Schul­den­bremse erfordert Straßenausbaubeitrag

Dass die beim Bau von Straßen gefor­derten Straßen­aus­bau­bei­träge unter Bürgern und Politikern zunehmend umstritten sind, hatten wir schon einmal berichtet. Daher verzichten Kommunen in viele Bundes­länder zunehmend auf ihre Erhebung, die für einzelne Anlieger – gerade an Eckgrund­stücken – eine besondere Härte darstellen können.

Doch ein aktuell vom Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Lüneburg entschie­dener Fall zeigt, dass der Verzicht nicht immer im Ermessen der Gemeinde steht: Die Stadt Laatzen bei Hannover hatte beschlossen, die Satzung zur Erhebung von Straßen­aus­bau­bei­trägen aufzu­heben. Dagegen hatte sich die Region Hannover als Kommu­nal­auf­sichts­be­hörde gewandt. Zunächst hatte das Verwal­tungs­ge­richt Hannover der Gemeinde recht gegeben: Denn es stehe es der Gemeinde frei, Straßen­aus­bau­bei­träge nach § 6b Abs. 1 des Nieder­säch­si­schen Kommu­nal­ab­ga­ben­ge­setzes zu erheben. 

Dagegen entschied das OVG, dass die Gemeinde zur Erhebung der Beiträge verpflichtet sei. Denn angesichts der aktuellen Finanzlage der Gemeinde könne sie den Wegfall der Straßen­aus­bau­bei­träge nur über Kredite finan­zieren. Die verstoße aber gegen § 111 Abs. 6 des Nieder­säch­si­schen Kommu­nal­ver­fas­sungs­ge­setzes. Demnach dürfen Kommunen Kredite nur aufnehmen, wenn eine andere Finan­zierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweck­mäßig wäre.

Tatsächlich ist es aus Sicht des Landes wichtig, dass Kommunen nicht über ihre Verhält­nisse leben und „ungedeckte“ Geschenke an ihre Bürger verteilen. Aller­dings gäbe es auch Alter­na­tiven, wie wieder­keh­rende Beiträge für festzu­le­gende Beitrags­ge­biete, die verhindern würden, dass mit einem Mal sehr hohe Beiträge fällig werden. Dafür wären sie öfter zu zahlen. 

Mitunter wird auch eine Erhöhung der Grund­steuer vorge­schlagen. Daraus resul­tiert aller­dings das Problem, dass Steuer­ein­nahmen nicht zweck­ge­bunden erhoben werden. Es kann dann mit anderen Worten nicht sicher­ge­stellt werden kann, dass die Grund­steu­er­erhöhung dem Straßenbau zugute kommt (Olaf Dilling).

 

2020-08-19T15:08:32+02:0019. August 2020|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Kommu­nal­recht: Amtsblätter sind keine Lokalzeitung

Ein Evergreen in der Hitliste der ungele­senen Schrift­stücke dürften Amtsblätter darstellen. Wie der Bebau­ungsplan in der Astrid-Lindgren-Siedlung demnächst genau aussieht oder wo die Pläne für das neue Einkaufs­zentrum ausliegen, dürfte außer den unmit­telbar Betrof­fenen kaum jemand mit Begeis­terung oder auch nur Interesse zur Kenntnis nehmen. Dabei stellen Amtsblätter eigentlich gute Möglich­keiten dar, als Stadt direkt mit den Bürgern zu kommunizieren.

Doch dem Ausbau der Amtsblätter von der dürren Infor­mation zu einer Art Stadt-Illus­trierter hat Grenzen. Dies hat bereits im letzten Jahr der Bundes­ge­richtshof (BGH) am 20.12.2018 festge­stellt (BGH I ZR 112/18). Hier hatte ein Zeitungs­verlag sich gegen die Konkurrenz gewandt, zu der sich das städtische Amtsblatt im schwä­bi­schen Crailsheim entwi­ckelt hatte. Laut BGH existiert nämlich ein Gebot der Staats­ferne der Presse, das direkt aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grund­gesetz (GG) fließt. Dieses sei auch eine Markt­ver­hal­tens­re­gelung im Sinne des § 3a UWG, so dass Wettbe­werber die Einhaltung einklagen könnten. Woran man ein nicht hinrei­chend staats­fernes Amtsblatt erkennt? Der BGH hält die Neutra­lität und die Zugehö­rigkeit zum gemeind­lichen Aufga­ben­be­reich bei Art und Inhalt der redak­tio­nellen Beiträge für ausschlag­gebend. Relevant sei auch das optische Erschei­nungsbild. Mit anderen Worten: Wenn ein Amtsblatt aussieht wie eine Illus­trierte und sich auch so liest, muss die Lokal­zeitung sich nicht gefallen lassen, dass es kostenlos verteilt wird und ihr so das Geschäft verdirbt. Homes­tories über den neuen Schüt­zen­könig und Inter­views mit dem Vorsit­zenden des Kanin­chen­züch­ter­vereins gehören also in die private Lokal­zeitung, nicht ins Amtsblatt. Gleich­zeitung stellte der BGH klar, dass es auch ein legitimes Recht der Gemeinde zur Infor­mation gibt, das in Baden-Württemberg aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 71 Abs. 1 Satz 1 LV BW, Art. 78 Abs. 1 Satz 1 NRW fließt.

