Schul­pflicht trotz Corona – aber nur für manche…

Zu den vielen Eilent­schei­dungen über die Zuläs­sigkeit von Freiheits­be­schrän­kungen durch Corona-Maßnahmen kommen nun auch welche zu selek­tiven und schritt­weisen Locke­rungen hinzu: So hat das Oberver­wal­tungs­ge­richt Lüneburg über die Wieder­auf­nahme des Präsenz­un­ter­richts in den vierten Klassen der nieder­säch­si­schen Grund­schulen entschieden. Eine Schülerin, hatte sich, vertreten durch ihre Eltern, dagegen gewandt. Die Eltern argumen­tierten, dass ihre Tochter wegen der Ungleich­be­handlung unter­schied­licher Klassen­stufen im Recht auf Gleich­be­handlung nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sei. Es stelle eine nicht gerecht­fer­tigte Benach­tei­ligung gegenüber anderen Grund­schülern dar, die noch nicht wieder zur Schule müssten.

Das Gericht sah die Sache anders. Es handle sich um eine durch die schritt­weise Öffnung bedingte zeitliche Ungleich­be­handlung. Diese sei notwendig, um den Bildungs­ein­rich­tungen Zeit für die Umsetzung der Maßnahmen zum Infek­ti­ons­schutz und gegebe­nen­falls zu ihrer Anpassung zu geben. Außerdem solle durch die allmäh­liche Öffnung eine unkon­trol­lierte Ausbreitung der Krankheit verhindert werden. Dass in den Grund­schulen ausge­rechnet die vierten Klassen zuerst wieder beschult würden, habe gute Gründe: Den ältesten Schülern könne die Einhaltung der neuen Regeln am ehesten zugetraut werden. Für die Entscheidung über den Wechsel auf weiter­füh­rende Schulen sei der Präsenz­un­ter­richt zwar nicht zwingend, aber dennoch wichtig. Unter­richt beschränke sich nicht aus reine Wissens­ver­mittlung und Benotung. Vielmehr sei für die Persön­lich­keits­ent­wicklung die Inter­aktion mit Lehrern und anderen Schülern besonders wichtig (Olaf Dilling).

2020-05-06T19:44:13+02:006. Mai 2020|Verwaltungsrecht|

Reife­prüfung bei „Land unter“

In einer Krise wie der jetzigen wird besonders deutlich, wie wichtig die Vorher­seh­barkeit und Verläss­lichkeit der Verwaltung ist. Das zählt vermutlich zu den zentralen Lehren, die der Abitur­jahrgang 2020 mit ins Leben nehmen wird. Denn zum Teil war über Wochen unklar, ob und in welcher Form die Prüfungen statt­finden. Fataler­weise ausge­rechnet in denje­nigen Wochen, in denen sich Schüler üblicher­weise am inten­sivsten auf ihre Prüfungen vorbereiten.

Turbulent ging es insbe­sondere in Schleswig-Holstein zu. Auch hier waren ab dem 16. März die Schulen geschlossen, so dass Unter­richt und Prüfungs­vor­be­reitung nur noch in Eigen­regie (oder mit Hilfe der Eltern) statt­finden konnte. Kurz darauf gab die Bildungs­mi­nis­terin Karin Prien von der CDU bekannt, dass die Prüfungs­termine verschoben werden würden: Während der Auftakt mit einer schrift­lichen Prüfung bislang am 26. März statt­finden sollte, also etwas mehr als eine Woche nach den Schul­schlie­ßungen, wurde er nun auf den 21. April verschoben.

Am 24. März teilte die Bildungs­mi­nis­terin mit, dass die Prüfungen  komplett entfallen würden. Die Abschluss­noten für das Abitur sollten nunmehr auf Basis bisher erbrachter Leistungen errechnet werden. Um die Wogen zu glätten, versprach die Vorsit­zende der Kultus­mi­nis­ter­kon­ferenz, die rheinland-pfälzische Bildungs­mi­nis­terin Katrin Hubig (SPD), dass die gegen­seitige Anerkennung dennoch sicher­ge­stellt sei. Darauf hätten sich die Kultus­mi­nister der Länder geeinigt. Dennoch stieß die Vorstellung von Abitu­ri­enten mit quasi ungeprüfter Hochschul­reife offenbar auf wenig Gegen­liebe in der Kultus­mi­nis­ter­kon­ferenz am Mittwoch dieser Woche. Denn gestern einigten sich die Koali­ti­ons­partner in Kiel verbindlich darauf, dass die Prüfungen nun doch ab dem 21. April „wie geplant“ statt­finden würden. Also gerade einmal fünf Tage später.

Infor­miert wurden die Eltern und Schüler bisher zum Teil wohl nur über die Presse, bzw. über soziale Medien. Für die Abitu­ri­enten und Eltern war das Ganze eine wochen­lange Zitter­partie. Sich angesichts der Unsicherheit und des Schul­aus­falls dennoch zum Lernen zu motivieren, erfordert eine Reife und Selbstän­digkeit, die über das für Schüler der gymna­sialen Oberstufe gewohnte Maß weit hinausgeht. Ob unter solchen Bedin­gungen abgehaltene Prüfungen einer recht­lichen Überprüfung stand­halten würden, ist angesichts der Beispiel­lo­sigkeit eine offenen Frage. Allgemein ist es im Prüfungs­recht entscheidend, mangel­hafte Vorbe­rei­tungs­mög­lich­keiten oder sonstige Hinder­nisse für eine angemessene Prüfung noch vor der Prüfungs­an­tritt zu rügen (Olaf Dilling).

2020-04-17T13:59:59+02:0017. April 2020|Allgemein, Verwaltungsrecht|