Wie viel Cent kostet der Wasserpfennig?

Auch wenn wir in Deutschland augen­blicklich mit kühlem Nass gesegnet sind, hat der trockene, heiße Sommer 2018 in mancher Hinsicht einen Eindruck verschafft, wie es sein könnte, wenn es anders wäre. Dabei warnen Klima­for­scher schon seit Jahren vor Dürren und anderen extremen Wetter­ereig­nissen, die durch eine Erwärmung der Arktis und entspre­chende Änderungen des Jetstreams verur­sacht sein könnten. Die Auswir­kungen betreffen bislang kurio­ser­weise weniger die Versorgung mit Trink­wasser, als die Energie­branche. So konnten wegen des niedrigen Wasser­stands am Rhein Tankschiffe nicht mehr passieren, so dass es Anfang November mancherorts zu Liefer­eng­pässen für Heizöl und Benzin kam. Im Spätsommer hatten dagegen Kohle- und Atomkraft­werke Probleme: Das Fluss­wasser war so warm, dass es wegen Umwelt­auf­lagen nicht mehr zum Kühlen verwendet werden durfte.

Ein Instrument zur Bewirt­schaftung des Wassers als knapper Ressource ist in Deutschland das Wasser­ent­nah­me­entgelt, besser bekannt als der sogenannte „Wasser­pfennig“. Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg den Wasser­pfennig 1988 einge­führt. Die nicht­steu­er­liche Abgabe wurde zunächst zweck­ge­bunden zur Entschä­digung von Landwirten einge­setzt. Im Gegenzug sollten sie in Wasser­schutz­ge­bieten weniger düngen. Inzwi­schen werden die einge­nom­menen Mittel in Baden-Württemberg für Maßnahmen des Hochwas­ser­schutzes verwendet. Von den Wasser­ver­sorgern wird das kriti­siert, da sie weiterhin für das Entgelt aufkommen müssen, aber nicht mehr vom Schutz vor Nitrat­be­lastung profi­tieren. Dass der Landtag in Stuttgart kürzlich beschlossen hat, den Wasser­pfennig von 8,1 auf 10 Ct pro Kubik­meter Wasser anzuheben, dürfte sie nicht besänftigt haben.

Seit Erlass der Wasser­rah­men­richt­linie im Jahr 2000 sind viele andere Bundes­länder beim Wasser­pfennig nachge­zogen. Denn in Art. 9 der Richt­linie ist entspre­chend dem Verur­sa­cher­prinzip der Grundsatz der Kosten­de­ckung verankert. Der Wasser­pfennig dient insofern als Lenkungs­abgabe, um den Wasser­ver­brauch zu reduzieren. Eine Weile ist die Kommission davon ausge­gangen, dass auch Nutzungen oder Eingriffe in Oberflä­chen­ge­wässer wie Wasser­kraft­nutzung, Binnen­schiff­fahrt oder Hochwas­ser­schutz „bepreist“ werden müssten. Der Europäische Gerichtshof hat aber 2014 in einem Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren gegen Deutschland entschieden, dass diese Nutzungen trotz des Kosten­de­ckungs­prinzips nicht zwingend einer Lenkungs­abgabe bedürfen. Vielmehr haben die Mitglied­staaten insofern selbst in der Hand, durch welche Maßnahmen sie den Gewäs­ser­schutz sicherstellen.

Aktuell muss in den meisten Bundes­ländern, außer in Bayern, Hessen und Thüringen, für die Entnahme von Wasser bezahlt werden. Die Höhe des Entgelts schwankt dabei zwischen 31 Ct/m3 in Berlin und 5 Ct/m3 in NRW und einigen anderen Bundes­ländern. Das betrifft sowohl öffent­liche Wasser­ver­sorger als auch, Kraft­werks­be­treiber – wobei Entgelte für Kühlwasser ermäßigt sein können. Trotzdem sind die Kraft­werks­be­treiber in Baden-Württemberg nicht begeistert von der aktuellen Erhöhung des Wasser­pfennigs. Sie sehen wegen der unter­schied­lichen Regelung auf Landes­ebene darin eine Wettbe­werbs­ver­zerrung auf dem Energiemarkt.