Der Grundsatz der Staats­ferne der Presse ist nun auch einem städti­schen Angebot ihm Internet auf die Füße gefallen. Mit Datum vom 8.11.2019 (3 O 262/17) hat das Landge­richt (LG) Dortmund den Online-Auftritt der Stadt Dortmund für wettbe­werbs­widrig erklärt, nachdem der Verlag der Ruhr-Nachrichten auf Unter­lassung geklagt hatte. Tatsächlich ist das städtische Angebot ein bunter – und recht gelun­gener – Spiegel des städti­schen Lebens Dortmunds, in dem ähnlich wie in einem privaten Portal u. a. über die Meister­feier von Borussia Dortmund, ein nicht­städ­ti­sches Hospiz und eine Deutsche Meister­schaft im Unter­was­ser­rugby berichtet worden sei. Das werde den vom BGH aufge­stellten Grund­sätzen über Amtsblätter nicht gerecht.

Doch wie „verstaubt“ muss ein städti­sches Angebot nun sein, um nicht von Privaten abgemahnt werden zu können? Die Gerichte nehmen Einzel­fall­be­wer­tungen vor. Richt­schnur ist dabei die Ähnlichkeit mit der Lokal­presse offline und online. Wie so oft kommt es also auf den Einzelfall an (Miriam Vollmer).

 

 

2019-11-20T19:02:26+01:0020. November 2019|Verwaltungsrecht, Wettbewerbsrecht|

Zu arm für Geschenke

Im Grund­gesetz stehen ja die inter­es­san­testen Sachen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG etwa bestimmt, dass den Gemeinden das Recht gewähr­leistet sein müsse, alle Angele­gen­heiten der örtlichen Gemein­schaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verant­wortung zu regeln. Die kommunale Selbst­ver­waltung genießt damit Verfas­sungsrang. Dass das – wie schon der Bezug auf den „Rahmen der Gesetze“ verdeut­licht – aber nicht bedeutet, dass Gemeinden machen können, was sie wollen, hat erst gestern das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) noch einmal eindringlich bestätigt.

In der Entscheidung geht es um eine hessische Gemeinde. Die Gemeinde ist arm, die Gemeinde hat ganz objektiv nichts zu verschenken, und Geld für Straßen­bau­maß­nahmen ausge­geben hat sie auch. Sie könnte deswegen eine Straßen­bei­trags­satzung erlassen und Ausbau­bei­träge von den Anwohnern fordern, aber das möchte man vor Ort offen­sichtlich nicht. Da ist man lieber pleite.

Dies aller­dings missfällt der Kommu­nal­auf­sicht. Nach einigem Hin und Her erging deswegen 2011 ein Bescheid auf Grundlage des § 139 HessGO, der die Aufsicht ermächtigt, das Erfor­der­liche anzuweisen, wenn Gemeinden ihren gesetz­lichen Verpflich­tungen nicht nachkommen. Hier verpflichtete die Aufsicht die Gemeinde zum Erlass einer Straßen­bei­trags­satzung. Dem kam die Gemeinde trotz gleich­zei­tiger Anfechtung des Bescheides auch nach. Aber zum einen waren der Kommu­nal­auf­sicht die Beiträge zu niedrig und zum anderen enthielt die Satzung eine Klausel, nach der die Beiträge erst für künftige, nicht aber für schon geplante oder begonnene Maßnahmen erhoben werden würden. Die Kommu­nal­auf­sicht war not amused. Die Situation eskalierte: Die Kommu­nal­auf­sicht änderte die Satzung 2011 im Wege der Ersatz­vor­nahme selbst. Die Gemeinde erhob Wider­spruch gegen diese Maßnahme und 2012 sah man sich vor Gericht.

2013 wies das Verwal­tungs­ge­richt Gießen die Klage ab. 2018 bestä­tigte der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof (HessVGH) die erstin­stanz­liche Entscheidung. Gemeinden hätten zwar an sich nur das Recht, nicht aber die Pflicht, Straßen­bei­trags­sat­zungen zu erlassen. Die Gemeinden müssten aber ihr Vermögen und ihre Einkünfte so verwalten, dass die Gemein­de­fi­nanzen gesund bleiben (§ 10 Satz 1 HessGO).

Daraus leitete nun auch das BVerwG ab: Wer es sich leisten kann, darf sich aussuchen, ob er Straßen­aus­bau­maß­nahmen über Beiträge umlegt. Wer kein Geld hat, hat keine Wahl: Er muss im Interesse der Gemein­de­fi­nanzen Beiträge erheben. Die Kommu­nal­auf­sicht war also im Recht.

2019-05-30T22:30:38+02:0030. Mai 2019|Allgemein, Verwaltungsrecht|