UVP: EuGH zur effektiven Öffentlichkeitsbeteiligung
Bei Vorhabenträgern sind Öffentlichkeitsbeteiligungen oft – wir übertrieben nicht – so beliebt wie Kopfläuse. Menschlich ist das verständlich: Man hat sich für ein Projekt entschieden, die Finanzierung steht, da sind Interventionen Dritter, die den Bau verzögern oder sogar ganz verhindern können, natürlich denkbar unwillkommen. Das gilt nicht nur in Deutschland. Auch in anderen Mitgliedstaaten stöhnen Vorhabenträger und Behörden unter den Vorgaben der UVP-Richtlinie, die bei vielen Genehmigungsverfahren Beteiligungen der Öffentlichkeit verbindlich vorschreibt.
Auf der griechischen Insel Ios wollte ein Vorhabenträger ein Hotel errichten. Das Vorhaben erforderte eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Da sich die Öffentlichkeit naturgemäß nur dann beteiligen kann, wenn sie überhaupt von dem Vorhaben erfährt, wurde sie informiert. Der Haken an der Sache: Informiert wurde nicht auf Ios, wo das Hotel entstehen sollte. Sondern mit einem Aushang im 55 Seemeilen entfernten Styros und in der Lokalzeitung von Styros. Auf Styros sollte auch die Konsultation selbst stattfinden. Dort ist nämlich die Genehmigungsbehörde ansässig.
Die Bewohner von Ios bekamen von dieser Information nichts mit. Sie erfuhren erst dann vom Vorhaben, als auf dem zuvor idyllischen Eiland Bagger rollten. Als sie hiergegen vorgingen, wurde ihnen entgegengehalten, dass sie die zulässige Einwendungsfristen verpasst hätten. Dies war formell auch zutreffend: Die Öffentlichkeitsbeteiligung hatte im Sommer 2013 stattgefunden, genehmigt worden war 2014, und erst 2016 wurde geklagt. Im Vorlageverfahren sollte der EuGH die Frage klären, ob hier wirklich Verfristung eingetreten sein kann.
Der EuGH verneinte diese Frage im Ergebnis. Er stellte zwar klar, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, wie sie über Öffentlichkeitsbeteiligungen informieren. Er erinnerte aber daran, dass die Information effektiv sein muss. Hierzu führte er aus (Rdnr. 32):
„die zuständigen Behörden müssen sich vergewissern, dass die verwendeten Informationskanäle vernünftigerweise als geeignet angesehen werden können, um die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit zu erreichen, so dass ihnen eine angemessene Möglichkeit gegeben ist, sich über geplante Tätigkeiten, das Entscheidungsverfahren und ihre frühzeitigen Beteiligungsmöglichkeiten zu informieren.“
Da eine Information auf Styros kaum geeignet ist, die Bewohner von Ios zu informieren, dürfte auch nach einer Aufarbeitung der Sachlage durch das griechische Gericht das Verspätungsargument hinfällig sein.
Was bedeutet das nun für die Praxis in Deutschland? Inseln sind hier zwar um Einiges seltener als in Griechenland. Aber die Genehmigungsbehörden müssen sich auch hier kritisch hinterfragen, ob die Öffentlichkeit wirklich erreicht wird, wenn sie informieren, und auch die Termine selbst beteiligungsfreundlich organisiert werden (Miriam Vollmer).