Parkverbote für Fahrräder?

Nicht nur Kraft­fahr­zeuge, auch Fahrräder stehen manchmal im Weg. Und dann stellt sich die Frage: Was für Möglich­keiten gibt es eigentlich, das Abstellen von Fahrrädern zu unter­sagen? Obwohl diese Frage erst einmal trivial erscheint, stellt sie sich in der Praxis als ziemlich schwierig heraus. Denn in der Regel werden Fahrräder am Rand der Gehwege oder Plätze abgestellt. Dabei üben Radfahrer ihr Recht auf Gemein­ge­brauch aus. Wenn nun in einer Straße ein einge­schränktes oder absolutes Halte­ver­bots­schild aufge­stellt wird, dann folgt daraus zunächst einmal nur etwas für Kraft­fahr­zeuge. Sie dürfen dann dort nicht abgestellt werden, wo die  Straßen­ver­kehrs­ordnung das Parken regel­mäßig vorsieht, nämlich am Fahrbahnrand. Für Fahrräder am Rand der Gehwege gilt die Anordnung dagegen nicht.

Vor einigen Jahren wurde, um das wilde Parken von Fahrrädern am Bahnhof in Lüneburg zu unter­binden ein Halte­verbot mit Zusatz „auch Fahrräder“ angeordnet. Die Idee der Stadt war, dass dies auch für den an die Fahrbahn angren­zenden Fußgän­ger­be­reich auf dem Bahnhofs­vor­platz gelten solle. Fahrrad­fahrer, die die Bahn nutzen wollten, sollten auf ein nahe gelegenes gebüh­ren­pflich­tiges Parkhaus eines privaten Betreibers zurück­greifen. Nach Anordnung des Verbots hatte die Stadt begonnen, auf dem Bahnhofs­vor­platz abgestellte Fahrräder zu entfernen und in das Parkhaus zu bringen, wo die Besitzer es gegen Bezahlung einer Gebühr auslösen konnten.

Daraufhin beantragte ein Fahrrad­fahrer beim Verwal­tungs­ge­richt die Feststellung, dass diese Praxis rechts­widrig sei, da mit der Anordnung des Halte­verbots kein Verbot verbunden sei, auf dem Vorplatz zu parken. Vor dem Verwal­tungs­ge­richt bekam er recht, auf Berufung und Revision der Beklagten landete die Sache schließlich beim Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt. Dies entschied, dass sich ein „Haltverbot auch auf Seiten­streifen und andere mit Fahrzeugen befahrbare öffent­liche Verkehrs­flächen in einer Haltver­botszone erstrecke, nicht jedoch auf Fußgän­ger­ver­kehrs­flächen“. Schließlich ergebe sich das Verbot des Parkens von Kfz auf Gehwegen bereits aus § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO. Die von der Stadt Lüneburg getroffene Anordnung der Halte­ver­botszone würde sich zwar aufgrund des Zusatz­schildes auch an Fahrrad­fahrer richten. Aller­dings nur bezüglich des Parkens in den auch für Kfz vorge­se­henen Bereichen.

Diese schon etwas ältere, aber weiterhin relevante Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die StVO nicht für Fahrrad­verkehr konzi­piert ist, sondern sich primär an Kfz und deren Belangen orien­tiert. Fragen des Umgangs mit Fahrrad- und Fußverkehr oder ÖPNV sind daher oft nur indirekt ableitbar und bedürfen einer beson­deren Expertise. Wir beraten Sie gerne zu diesen Themen (Olaf Dilling).

2022-03-09T23:02:43+01:009. März 2022|Verkehr|

Der sogenannte ruhende Verkehr

Rechtlich dreht sich auf deutschen Straßen alles um den Verkehr. Denn nach den Landes­stra­ßen­ge­setzen sind Straßen dem Verkehrs­zweck gewidmet, so etwa § 2 Abs. 1 Berliner Straßen­gesetz. Und bei straßen­ver­kehrs­recht­lichen Anord­nungen sind Sicherheit und Ordnung des Verkehrs nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO der Dreh- und Angel­punkt: Regelungen, die nicht diesen Rechts­gütern dienen, sondern zum Beispiel dem Ruhebe­dürfnis der Stadt­be­wohner oder der Luftrein­haltung bedürfen einer eigens in der Straßen­ver­kehrs­ordnung einge­räumten Ausnahme, vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 StVO.

Skultur in Köln: In Beton eingemauertes Auto auf Mittelstreifen einer Straße.

(Ruhender Verkehr von Wolf Vostell, 1969, Foto: I, VollwertBIT, CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons)

Im engen Sinn wird Verkehr definiert als „jede auf Ortsver­än­derung von Personen und Sachen zielende Tätigkeit…“. Dass das Parken von Kfz dabei überhaupt zum Verkehr zählt, ist dabei keine Selbst­ver­ständ­lichkeit. Es muss bei der Definition des Verkehrs daher ausdrücklich als weiterer Posten Erwähnung finden: „…einschließlich des ruhenden Verkehrs“.

Trotzdem findet flächen­mäßig in einem sehr großen Teil des urbanen öffent­lichen Verkehrs­raums die meiste Zeit gar kein Verkehr im Sinne einer aktuellen Ortsver­än­derung statt. Denn viele Kraft­fahr­zeuge stehen den größten Teil des Tages auf demselben Platz, in vielen Fällen sogar über Wochen oder gar Monate. So heißt es, dass die Hälfte der in Berlin zugelas­senen 1,2 Millionen Kfz auf öffent­lichen Parkplätzen abgestellt werden, dabei aber durch­schnittlich nur 30 Minuten am Tag genutzt werden. Genutzt werden sie lediglich von gut der Hälfte der Berliner, denn etwas über 40% hat gar kein eigenes Auto. Daher fordern Umwelt­ver­bände seit langem, dass zumindest ein Teil dieses Platzes effizi­enter genutzt würde, wenn er für den Umwelt­verbund, also ÖPNV, Fahrrad und Fußverkehr, oder für Sharing-Angebote zur Verfügung stehen würde.

Als etwas kleinlich erscheint vor dem Hinter­grund der großzügig bemes­senen Parkflächen die recht­liche Einschätzung, dass Sitzge­le­gen­heiten, die von Anwohnern vor ihren Häusern aufge­stellt werden, als geneh­mi­gungs­be­dürftige Sonder­nutzung einzu­stufen sind. Bei einem Streit in Heidelberg über den Klapp­stuhl eines älteren Altstadt­be­wohners, über den die Presse ausführlich berichtete, ist das Ordnungsamt inzwi­schen einge­knickt. Nur in Notfällen soll er das Feld räumen müssen. Und hat damit insofern Augenmaß bewiesen, als bei Fußgänger an ein Recht auf „ruhenden Verkehr“ zu denken ist, zumindest, wenn sie wie der betref­fende Heidel­berger die 100 Jahre überschritten haben.

Vor dem Hinter­grund neuer Möglich­keiten der „Shared Mobility“, von Carsharing bis hin zum Angebot an E‑Scootern, sollte  aber auch über die Notwen­digkeit des „ruhenden Verkehrs“ in den Städten neu nachge­dacht werden. Die Kommunen haben dabei oft mehr Möglich­keiten, die Aufteilung der Verkehrs­fläche neu zu gestalten, als ihnen bewusst ist  (Olaf Dilling).

2022-01-12T17:09:53+01:0012. Januar 2022|Verkehr, Verwaltungsrecht|