Deutschland ist nicht das einzige Land, dass eine Energiewende betreibt. In unserer Reihe „Energiewende weltweit“ wollen wir daher über den Tellerrand schauen.
Während Großbritannien aufgrund seines EU-Ausstiegs nicht unbedingt überall an Anerkennung gewinnt, so nimmt das Land, in dem die Industrielle Revolution ihren Ursprung hatte und welches damit auch einen Grundstein für den Klimawandel setzte, hinsichtlich des Klimaschutzes eine Vorreiterrolle ein und setzt damit unter Umständen die ambitioniertesten Ziele weltweit.
Bereits seit 2008 gilt in Großbritannien ein strenges Klimaschutzgesetz, der sogenannte Climate Change Act. Großbritannien war damit weltweit das erste Land, welches sich selbst gesetzlich zur Treibhausgasreduktion verpflichtete. Die ursprüngliche Verpflichtung, bis 2050 80 Prozent der Treibhausgasemissionen einzusparen, wurde inzwischen dahingehend verschärft, dass 2050 bereits die Klimaneutralität erreicht sein soll. Im Rahmen des Climate Change Acts wurde deshalb bis 2032 ein periodischer Zeitrahmen von je 5 Jahren festgesetzt, in welchem ein jeweilig festgelegtes CO2-Budget ausgestoßen werden darf, welches dann mit jeder Periode kleiner wird. Außerdem gibt es in Großbritannien eine CO2-Abgabe, welche von Unternehmen und Großabnehmern gezahlt wird – indirekt jedoch auch durch Privathaushalte getragen wird.
Im Zuge des Climate Change Acts wurde auch das Committee on Climate Change gegründet: ein unabhängiges Beratergremium der Regierung, das die Fortschritte beim CO2-Sparen laufend bewertet. Dieses hatte nur wenige Tage vor dem virtuellen UN-Gipfel am 12. Dezember 2020 neue, verschärfte Klimaschutzziele empfohlen: die Treibhausgasemissionen sollen im Jahr 2030 nun nicht mehr nur 57, sondern sogar 68 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen. 2019 erreichte Großbritannien bereits ein Minus von rund 45 Prozent. Erreicht werden soll das ehrgeizige Ziel durch eine sogenannte „grüne industrielle Revolution“, wie Boris Johnson verkündete.
Bis 2030 sollen Neuzulassungen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor verboten sein. Ab 2035 soll dies auch für Hybridfahrzeuge gelten. Im Gegenzug will der Staat knapp 3 Milliarden Pfund in Ladesäulen, Kaufprämien für Elektroautos und die Batterieproduktion investieren. Ferner will Großbritannien weltweiter Technologie-führer beim Speichern von CO2 werden, also der Abscheidung und Lagerung (Carbon Capture and Storage, kurz CCS), und auch den Einsatz von Wasserstoff als Energieträger fördern. Außerdem soll die Offshorewindkraft bis 2030 massiv ausgebaut und dadurch eine Vervierfachung der durch Windkraft erzeugten Energie erreicht werden. Damit könnte bereits die Hälfte des Stromverbrauches im Land gedeckt werden.
Hinsichtlich des Kohlestroms hat Großbritannien bereits eine bemerkenswerte Energiewende vollzogen: während 2008 noch fast 34 Prozent des elektrischen Stroms aus Kohlekraftwerken stammte, lag der Wert 2019 nur noch bei 2 Prozent. 2024 soll dann der letzte Kohleblock vom Netz gehen. Außerdem sollen die Heizungen britischer Wohnungen von Erdgas auf Wärmepumpen umgestellt werden und damit deutlich klimafreundlicher sein, was die Regierung mit reichlich Geld subventionieren will.
Doch auch in Großbritannien gilt: grün ist nicht immer gleich grün. Denn im Rahmen seiner Energiewende will die britische Regierung nicht auf Nuklearenergie verzichten, sondern diese vielmehr ausbauen. Rund 525 Millionen Pfund sollen in die Erforschung und Entwicklung von Kernkraft-Reaktoren gesteckt werden.
Nichtsdestotrotz landet Großbritannien verdientermaßen auf Platz 5 des aktuellen Klimaschutz-Index der Organisation Germanwatch – gleich hinter Schweden, welches an der Spitze des Index steht, da sich laut der Autoren noch kein Land angemessen für die Begrenzung der Erderwärmung engagiert um auf Platz 1 bis 3 zu gelangen.
(Josefine Moritz)
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