Strafschärfungen für Klimaschützer, Zweiter-Reihe-Parker und Karnevalisten?
Thomas Fischer, ehemals BGH-Richter ist eine Art Urviech des deutschen Strafrechts. Er hat nicht nur den Kommentar zum Strafgesetzbuch verfasst, mit denen Referendare ihr zweites Staatsexamen schreiben, sondern ist auch medial äußert präsent und nimmt gerne Stellung zu allen möglichen Fragen. So auch letzte Woche zu der hitzig debattierten Frage, wie man mit Klimaprotesten, insbesondere Straßenblockaden umgehen soll.
Fischer hat dabei keine Scheu, mit den Protestierenden schwer ins Gericht zu gehen, wie sein Beitrag in der LTO zeigt: Wenn sich Demonstranten an der Straßen festkleben würden, dann sei das eine Nötigung, bei der nicht nur eine vorübergehende Behinderung gewollt ist und auch Fahrzeuge in zweiter und dritter Reihe betroffen seien. Dass die Autofahrer auch dringliche Anliegen hätten, wie Arztbesuche oder ähnliches, sei nämlich nahe liegend. Die Demonstrierenden könnten ihren (bedingten) Vorsatz nicht dadurch ausschließen, dass sie allen Betroffenen „von Herzen wünschten“, dass ihnen durch die Verzögerungen nichts zustoßen möge. Letztlich komme es aber bei Feststellung des Vorsatzes auf die individuellen Umstände des Einzelfalls an, beispielsweise, ob die Demonstrierenden tatsächlich, wie von ihnen behauptet, auf das Freihalten einer Rettungsgasse achten würden.
Allerdings wäre Fischer nicht Fischer, wenn er am Schluss nicht doch eine ironische Volte folgen ließe: Dieser Mainstream würde notorisch übersehen, dass die gleiche Problematik des bedingten Vorsatzes auch für das gefährdende Fahren mit 50 km/h durch die Tempo-30er-Zone, das Parken in zweiter Reihe, das Missachten der Rettungsgasse oder selbst noch für Karnevalisten gelten würde, die mit ihrem Zug Rettungseinsätze behindern würden. Insofern könnten alle aktuellen Überlegungen, Autofahrern durch Strafschärfung gegenüber Autobahnblockierern einen Dienst zu erweisen, diese am Ende selbst treffen. (Olaf Dilling)