Emissi­ons­handel: Was ist Fernwärme?

Wer mit Fernwärme zu tun hat, hat eine recht feste Vorstellung, was Fernwärme ist: Fernwärme stammt aus zentralen Wärme­er­zeu­gungs­ein­rich­tungen, meistens einem Heizkraftwerk (HKW), und sie wird mit einem Rohrlei­tungsnetz zu einer Vielzahl von Verbrau­chern trans­por­tiert. Genauer hat es weder der Deutsche noch der europäische Gesetz­geber definiert, und bisher kommt die Praxis mit dieser relativen Offenheit des Begriffs auch ganz gut aus. 

Absehbar ist aller­dings, dass im laufenden Jahr viele Anlagen­be­treiber vor dem Problem stehen werden, Fernwärme nun doch etwas genauer zu definieren. Denn während in der Vergan­genheit bei der Zuteilung von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen kein Unter­schied zwischen Fernwärme und (Non-CL-)Wärme, die zu anderen Zwecken verkauft wurde, gemacht wurde, ist das in Zukunft anders: Ab 2026 wird die Zuteilung von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen für Fernwärme stabil bei 30% einer Bench­mark­zu­teilung bleiben. Wohin­gegen die Zuteilung für Wärme, die weder als abwan­de­rungs­be­droht gilt (CL), noch als Fernwärme verkauft wird, ab 2026 von 30 % auf Null sinkt.

Die europäi­schen Zutei­lungs­re­ge­lungen definieren Fernwärme nun in Art. 2 Nummer 4 FAR. Hiernach ist Fernwärme in gewohnt sperriger Manier die Verteilung messbarer Wärme zur Raumheizung oder ‑kühlung oder zur Warmwas­ser­be­reitung in Haushalten über ein Netzwerk an Gebäude oder Standorte, die nicht unter das EU-EHS fallen, ausge­nommen messbare Wärme, die für die Herstellung von Produkten oder ähnliche Tätig­keiten oder die Strom­erzeugung verwendet wird;“

Dem Leser stellt sich angesichts dieser Formu­lierung die Frage, ob die Verwendung im Haushalt nur für die Warmwas­ser­be­reitung maßgeblich ist, oder auch für Heizung und Kühlung. Die Formu­lierung lässt nämlich beide Lesarten zu. Leitfaden 1 der DEHSt beant­wortet diese Frage leider nicht, weil er aus ungeklärten Gründen das Haushalts­kri­terium gar nicht erwähnt. Immerhin ist die Guidance 2 der Kommission insoweit hilfreich, als dass sie auf Seite 26 durch ihre redak­tio­nelle Gestaltung, einen verklam­mernden Fettdruck, verdeut­licht, dass die Kommission offenbar bei Heizen und Kühlen großzü­giger sein möchte als bei der Warmwas­ser­be­reitung. Aber ergibt das Sinn? Kann die Wärme, mit der das Büroge­bäude einer Bank beheizt wird, dem Zutei­lungs­element Fernwärme unter­fallen, das warme Wasser im selben Büro aber nicht? Oder handelt es sich hier um ein so nicht vorher­ge­se­henes und auch nicht beabsich­tigtes Redaktionsversehen?

Hier steht zu hoffen, dass Kommission oder zumindest die DEHSt ihr Begriffs­ver­ständnis noch einmal klarstellen. Bei großen Abwei­chungen wird man ansonsten im Einzelfall prüfen müssen, ob und wie der Antrag diffe­ren­zieren sollte. 

2019-02-11T10:20:16+01:0011. Februar 2019|Emissionshandel, Wärme|

Zutei­lungs­än­derung nach Auslas­tungs­än­derung: Konsul­tation der Kommission

Aktuell orien­tiert sich die Höhe von Zutei­lungen von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen für emissi­ons­han­dels­pflichtige Anlagen an der Produktion in der Vergan­genheit. In vielen Fällen bildet diese auch die Gegenwart halbwegs zutreffend ab. Doch dann, wenn sich die Auslastung einer Anlage zwischen­zeitlich geändert hat, kommt es immer wieder zu Diskre­panzen zwischen Auslastung und Bedarf, die nicht vom generellen Minde­rungs­ge­danken gedeckt sind. 

Insbe­sondere dann, wenn die Produktion gestiegen ist, ist dies für den Anlagen­be­treiber nachteilig. Geht die Auslastung stark zurück (>50 %) ändert die deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) Zutei­lungen nach unten ab. Doch bei steigender Auslastung gibt es nur dann zusätz­liche Zerti­fikate, wenn ein Anlagen­be­treiber zugebaut oder ander­weitig physisch geändert hat.

