Verkehrs­pläne und städte­bau­liche Konzepte

Mit der jüngsten Reform der StVO bekommt die Stadt- und Verkehrs­planung einen neuen Stellenwert. So können nicht nur zum Schutz der Umwelt und Gesundheit, sondern auch zur Unter­stützung der geord­neten städte­bau­lichen Entwicklung straßen­ver­kehrs­recht­liche Maßnahmen ergriffen werden. Auf dieser Grundlage können z.B. nach § 45 Abs. 1 Nr. 7 StVO Busspuren ausge­wiesen oder Flächen für Fuß- und Fahrrad­verkehr bereit­ge­stellt werden. Auch die Ausweitung der Parkraum­be­wirt­schaftung mit Bevor­rech­tigung für Bewohner (Bewoh­ner­parken) ist nach § 45 Abs. 1b Satz 2 StVO auf Grundlage eines städte­baulich-verkehrs­pla­ne­ri­schen Konzepts möglich.

Aber was genau wird eigentlich unter einem städte­bau­lichen Konzept verstanden? Eine klare gesetz­liche Definition gibt es dafür nicht.  Aller­dings findet sich in § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB das sogenannte „städte­bau­liche Entwick­lungs­konzept“. Dieses ist bei der Aufstellung von Bauleit­plänen zu berück­sich­tigen. Es ist jedoch selbst kein förmliches Planungs­in­strument, sondern hat infor­mellen Charakter. Daher ist es nicht bindend, auch nicht verwal­tungs­intern. Dennoch fließen entspre­chende Konzepte, soweit vorhanden, nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB in die Aufstellung der Bauleit­pläne mit ein.

Die Recht­spre­chung hat an städte­bau­liche Konzepte bislang keine hohen Anfor­de­rungen gestellt. So kann beispiels­weise ein Bebau­ungsplan Ausdruck eines städte­bau­lichen und verkehrs­po­li­ti­schen Konzepts sein (BVerwG, Urteil vom 20. 4. 2005 – 9 A 56.04, Rn. 37). Auch an weitere Instru­mente der Bauleit­planung ist zu denken. Ein städte­baulich-verkehrs­pla­ne­ri­sches Konzept kann sich auch in einem Verkehrs­ent­wick­lungsplan (VEP) niederschlagen.

Entscheidend ist für das plane­rische Konzept, dass die Auswir­kungen einzelner straßen­ver­kehrs­recht­licher Maßnahmen nicht lediglich für sich betrachtet werden, sondern in ihrer Auswirkung auf die Verkehrs­ströme und Inanspruch­nahmen von Parkraum in einem übergrei­fenden Zusam­menhang betrachtet werden. Es müssen mit den Worten der Verord­nungs­be­gründung „die grund­sätzlich möglichen positiven Effekte anhand der örtlichen Umstände nachvoll­ziehbar dargelegt werden können“ (BR-Drs. 518/23, S. 18). Dies ist deshalb eine wichtige Voraus­setzung zur Errei­chung der Schutz­zwecke, da nicht-inten­dierte Neben­ef­fekte ansonsten die Bemühungen um Umwelt­schutz und eine geordnete städte­bau­liche Entwicklung konter­ka­rieren können.

Insgesamt zeigt sich die erfreu­liche Entwicklung, dass sich das (Straßen-)Verkehrsrecht nicht mehr nur kurzsichtig zeitlich und räumlich eng an konkreten Gefahren abarbeitet. Vielmehr kann es über städte­bau­liche Konzepte durch kommunale Gestaltung in übergrei­fende Zusam­men­hänge einge­bunden werden. (Olaf Dilling)

 

2024-10-29T22:44:46+01:0029. Oktober 2024|Allgemein, Verkehr|

Baupla­nungs­recht und Schutz urbaner Grünflächen

Es ist ein schwie­riges Dilemma: Großstadt­be­wohner brauchen wohnortnahe Grünflächen. Selten wurde das so deutlich wie während der Pandemie. Aber auch der Klima­wandel fordert sein Tribut, wenn Hitze­sommer mit monsun­ar­tigen Stark­regen vor allem in Beton­wüsten zu Problemen führen. Zugleich explo­dieren die Miet- und Immobi­li­en­preise und es herrscht Wohnungsnot. 

Innen­raum­ver­dichtung heißt praktisch oft, dass urbane Grünflächen zu Gewerbe- oder Wohnge­bieten umgewandelt werden oder zumindest provi­so­risch für Wohnheime genutzt werden. Dagegen regt sich in deutschen Großstädten immer öfter Wider­stand in  Form von Initia­tiven, die das Stadtgrün schützen wollen, seien es einzelne Bäume oder große Freiflächen wie das Tempel­hofer Feld in Berlin oder die Galopp­rennbahn in Bremen.

In Hamburg kommt es nun zum Schwur vor dem Landes­ver­fas­sungs­ge­richt. Eine dortige Initiative hatte ein Bürger­be­gehren „Rettet Hamburgs Grün – Klima­schutz jetzt“ gestartet, nach der alle zusam­men­hän­genden Grün- und Landwirt­schafts­flächen von einer Größe über einem Hektar davor geschützt werden, dass in ihnen Bauland durch neue Bebau­ungs­pläne ausge­wiesen wird.

