Der halb abgebaute Pop-up Radweg

Seit Beginn der Pandemie sind in deutschen Städten einige Pop-up-Radwege und teils auch dauer­hafte geschützte Radfahr­streifen einge­richtet worden. Nicht immer ging das ohne Konflikte ab. Die meisten Klagen von Autofahrern oder Gewerbe blieben aber letzt­endlich ohne durch­schla­genden Erfolg.

Anders in Düsseldorf. Dort war in einem Gewer­be­gebiet ein geschützter Radfahr­streifen ausge­wiesen worden. Einge­richtet wurde er an der Straße Am Trippelsberg und sollte durch aufge­schraubte Trenn­ele­mente vor dem Überfahren durch motori­sierten Verkehr geschützt werden. Ein ortsan­säs­siger Indus­trie­be­trieb hatte Eilantrag gestellt, weil durch den Weg Parkplätze für Angestellte verloren gingen und war damit zunächst vor dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) Düsseldorf gescheitert. 

Das nordrhein-westfä­lische Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) in Münster hat dagegen auf die Beschwerde hin dem Kläger recht gegeben. Die Stadt habe die Einrichtung des 1,2 km langen geschützten Radfahr­streifens nicht ausrei­chend begründet. Sie hatte sich auf Verkehrs­be­lastung und sich daraus ergebende Nutzungs­kon­flikte berufen. Das OVG war der Auffassung, dass sie dies nicht ausrei­chend anhand von Verkehrs­zäh­lungen, Verkehrs­pro­gnosen oder sonstigen belast­baren Erkennt­nissen unterlegt hatte. Bisher war nur eine Stellung­nahme des Polizei­prä­si­diums heran­ge­zogen worden, das zum Beleg der Notwen­digkeit des Sonder­weges nicht ausrei­chend sei.

Die Stadt Düsseldorf hat daraufhin die weitere Planung des Fahrradwegs zurück­ge­stellt. Weil die Stadt der Verpflichtung, die Radweg­mar­kie­rungen vorerst zu entfernen bzw. unwirksam zu machen, in der Folge nicht hinrei­chend nachge­kommen sei, wurde ihr nun durch einen erneuten Beschluss des OVG ein Zwangsgeld angedroht. Der Fall zeigt, dass es entscheidend ist, geschützte Radfahr­streifen gut zu begründen und im Übrigen Rückbau­pflichten ernst zu nehmen. Im Zweifel können nach dem Eilver­fahren gut sichtbare gelbe Markierung angebracht werden, durch die die Rechtslage vorüber­gehend geklärt wird (Olaf Dilling).

2022-05-02T19:53:40+02:002. Mai 2022|Verkehr|

Pop-up-Radwege auf Dauer?

Gerichte sind bekanntlich unbere­chenbar: Nachdem die neuen Berliner Pop-up-Radwege noch vor einem Monat vom Verwal­tungs­ge­richt (VG) als rechts­widrig bezeichnet worden waren, sollen sie nach einem Beschluss des Oberver­wal­tungs­ge­richts nun „vorerst“ doch bleiben. Was nun also?

Um etwas Licht in das Dickicht des aktuellen urbanen Verkehrs­ge­schehens zu bringen, sind ein paar Unter­schei­dungen hilfreich:

#Bei den oben genannten Beschlüssen handelt es sich um Eilbe­schlüsse, die beide vorläufig sind: Eine endgültige Entscheidung erfolgt im Haupt­ver­fahren. Auch das Verwal­tungs­ge­richt hat nur entschieden, dass die Radwege nach vorläu­figer Einschätzung wahrscheinlich rechts­widrig seien. Das ist weder von der Presse­stelle des VG, noch von den meisten Zeitungen präzise genug darge­stellt worden.

#Beide Gerichte haben die ursprüng­liche Begründung der Pop-up-Radwege nicht akzep­tiert: Ein verstärkter Bedarf an Fahrrad­in­fra­struktur wegen Corona trägt als straßen­ver­kehrs­recht­liche Begründung der Verkehrs­re­gelung nicht. Daher hat die Senats­ver­waltung bei der Begründung der Radwege noch einmal nachgelegt: Sie seien auch aus Gründen der Verkehrs­si­cherheit notwendig.

#Diese allge­meinere Begründung, die nun vom OVG akzep­tiert wurde, trägt auch über die Zeit der Pandemie hinaus: Auch und gerade in Zeiten mit stärkerem Kfz-Verkehr ist ein Schutz schwä­cherer Verkehrs­teil­nehmer straßen­ver­kehrs­rechtlich notwendig und sinnvoll. Daher werden die Verkehrs­be­hörden – zumindest auf Basis eines Wahrschein­lich­keits­ur­teils – nun rechtlich darin bestärkt, Fahrstreifen für Kfz dem Radverkehr zuzuweisen.

#Wenn dies dauerhaft und nicht nur vorläufig erfolgen soll, wäre es aller­dings erfor­derlich, eine entspre­chende straßen­recht­liche Umwidmung vorzu­nehmen. Dadurch wird dann klarge­stellt, dass dieser Teil der Straße auf Dauer nicht mehr für Kfz, sondern nur noch für den Radverkehr zur Verfügung steht.

Für den Antrags­steller von der AfD ist die Sache insofern nach hinten losge­gangen. Denn nun dürfte auch für weitere mehrspurige Straßen rechts­sicher geklärt werden, dass und unter welchen Voraus­set­zungen eine Umwidmung oder temporäre Verkehrs­re­gelung zugunsten des Rad- oder Fußver­kehrs möglich ist. Zumal herrschte über eine Voraus­setzung unter den Gerichten immer Einigkeit: Dass es rechtlich grund­sätzlich zulässig ist, eine Kfz-Fahrspur für einen Radfahr­streifen zu opfern. Lediglich die Begründung hatte anfangs nicht überzeugt (Olaf Dilling).

2020-10-09T10:06:55+02:009. Oktober 2020|Verkehr, Verwaltungsrecht|