Immerhin: Dies hat der europäische Richt­li­ni­en­geber als Mangel erkannt. Deswegen soll ab 2015 die Höhe der Zuteilung angepasst werden, wenn die Auslastung der Anlage auf Grundlage des gleitenden Durch­schnitts von zwei Jahren sich um 15 % oder mehr ändert, und zwar sowohl nach unten als auch nach oben. Erstmals wird also auch demje­nigen geholfen, der ohne Zubau mehr produziert. 

Die Details dieser Regelung finden sich aller­dings nicht in der Richt­linie selbst und auch nicht in den FAR. Die Kommission soll die Details vielmehr in einem weiteren delegierten Rechtsakt erlassen. In Vorbe­reitung dessen führt die Kommission aktuell eine Konsul­tation durch. Hier stellt sie u. a. mehrere Regelungs­al­ter­na­tiven vor.

Zunächst fragt die Kommission, ob propor­tional zur tatsäch­lichen Änderung oder stufen­weise angepasst werden soll. Weiter wirft sie die Frage auf, ob ein Mindest­schwel­lenwert einge­führt werden soll, Anpas­sungen also nur dann statt­finden sollen, wenn eine gewisse Mindest­anzahl von Zerti­fi­katen angepasst würde. Dies hätte vor allem für kleinere Anlagen erheb­liche Auswir­kungen, würde aber gleich­zeitig allen Betei­ligten Verwal­tungs­aufwand sparen.

Die dritte Frage der Kommission beschäftigt sich mit dem Beginn der Auslas­tungs­er­hebung. Zur Auswahl stehen die Jahre 2021, 2022 und 2023. Diese Frage ist insofern etwas überra­schend, als dass die Unter­nehmen ohnehin im Rahmen der jährlichen Mitteilung zum Betrieb schon jetzt über ihre Auslastung berichten. Aus den letzten Zutei­lungs­ver­fahren liegen den Behörden zudem auch Auslas­tungs­zahlen für die Vergan­genheit vor. Es mag im Einzelfall zu Abwei­chungen kommen, insbe­sondere, wenn sich durch abwei­chende Regelungen etwa innerhalb der CL-Liste der abwan­de­rungs­be­drohten Sektoren Zutei­lungs­ele­mente verschieben. Aber im Großen und Ganzen dürften diese Fälle keine flächen­de­ckende Neuer­hebung rechtfertigen.

Den erheb­lichen Verwal­tungs­aufwand hat die Kommission offenbar als nicht unpro­ble­ma­tisch erkannt, jeden­falls fragt sie in der Konsul­tation nach Möglich­keiten, den Verwal­tungs­aufwand zu verringern, und auch nach der Notwen­digkeit weiterer Sicherheitsvorkehrungen.

Die Konsul­tation läuft noch bis zum 22. Februar 2019. Es ist zu empfehlen, diese Frist nicht auszu­reizen, denn es gab in der Vergan­genheit teilweise technische Probleme.

2019-01-09T23:36:59+01:009. Januar 2019|Emissionshandel, Industrie, Strom, Umwelt, Wärme|

Die 4. Handel­s­pe­riode des ETS: Der aktuelle Zeitplan für die Zuteilung

Rechnen Sie eigentlich mit einer pünkt­lichen Zuteilung vor Beginn der nächsten Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handel am 1.1.2021? Wenn dem so sein sollte, melden Sie sich bei uns, wir nehmen noch Wetten an.

Besonders wahrscheinlich erscheint es uns aller­dings schon heute nicht. Denn bereits jetzt befindet sich die Kommission mehrere Monate in Verzug. Die erst im Entwurf vorlie­genden Zutei­lungs­regeln sollten nämlich eigentlich bereits im Oktober 2018 beschlossen werden. Das hat aller­dings nicht funktio­niert. Erst Ende November fand noch einmal eine Konsul­tation der Öffent­lichkeit statt. Wir wären deswegen sehr überrascht, wenn die Zuteilung noch im laufenden Jahr verab­schiedet würden. Und auch die überar­beitete Liste der als abwan­de­rungs­be­droht geltenden Sektoren, die eine privi­le­gierte Zuteilung erhalten, liegt noch nicht vor.