Der Senat der Freien und Hanse­stadt Hamburg hat vor dem Verfas­sungs­ge­richt letztes Jahr zu feststellen beantragt, dass dieses Begehren rechts­widrig ist. Denn durch ein entspre­chendes Gesetz werde die Regierung zu sehr in ihrem Gestal­tungs­spiel­räumen einge­schränkt. Die Möglichkeit der gericht­lichen Prüfung sieht in Hamburg § 5 Absatz 4 Volks­ab­stim­mungs­gesetz (VAbstG) bei erheb­lichen Zweifeln an der Recht­mä­ßigkeit vor. Die Zweifel ergeben sich, weil ein Gesetz, was die Beplanung der bisher unbebauten größeren Flächen der Stadt verbietet, laut Senat gegen das Berück­sich­ti­gungs­gebot des § 1 Abs. 6 BauGB verstoßen könnte. Demnach sind verschiedene städte­bau­liche Belange zu berück­sich­tigen, unter anderem die „Wohnbe­dürf­nisse der Bevöl­kerung“. Zwar sind auch „Belange des Umwelt­schutzes, einschließlich des Natur­schutzes und der Landschafts­pflege“ zu berück­sich­tigen. Durch das Volks­be­gehren würde jedoch ein Belang unzuläs­si­ger­weise über andere priorisiert.

Dennoch ist es nicht klar, wie das Gericht Ende diesen Jahres entscheiden wird. Denn das Berück­sich­ti­gungs­gebot gilt innerhalb laufender Planungs­ver­fahren. Ob es auch eine Art „Vorwirkung“ hat, bevor überhaupt ein Verfahren der Bauleit­planung einge­leitet wurde, ist bisher nicht entschieden. Nicht nur für Hamburg, sondern auch für andere Städte ist die Entscheidung dieses Rechts­streits von Interesse. Denn die Frage, wieweit der Schutz von Freiflächen gehen darf, betrifft viele deutsche Großstädte. (Olaf Dilling)

2023-11-16T17:14:32+01:0016. November 2023|Verwaltungsrecht|

Baurecht: Der Außen­be­reich im Innenbereich

Im öffent­lichen Baupla­nungs­recht gibt es bei der zentralen Unter­scheidung zwischen Außen­be­reich und Innen­be­reich, das heißt innerhalb der im Zusam­menhang bebauten Ortsteile, eine kleine Kompli­kation: Denn in manchen Fällen sind bei organisch entwi­ckelten Städten Ortsteile zusam­men­ge­wachsen, so dass zwischen ihnen Freiflächen geblieben sind: die sogenannten Außenbereichsinseln.

sw-Bild von einer urbanen Landschaft mit Nebel

Natürlich ist nicht jede Freifläche in der Stadt eine solche Außen­be­reichs­insel. Denn ansonsten könnten bestehende Baulücken gar nicht mehr geschlossen werden. Die Freifläche muss vielmehr so groß sein, daß sich ihre Bebauung nicht als zwanglose Fortsetzung der vorhan­denen Bebauung aufdrängt. Sie liegt dann nicht innerhalb eines Bebau­ungs­zu­sam­men­hangs im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB und wird grund­sätzlich als bebau­ungs­recht­licher Außen­be­reich eingestuft.

Gelten die Außen­be­reichs­inseln in jeder Hinsicht als Außen­be­reich im Sinne des § 35 BauGB? Nein, denn wie das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt kürzlich in einer Entscheidung festge­stellt hat (die bisher nur als Presse­mit­teilung vorliegt), ist in einer Außen­be­reichs­insel im Innen­be­reich ein Bebau­ungsplan zur Innen­ent­wicklung möglich. Was bedeutet das konkret für die planende Gemeinde?

Der Bebau­ungsplan der Innen­ent­wicklung im Sinne des § 13a BauGB bietet die Möglichkeit, im beschleu­nigten Verfahren aufge­stellt zu werden. Insofern können  Außen­be­reichs­ge­biete, die im Innen­be­reich liegen, schneller beplant werden. Dies dient grund­sätzlich der Innen­raum­ver­dichtung und verhindert eine Zersie­delung des Umlandes von Gemeinden. Zugleich ist aber, wie erst kürzlich der Verwal­tungs­ge­richtshof in München in einem Beschluss festge­stellt hat, die Ausweitung eines im Zusam­menhang bebauten Ortsteils in eine Außen­be­reichs­insel hinein ist eine städte­baulich unerwünschte, unorga­nische Siedlungs­weise, die vermieden werden soll.

Die beiden Aspekte, die planvolle Verdichtung des Innen­raums und die Vermeidung einer unorga­ni­schen Siedlungs­weise, sind Ziele, die in der Recht­spre­chung des BVerwG  nun gleicher­maßen zur Geltung kommen. Insofern ist die Entscheidung zu begrüßen. (Olaf Dilling)

2023-05-04T17:45:08+02:004. Mai 2023|Verwaltungsrecht|