Baupla­nungs­recht und Schutz urbaner Grünflächen

Es ist ein schwie­riges Dilemma: Großstadt­be­wohner brauchen wohnortnahe Grünflächen. Selten wurde das so deutlich wie während der Pandemie. Aber auch der Klima­wandel fordert sein Tribut, wenn Hitze­sommer mit monsun­ar­tigen Stark­regen vor allem in Beton­wüsten zu Problemen führen. Zugleich explo­dieren die Miet- und Immobi­li­en­preise und es herrscht Wohnungsnot. 

Innen­raum­ver­dichtung heißt praktisch oft, dass urbane Grünflächen zu Gewerbe- oder Wohnge­bieten umgewandelt werden oder zumindest provi­so­risch für Wohnheime genutzt werden. Dagegen regt sich in deutschen Großstädten immer öfter Wider­stand in  Form von Initia­tiven, die das Stadtgrün schützen wollen, seien es einzelne Bäume oder große Freiflächen wie das Tempel­hofer Feld in Berlin oder die Galopp­rennbahn in Bremen.

In Hamburg kommt es nun zum Schwur vor dem Landes­ver­fas­sungs­ge­richt. Eine dortige Initiative hatte ein Bürger­be­gehren „Rettet Hamburgs Grün – Klima­schutz jetzt“ gestartet, nach der alle zusam­men­hän­genden Grün- und Landwirt­schafts­flächen von einer Größe über einem Hektar davor geschützt werden, dass in ihnen Bauland durch neue Bebau­ungs­pläne ausge­wiesen wird.

Der Senat der Freien und Hanse­stadt Hamburg hat vor dem Verfas­sungs­ge­richt letztes Jahr zu feststellen beantragt, dass dieses Begehren rechts­widrig ist. Denn durch ein entspre­chendes Gesetz werde die Regierung zu sehr in ihrem Gestal­tungs­spiel­räumen einge­schränkt. Die Möglichkeit der gericht­lichen Prüfung sieht in Hamburg § 5 Absatz 4 Volks­ab­stim­mungs­gesetz (VAbstG) bei erheb­lichen Zweifeln an der Recht­mä­ßigkeit vor. Die Zweifel ergeben sich, weil ein Gesetz, was die Beplanung der bisher unbebauten größeren Flächen der Stadt verbietet, laut Senat gegen das Berück­sich­ti­gungs­gebot des § 1 Abs. 6 BauGB verstoßen könnte. Demnach sind verschiedene städte­bau­liche Belange zu berück­sich­tigen, unter anderem die „Wohnbe­dürf­nisse der Bevöl­kerung“. Zwar sind auch „Belange des Umwelt­schutzes, einschließlich des Natur­schutzes und der Landschafts­pflege“ zu berück­sich­tigen. Durch das Volks­be­gehren würde jedoch ein Belang unzuläs­si­ger­weise über andere priorisiert.

Dennoch ist es nicht klar, wie das Gericht Ende diesen Jahres entscheiden wird. Denn das Berück­sich­ti­gungs­gebot gilt innerhalb laufender Planungs­ver­fahren. Ob es auch eine Art „Vorwirkung“ hat, bevor überhaupt ein Verfahren der Bauleit­planung einge­leitet wurde, ist bisher nicht entschieden. Nicht nur für Hamburg, sondern auch für andere Städte ist die Entscheidung dieses Rechts­streits von Interesse. Denn die Frage, wieweit der Schutz von Freiflächen gehen darf, betrifft viele deutsche Großstädte. (Olaf Dilling)

2023-11-16T17:14:32+01:0016. November 2023|Verwaltungsrecht|

Baurecht: Der Außen­be­reich im Innenbereich

Im öffent­lichen Baupla­nungs­recht gibt es bei der zentralen Unter­scheidung zwischen Außen­be­reich und Innen­be­reich, das heißt innerhalb der im Zusam­menhang bebauten Ortsteile, eine kleine Kompli­kation: Denn in manchen Fällen sind bei organisch entwi­ckelten Städten Ortsteile zusam­men­ge­wachsen, so dass zwischen ihnen Freiflächen geblieben sind: die sogenannten Außenbereichsinseln.

sw-Bild von einer urbanen Landschaft mit Nebel

Natürlich ist nicht jede Freifläche in der Stadt eine solche Außen­be­reichs­insel. Denn ansonsten könnten bestehende Baulücken gar nicht mehr geschlossen werden. Die Freifläche muss vielmehr so groß sein, daß sich ihre Bebauung nicht als zwanglose Fortsetzung der vorhan­denen Bebauung aufdrängt. Sie liegt dann nicht innerhalb eines Bebau­ungs­zu­sam­men­hangs im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB und wird grund­sätzlich als bebau­ungs­recht­licher Außen­be­reich eingestuft.

Gelten die Außen­be­reichs­inseln in jeder Hinsicht als Außen­be­reich im Sinne des § 35 BauGB? Nein, denn wie das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt kürzlich in einer Entscheidung festge­stellt hat (die bisher nur als Presse­mit­teilung vorliegt), ist in einer Außen­be­reichs­insel im Innen­be­reich ein Bebau­ungsplan zur Innen­ent­wicklung möglich. Was bedeutet das konkret für die planende Gemeinde?

Der Bebau­ungsplan der Innen­ent­wicklung im Sinne des § 13a BauGB bietet die Möglichkeit, im beschleu­nigten Verfahren aufge­stellt zu werden. Insofern können  Außen­be­reichs­ge­biete, die im Innen­be­reich liegen, schneller beplant werden. Dies dient grund­sätzlich der Innen­raum­ver­dichtung und verhindert eine Zersie­delung des Umlandes von Gemeinden. Zugleich ist aber, wie erst kürzlich der Verwal­tungs­ge­richtshof in München in einem Beschluss festge­stellt hat, die Ausweitung eines im Zusam­menhang bebauten Ortsteils in eine Außen­be­reichs­insel hinein ist eine städte­baulich unerwünschte, unorga­nische Siedlungs­weise, die vermieden werden soll.