Auf deutscher Seite muss man auf die Kommission warten, schließlich sind die Zutei­lungs­regeln inzwi­schen vollver­ge­mein­schaftet. Das ist insofern ein Problem, als das die für das Zutei­lungs­ver­fahren erfor­der­liche Software, aber auch die faktisch wichtigen Leitlinien und nicht zuletzt natürlich die geplante Emissi­ons­han­dels­ver­ordnung 2030 (EHV) noch nicht abschließend erarbeitet werden können. Und auch die Anlagen­be­treiber können sich noch nicht vorbe­reiten. Solange nicht klar ist, welche Branchen als abwan­de­rungs­be­droht gelten, können zB Wärme­er­zeuger noch keine Zutei­lungs­ele­mente bilden. Ein Rückgriff auf die letzte Handel­s­pe­riode verbietet sich ja schon deswegen, weil nicht alle Sektoren, die bis 2020 als CL gelten, auch in Zukunft auf der Liste stehen werden. 

Ähnliches gilt für Fernwärme. Fernwärme wird gleich­falls, wenn auch in viel gerin­gerem Umfang, privi­le­giert, aber bis jetzt fehlt es an Kriterien, die es der kommu­nalen Wärme­er­zeugung ermög­lichen würden, die Wärme­mengen zusam­men­zu­stellen, die unter die Privi­le­gierung fallen. Schließlich beliefert niemand ausschließlich Haushalte. Muss hier diffe­ren­ziert werden? Was muss man nachweisen? Reichen die Bilanzen, die man hat? Hier gibt es noch viele Fragen. Entspre­chend unzuver­lässig und speku­lativ sind alle Abschät­zungen, die derzeit erstellt werden (wir haben aber auch ein Modell, das berück­sichtigt, was bereits bekannt ist).

Es hieß zuletzt aus dem feder­füh­renden Umwelt­mi­nis­terium, das derzeit noch an der Planung festge­halten wird, das Zutei­lungs­ver­fahren in den Monaten Mai, Juni und Juli 2019 durch­zu­führen. Es ist aber angesichts der aktuellen Zeitver­schiebung im Plan nicht unwahr­scheinlich, dass das Verfahren nach hinten rückt. Sollten Sie schul­pflichtige Kinder haben, haben Sie also hoffentlich einen guten Plan B. Haben Sie eigentlich schon die Großeltern gefragt, was sie im nächsten Sommer vorhaben?

Im Anschluss wird es hektisch für die Behörde. Am 30.09.2019 müssen die Zutei­lungs­daten an die Kommission. Dieser Termin ist fix. Bisher gilt: Kommt ein Mitglied­staat zu spät mit seiner Liste, bekommen die Anlagen­be­treiber im jewei­ligen Mitglied­staat nichts. Aber kann es wirklich sein, dass die Anlagen­be­treiber es ausbaden müssen, wenn die Kommission trödelt? Wie dem auch sei: für die deutsche Emissi­ons­han­del­stelle (DEHSt) wird der nächste Sommer unabhängig von der Witterung heiß.

Liegen der Kommission erst einmal alle Anträge aus den Mitglied­staaten vor, wird sie bis März 2020 die für die Berechnung der Zuteilung erfor­der­lichen Bench­marks festlegen. Der Anlagen­be­treiber stellt seinen Antrag im nächsten Sommer also ohne wissen zu können, was das in Zerti­fi­katen genau ergibt. Klar scheint aber schon jetzt zu sein: Die Einschnitte werden erheblich.

Eine Zutei­lungs­ta­belle mit Zahlen soll es erst im Herbst 2020 geben. Der Zutei­lungs­be­scheid wird darauf erst im Winter 2020 versandt. Es ist also schon im offizi­ellen Zeitplan alles Spitz auf Knopf. Sollte es den Akteuren nicht gelingen, die schon jetzt zweimo­natige Verspätung aufzu­holen, so wird es wohl erneut eine Zuteilung ganz knapp vor der Abgabe für das Jahr 2020 geben, eine Bench­mark­ent­scheidung in übernächsten Sommer, eine Verschiebung der Frist für die Übermittlung der Zuteilung vom 30.09.2019 auf einen etwas späteren Termin und mögli­cher­weise ein Zuteilung Verfahren für die Betreiber im Hochsommer und frühen Herbst des nächsten Jahres.

2018-12-05T08:48:19+01:005. Dezember 2018|Emissionshandel, Industrie, Strom, Umwelt, Wärme|