Herstellerverantwortung im Wasserrecht
Stoffe der Pharma- und Kosmetikindustrie sind für die Wasserentsorgung und ‑versorgung ein Problem. Denn Haushaltsabwässer sind häufig mit Spuren von Arzneimitteln oder Kosmetika belastet. Das betrifft nicht nur das inzwischen bekannte Problem der Mikroplastikpartikel, die zum Beispiel in Peelings enthalten sind und sich leicht durch organische Stoffe ersetzen ließen. Es betrifft auch Wirkstoffe aus Arzneimitteln. Da sie im Körper nicht sofort abgebaut werden dürfen, sind sie oft sehr stabil und bleiben auch in der Umwelt erhalten. Da sie oft nicht nur für Menschen, sondern auch für andere Organismen wirksam sind, führt dies zu starken ökologischen Beeinträchtigungen. Für die Wasserversorgung werden sie dann zum Problem, wenn sie oft mit jahrzehntelanger Verzögerung irgendwann im Grundwasser landen.
Demnach soll für Kläranlagen in der Europäischen Union nun eine weitere, vierte Klärstufe eingerichtet werden: Neben der mechanischen Säuberung, der biologischen „Fermentierung“, der chemischen Ausfällung von Nährstoffen soll nun noch eine Reinigung durch Aktivkohle oder Ozon treten, durch die Mikroschadstoffe effektiv herausgefiltert oder oxidiert werden können. Im Gespräch ist dies für Kläranlagen ab Größenklasse 3 (mehr als 5.000 Einwohner). Der Kostenauswand für diesen Umbau ist immens: Insgesamt müssten in der EU jährlich über 6 Milliarden Euro bereitgestellt werden.
Da die pharmazeutische Industrie und Kosmetikindustrie als Hersteller der Schadstoffe in der Verantwortung sind, soll nach Artikel 9 des Kommissionsentwurfs zur Änderung der Kommunalabwasserrichtlinie 91/271/EEG eine erweiterte Herstellerverantwortung eingeführt werden. Diese bezieht sich auf die Hersteller von Arzneimittel und Kosmetika, die nun für Kosten der vierten Klärstufe aufkommen sollen. Die Hersteller haben jedoch die Möglichkeit nachzuweisen, dass die Menge der von ihnen betriebenen Produkte unter zwei Tonnen beträgt oder dass die Produkte keine Quelle von Mikroschadstoffen im Abwasser sind. Diese Regelung wurde Mitte Oktober zwischen den Umweltministern der Mitgliedsstaaten als Basis für Verhandlungen mit dem EU-Parlament abgestimmt. Für die kommunale Wasserwirtschaft ist diese Regelung aus drei Gründen sinnvoll:
- Die Beweislastumkehr, nach der Hersteller die Ungefährlichkeit ihrer Produkte nachweisen müssen, sorgt dafür, Daten über die Schädlichkeit von Arzneimitteln und Kosmetika zu generieren.
- Die Kostentragung durch die Hersteller entlastet die Kommunen auch wirtschaftlich bei ihrer Aufgabe der Daseinsvorsorge.
- Die Herstellerverantwortung setzt zugleich Anreize, Mikroschadstoffe in Arzneimitteln und Kosmetika zu vermeiden.