Die beiden Aspekte, die planvolle Verdichtung des Innen­raums und die Vermeidung einer unorga­ni­schen Siedlungs­weise, sind Ziele, die in der Recht­spre­chung des BVerwG  nun gleicher­maßen zur Geltung kommen. Insofern ist die Entscheidung zu begrüßen. (Olaf Dilling)

2023-05-04T17:45:08+02:004. Mai 2023|Verwaltungsrecht|

Sport­markt jenseits der Stadtgrenze

Neu ist die Klage über den Einbruch des klassi­schen Einzel­han­dels­ge­schäfts nicht. Aber mit Corona hat sich das Problem verödender Innen­städte noch einmal verschärft. Letztlich ist eine schlei­chende Verän­derung der Einkaufs- und Konsum­ge­wohn­heiten die Ursache: Anstatt Bekleidung, Bücher oder andere Konsum­güter bei einem Bummel durch kleine Laden­zeilen oder Innen­stadt­pas­sagen zu kaufen, bestellen immer mehr Verbraucher sie im Internet. Außerdem gibt es schon lange einen Trend von den Läden und Kaufhäusern der Innen­städte hin zu Großmärkten oder Outlet-Centern jenseits der Stadtgrenzen.

Eine recht­liche Möglichkeit, gewachsene Innen­städte vor dieser Konkurrenz auf der grünen Wiese zu schützen, ist das sogenannte „inter­kom­munale Abstim­mungs­gebot“. Verankert ist es im Baupla­nungs­recht, das die Bauleit­planung regelt, genau gesagt in § 2 Abs. 2 Bauge­setzbuch (BauGB). Diese Norm beinhaltet eine Art Gebot der Rücksicht­nahme gegenüber Nachbar­ge­meinden: Grund­sätzlich ist die Bauleit­planung gemäß § 2 Abs. 1 BauGB zwar in der Zustän­digkeit und eigenen Verant­wortung der Gemeinde. Aber gemäß § 2 Abs. 2 BauGB sind „Bauleit­pläne benach­barter Gemeinden … aufein­ander abzustimmen“. Gemeinden können sich dabei auf die ihnen durch die Raumordnung zugewie­senen Funktionen und auf Auswir­kungen auf ihre zentralen Versor­gungs­be­reiche berufen.

Rechtlich hat das dazu geführt, dass bei Verletzung des inter­kom­mu­nalen Abstim­mungs­gebots benach­barten Gemeinden gegen­ein­ander klagen können. Typischer­weise geht es darum, dass an der dörflichen Peripherie liegende Einkaufs­zentren die Kaufkraft aus den Zentren der Nachbar­stadt abziehen. So aktuell auch in Stuhr, der mit gut 33.000 Einwohnern die zweit­größten Gemeinde Deutsch­lands ohne Stadt­rechte. Stuhr schließt in Nieder­sachsen unmit­telbar südlich an Bremen an und ist etwa 8 km westlich des Stadt­zen­trums von Delmen­horst. In einem nahe der bremi­schen Stadt­grenze gelegenen Gewer­be­gebiet gibt es bereits zahlreiche Möbel­häuser, Baumärkte und Outlets. Hier wurde von der Bauver­waltung in Stuhr der Bau eines Decathlon-Marktes mit einer Verkaufs­fläche von über 3000 qm genehmigt.

Dagegen ist die Stadt Delmen­horst mit einem Eilantrag vorge­gangen. Das oben vorge­stellte „inter­kom­munale Abstim­mungs­gebot“ verletzt. Denn durch den Bau des Sport­fach­marktes würde der ohnehin gebeu­telten Delmen­horster Innen­stadt weiter die Kundschaft entzogen. Dadurch könne sie ihre Versor­gungs­funktion nicht mehr erfüllen.

Das Verwal­tungs­ge­richt hat in dem Eilver­fahren befunden, dass die Bauge­neh­migung die Nachbar­ge­meinde voraus­sichtlich nicht in ihren Rechten verletzt. Denn es sei nach den Prognosen von Sachver­stän­digen in Delmen­horst lediglich eine Umsatz­einbuße im betref­fenden Sement der Sport­be­kleidung und ‑artikel von ca. 7,5 % zu erwarten. Dies bliebe unter der Schwelle, ab der städte­bau­liche Auswir­kungen zu erwarten seien. Das Abstim­mungs­gebot solle nicht vor Konkurrenz als solcher schützen. Schließlich legten die Richter in Hannover noch nache, dass nicht das Gewer­be­gebiet in Stuhr für den Delmen­horster Einzel­handel das Problem sei, sondern die Lage zwischen Bremen und Oldenburg und die hohe Anzahl an Berufspendlern.

Auch wenn es in diesem Fall nicht gegriffen hat: Es ist für Gemeinden gut zu wissen, dass sie Entwick­lungen, die außerhalb ihres formalen Zustän­dig­keits­be­reichs liegen, nicht schutzlos ausge­liefert sind. Idealer­weise kann inter­kom­munale Abstimmung verhindern, dass sich Gemeinden in ohnehin schwie­rigen Zeiten einen ruinösen Wettbewerb um die Gunst der Käufer liefern (Olaf Dilling).

2020-11-09T21:34:39+01:009. November 2020|Verkehr, Verwaltungsrecht, Wettbewerbsrecht|