Abs. 6 EnWG verpflichtet den Versorger „die für Forde­rungen maßgeb­lichen Berech­nungs­fak­toren in Rechnungen unter Verwendung standar­di­sierter Begriffe und Defini­tionen auszu­weisen“ in Kombi­nation mit der Pflicht zur Angabe der Zähler­stände nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 EnWG kann dies nur bedeuten, dass der Versorger es als maßgeb­lichen Umstand kennzeichnen muss, ob die in der Rechnung abgedruckten Zähler­stände der Realität entsprechen oder nur eine Schätzung und damit einen vermu­teten Näherungswert darstellen. Eine nicht gekenn­zeichnete Schätzung könnte dem Versorger im schlimmsten Fall sogar als Täuschung ausgelegt werden.

(Christian Dümke)