Die Recht­spre­chung gibt ihnen jedoch wenig Grund zur Hoffnung, da sie den Wasser­pfennig zumindest grund­sätzlich für recht­mäßig hält: Letztes Jahr hatte das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt in zwei Fällen über das Wasser­ent­nah­me­entgelt in Nordrhein-Westfalen zu entscheiden. In einem Fall ging es um einen Betreiber einer Kiesgrube, der Wasser aus einem Baggersee auf seinem eigenen Gelände entnimmt, um Kies zu waschen, im anderen Fall um einen Braun­koh­le­ta­gebau, der Gruben­wasser hochpumpt und ungenutzt in ein Oberflä­chen­ge­wässer einleitet. Während der eine Kläger sich vor allem auf sein Eigen­tums­recht berief, war dem anderen Kläger nicht ersichtlich, warum er zahlen müsse, obwohl er das Wasser ja gar nicht wirklich nutzen würde. Vor allem angesichts ermäßigter Abgaben für Kühlwas­ser­nutzung sei dies unverhältnismäßig.

In beiden Fällen hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt entschieden, dass es keinen Grund für Beanstan­dungen gibt. Durch die Erlaubnis zur Wasser­ent­nahme erhalte der Unter­nehmer Zugriff auf ein Gut der Allge­meinheit. Darin liege ein abschöp­fungs­fä­higer Sonder­vorteil. Dies gelte grund­sätzlich auch für Benutzung von Wasser aus Gewässern die auf eigenen Grund­stücken entstanden sind. Auch die Besei­tigung von Wasser wirke sich als ein Vorteil aus, wenn ohne sie die Ausbeutung von Boden­schätzen nicht möglich ist. Die unter­schied­liche Behandlung von Kraft­werks­be­treibern sei jeden­falls in sich stimmig. Sie bewege sich zudem im Rahmen des Gestal­tungs­spiel­raums des Landesgesetzgebers.

2018-12-10T14:14:06+01:0010. Dezember 2018|Allgemein, Industrie, Umwelt|

Buy now, pay later?“ Landwirt­schaft und Trinkwasser

Über der ganzen Aufregung um Diesel und Luftver­schmutzung ist ein bisschen unter­ge­gangen, dass es um Gülle, Glyphosat und Grund­wasser ganz ähnlich steht: Auch hier geht‘s um strenge EU-Standards, die von Deutschland zum Teil verletzt werden. Es geht um Bürger, die für unser aller Gesundheit einen hohen Preis zahlen. Und es geht nicht zuletzt um kleine schlag­kräftige Umwelt­ver­bände, die eine Branche mit starker Lobby in Bedrängnis bringen. Erst vor wenigen Monaten wurde Deutschland wegen der Nitra­t­richt­linie vor dem Europäi­schen Gerichtshof verklagt. Zwischen­zeitlich, nämlich 2017, war das deutsche Dünge­recht refor­miert worden. Vielleicht deshalb hat die Entscheidung nur mäßig Wellen geschlagen, obwohl die Proble­matik eigentlich für jeden Haushalt mit Wasser­an­schluss relevant sein sollte.

Offenbar gibt es wenig Grund zur Entwarnung. So lag die Belastung des Grund­wassers an fast einem Fünftel der Messstellen in Deutschland im letzten Nitrat­be­richt über dem gesetz­lichen Grenzwert. In Gebieten mit vielen landwirt­schaft­lichen Nutzungen im Einzugs­gebiet waren es sogar 28%. Dabei gibt es deutliche lokale Schwer­punkte, vor allem im Nordwesten, im Einzugs­gebiet von Elbe, Weser und Ems. Hier ist die Viehdichte besonders hoch. Aller­dings haben auch Feldfrüchte wie Mais oder Gemüse wie Spargel oder Salat einen hohen Nährstoff­bedarf. Das Gemüse wird meist noch kurz vor der Ernte stark gedüngt.

Dass die Reform des Dünge­rechts von 2017 hier eine deutliche Kehrt­wende bewirkt und die EU-Grenz­werte in Zukunft einge­halten werden, wird von Rechts- und Agrar­ex­perten und nicht zuletzt dem Branchen­verband der Gas- und Wasser­wirt­schaft DVGW bezweifelt. Die Deutsche Umwelt­hilfe, bekannt aus den zahlreichen Diesel­ver­bots­ver­fahren, hat Mitte Juli auch prompt eine verwal­tungs­ge­richt­liche Klage dagegen einge­reicht. Ob die Nitrat­be­lastung tatsächlich reduziert wird, hängt letztlich nicht nur von der EU-Konfor­mität der Regelungen, sondern auch von ihrer Umsetzung ab. Skeptisch stimmt, dass sie viele Ausnah­me­mög­lich­keiten aufweisen und schon in der Vergan­genheit oft nicht ausrei­chend kontrol­liert wurden. Ohnehin werden Änderungen bei der Bewirt­schaftung der Böden erst mit einiger Verzö­gerung im Grund­was­ser­körper ankommen. Darunter leidet nicht nur die ökolo­gische Qualität der Gewässer. Gerade für Säuglinge kann Nitrat eine Gefahr darstellen, da es in ihrem Magen zu giftigem Nitrit umgewandelt werden kann.

Dennoch ist die Gesundheit der Bürger durch die Nitrat­be­lastung des Grund­wassers bislang nicht wirklich in Gefahr. Dafür sorgt derselbe Grenzwert wie für Grund­wasser (50mg Nitrat pro Liter Wasser), der beim Trink­wasser bislang aber viel besser einge­halten werden kann. Das liegt zum einen daran, dass die Brunnen zur Gewinnung von Trink­wasser viel tiefer gebohrt wurden als die Messstellen für das Grund­wasser, so dass die Schad­stoffe entspre­chend später ankommen. Außerdem garan­tieren beim Trink­wasser die Qualität nicht die Landwirte, sondern die Wasser­ver­sorger: Unter Umständen müssen tiefere Brunnen gebohrt werden oder muss belas­tetes mit weniger belas­tetem Trink­wasser gemischt werden. Wenn das nicht hilft, könnte der Nitrat­gehalt auch durch aufwändige technische Methoden unter das vorge­schriebene Maß reduziert werden.

So weit die technische Seite – aber wie sollte eigentlich rechtlich mit dem Problem der Grund­was­ser­be­lastung durch Landwirt­schaft umgegangen werden? Einen Einblick in den aktuellen Stand gibt ein Fall aus dem Südwesten, bei dem es nicht um Dünge­mittel, sondern um Pestizide geht: Der baden-württem­ber­gische Agrar­mi­nister Peter Hauk hatte zunächst auf einer Presse­kon­ferenz behauptet, dass es die Bevöl­kerung nichts angehe, welche Mengen Herbizide, Fungizide oder Insek­tizide die Landwirte, Obstbauern oder Winzer ausbringen. Später hat er seine Äußerung auf die erwartbar empörte Reaktion dann zwar zurück­ge­nommen. Aller­dings wollte er der Landes­was­ser­ver­sorgung Baden-Württemberg dennoch nicht die genauen Mengen der in Wasser­schutz­ge­bieten einge­setzten Pestizide mitteilen. Eigentlich dürfte das möglich sein, da die Daten von den Landwirten ohnehin für Kontrollen vorge­halten werden müssen. Aber ist die Agrar­ver­waltung auch zur Herausgabe der Daten verpflichtet? Der kommunale Zweck­verband hat deswegen im Oktober vor den Verwal­tungs­ge­richten Sigma­ringen und Stuttgart Klage einge­reicht. Er begründet diesen Schritt mit dem Erfor­dernis, sich auf die Belas­tungen recht­zeitig einstellen zu können.

Aus unserer Sicht wäre eine Auskunfts­pflicht zumindest schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Aber reicht das auch? Mit dem Aufwand der Trink­was­ser­ver­sorgung werden die Wasser­ge­bühren in Zukunft weiter steigen. Und dass diese Kosten letztlich die Verbraucher zahlen müssen, ist eigentlich nicht einzu­sehen. Vielmehr sollte bei der Verur­sa­chung angesetzt werden. Dafür ist noch einiges an Umdenken erfor­derlich. Denn so sehr wir jedem und jeder ihr Schnitzel und ihren Spargel auf dem Teller gönnen: Soll der volle Preis dafür wirklich erst einige Jahre später über die Wasser­rechnung bezahlt werden? Nicht nur die sprich­wört­liche schwä­bische Hausfrau dürfte das anders sehen.

2018-11-22T07:52:40+01:0022. November 2018|Allgemein, Umwelt|